Dienstag, 3. September 2013

Lichtloser Abend

Stromausfall: Draußen lassen sich wieder Sterne sehen. . .
Gestern abend hatten wir Stromausfall im KleinHäuschen und umzu. (Für Butenbremer: In Bremen sagt man nicht "Im KleinHäuschen und drum herum" sondern "und umzu". Dadurch, dass ich diese Formulierung in diesem Text nutze, fühle ich mich schon fast wie ein echter Bremer). Es war Dämmerung, ich war dabei, die frisch gepflückten Reineclauden zu entkernen und zum Aufkochen vorzubereiten, als es dunkel wurde im Häuschen. Klack.

Nicht nur bei uns, sondern im ganzen Kleingartenpark, soweit wir es überblicken konnten. Wir hatten Kerzen und einen kleinen Gaskocher, die wurden hervor gekramt. Da ich mit den Reineclauden so weit fertig war, dass ich kein Licht mehr brauchte, um die Würmer und deren Fraßgänge in den aufgeschnittenen Früchten zu sehen, reichten die Kerzen aus. (Reineclauden und Zwetschen von einem verwilderten Baum sind selten wirklich vegan). So blubberte nach kurzer Zeit die Fruchtbrühe auf dem Gaskocher, eine blaugelbe Flamme verströmte Heimeligkeit, der Raum duftete nach kochenden Früchten, und zum Musizieren holte ich meine Gitarre hervor. Ich musste sowieso einmal wieder ein bisschen üben.

Selbst ohne Gaskocher wären wir noch in der Lage gewesen, die Früchte zu verarbeiten, denn es gibt in dem KleinHäuschen noch einen Holzofen, auf dem sich auch Kochen lässt. So war es ein romantischer Spätsommerabend, der uns beschert wurde. 

Was aber, wenn es ernst würde. "Klack", Stromausfall, und das war es dann. Irgendein futuristisches Szenario mit Computerausfall oder bösen bösen Saboteuren, oder . . . Nicht  eben mal einen Abend lang, weil mal wieder ein Baum auf die Oberleitungen gelfallen ist, sondern wirklich "klack", aus. Ich dachte am abend darüber nach. Ja, im KleinHäuschen würde sich vielleicht nicht gar so viel ändern. Holz liegt fürs erste noch draußen zum Kochen, und alles "lebenswichtige" funktioniert auch ohne Strom. 

Doch in der Stadtwohnung im dritten Stock? Keine Gastherme, da auch sie Stromanschluss braucht, Kühlschrank aus, Kochen unmöglich, da keine Möglichkeit einmal eben einen Gasanschluss herzustellen. Wie fragil und abhängig das Ganze doch ist, ich mag nicht wirklich daran denken. Wieviele Menschen wissen sich in so einer Situation ad hoc zu helfen? Auch mit Holz feuern will gelernt sein. Dann: Was funktioniert noch alles nicht? Was wäre, wenn es Winter wäre. 

Länger andauernder Stromausfall würde auch uns über kurz oder lang aus den KleinHäuschen vertreiben, den auch die Schöpfwerke funktionierten dann nicht mehr, welche die tiefliegende Marsch trocken halten. 

Nein, ich bin nicht phantasiebegabt genug, mir das Szenario auszumalen. Zwar ließe sich sicher ein Endzeitgemälde erstellen, eine wortreiche Science-Fiction-Geschichte, doch das echte Verhalten von echten Menschen in einer echten Stadt und deren Umgebung, gar einem ganzen Landstrich und weiteren Gebieten, nein, das ist nicht auszumalen für mich. Ich kann darüber allenfalls statistisch denken. 

Hier im Kleingartenpark würden die Menschen noch einigermaßen zusammen halten, sie sind Nachbarschaftshilfe gewohnt, und jetzt, im September, wächst die Nahrung noch im Garten und auf den Bäumen. Außerdem gibt es viele Feuerstellen für Gas und Holz. Hier würden wir uns wohl für eine Weile zurecht finden. 

Als das Licht wieder an ging, wir lagen schon im Bett, da waren wir auf eine Art doch froh, trotz aller Romantik. Es gibt viel darüber nach zu denken, und ich habe das Gefühl, dass es keine individiuellen Lösungen mehr gibt in einer "echten Krise", sondern nur gemeinschaftliche. So werden ich und wir durch den lichtlosen Abend einmal mehr darin bestärkt, Gemeinschaft zu suchen, den Kontakt mit echten Menschen zu pflegen, und ihre Marotten lernen hin zu nehmen. Denn in einer Krise brauchen wir eines: Menschen, mit denen wir gemeinsam tun.

Als die Menschheit noch in Stämmen lebte, hatten sie keine andere Wahl, als die Menschen, mit denen sie lebten, so zu nehmen, wie sie sind. Es gab keine anderen. Eigentlich ist es mit den Menschen in unserer Nachbarschaft genauso. Und: Unsere Facebookfreundinnen und -freunde sind bei Stromausfall auch nicht mehr erreichbar. 

So war dieser Abend sehr lehrreich für uns, weil wir in der Enge des KleinHäuschens (die durchaus wohlig war) über das nach dachten, wessen der Mensch eigentlich bedarf: Andere Menschen.  



-  Die anderen Seiten 13  - 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen