Donnerstag, 26. September 2013

Von Hand aufgießen


Den Morgenkaffee bereiten. Am liebsten tu ich das noch immer, indem ich von Hand aufgieße, also die Filtertüte in einen dieser altmodischen Porzellanfilter drapiere, das Kaffeepulver darein gebe, nach dem Richtmaß jeweils einen gehäuften Teelöffel pro Tasse und einen Löffel extra für die Kanne, und dann das heiße Wasser nach und nach beigebe, bis die Kanne gefüllt ist. Ich erfreue mich dabei am Kaffeeduft in der Küche.

Sicher, wir sind auch in Besitz einer „Kaffeemaschine“, die den Alltag ja so erleichtern soll, da sie fast alles nebenbei und von alleine macht, nur den Filter muss man noch hineintun und das Kaffeepulver, Wasser in den Behälter füllen und den roten Knopf auf „an“ stellen. Schon kann man sich vom Tatort entfernen und sich anderen Dingen zuwenden.

Es gab Zeiten, in einer meiner Wohngemeinschaften, da gehörte dieses Ding zum Lebensrepertoire, bei uns vielen Menschen lief sie immerzu, unsere „Herz- Lungenmaschine“ nannten wir sie, ob der Geräusche, welche sie fabrizierte, besonders, wenn sie kurz vorm Abschluss ihres Kaffeeaufbrühvorganges war. Zisch Blubb Schnorchel Blubb Zisch Blubb.

Neben dem Aufbrühen des Kaffees wurde auch das Trinken des Kaffees zu einer Beiläufigkeit, mal eben im Gespräch aufstehen, sich eine Tasse Kaffee einschenken, wieder zurück an den Tisch, und weiter parlieren, ohne das Gespräch zu unterbrechen und sich wirklich dem Genuss des Getränkes hingeben. Irgendwann nervte mich dieses Vorgehen, nicht nur aus dem Grunde, dass ich da die eine oder andere Tasse mehr trank, als mir gut tat, sondern auch darum, dass es so beiläufig geschah. Ich empfinde, dass es dem Getränm nicht gerecht wird. Dass kein Genuss dabei ist.

Nun bin ich seit geraumer Zeit dabei, mein Leben zu entschleunigen. Den abstrusen Tanz um die Rationalisierung des Alltags nicht mehr mit zu machen. Sicher, eine Waschmaschine ist eine gute Erfindung. Ich weiß das, denn ich habe eine Zeit in einer Gemeinschaft gelebt, in der wir alles von Hand gewaschen haben, auch die Stoffwindeln für die kleinen Kinder. Es gibt begrüßenswerte Erleichterungen durch die Technik. Ein kleiner Einschub an dieser Stelle: Wer einmal über längere Zeit die Wäsche insgesamt von Hand wusch, entwickelt eine gewisse Dankbarkeit gegenüber den dienstbaren Geistern aus der Wunderwelt der Technik.

Doch nicht überall ist für mein Empfinden (und Wohlbefinden) diese Erleichterung angebracht, und gerade da nicht, wo es um die Zubereitung von so etwas Essentiellen wie die Nahrung und die Genussmittel sind. Hier möchte ich "Hand anlegen", dabei sein, mit allen Sinnen. Es ist etwas wie Meditation, und die Küche entwickelt sich zu einer Alchemistenküche, einem Labor für die Vergoldung des Alltags. 

In einigen Dingen gehe ich noch einige Schritte weiter. Zum Beispiel wird bei mir Pesto grundsätzlich in einem stabilen Steinmörser zubereitet, ebenso werden Koriander- Pfeffer-, Kardamonsamen darin zerkleinert. Das mag zwar archaisch wirken, doch die sinnliche Verinigung mit dem so hergestellten Gut ist den Preis, dass dieses Vorgehen mehr Zeit und mehr körperlichen Einsatz beansprucht, allemal Wert.  

Auch im Garten pflege ich gerne die Entschleunigung: Lieber mit der Sense mähen, lieber mit der Grabegabel den Boden bereiten, lieber mit einer gut geschärften Handsäge zu schneidenden Ästen zu Leibe rücken. Das geht ohne nervigen Motorenlärm vonstatten, der Kontakt zu den Mitwesen im Garten bleibt erhalten, und die Sinne und die Seele bleiben offen.

Zurück zum Kaffee. Ich weiß die nächsten Schritte zu mehr Vorfreude und Genuss am Kaffee. Da ist einmal das Mahlen der frischen Bohnen. Noch nehme ich dafür eine elektrische Kaffeemühle, diese altmodischen Dinger, wo man die Kaffeebohnen oben hineingibt, den Deckel drauf, und dann geht es "surr" "surr". Meine Handmühle, die ich auch besitze, mahlt mir nicht fein genug. Doch kann ich beim selber mahlen noch ein paar Kardamonkörner dazugeben, was ich gerade im Winter gerne tu. Kardamon erwärmt so schön von innen.

Noch einen Schritt weiter wäre, die grünen Kaffeebohnen zu kaufen, und morgens selber zu rösten. Eine kleine Kupferpfanne ist dafür schon vorhanden. Wenn der Kaffee kurz vor dem Aufbrühen geröstet wird, ist die Vorlust noch größer, denn die Küche und alle angrenzenden Räume duften intensiv nach Kaffee. So lässt sich aus dem Zubereiten des Kaffees eine kleine Morgenmeditation machen, eine Zelebrierung des Genusses, ein kleiner Ausstieg aus einer überbeschleunigten Welt. Jeden Morgen eine kleine Freude.





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2 Kommentare:

  1. Der gute alte Melittafilter. Lange nicht mehr gesehen. Toller Bericht von dir.
    Gruß vonner Grete

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  2. Ja, das gute Stück halte ich in ehren. Und demnächst berichte ich über meinen Klapptoaster mit Bakelitsockel,

    Gruß vom Dingefinder Jörg

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