Freitag, 27. September 2013

Der Geschmack der Kindheit

Bei einem Spaziergang durch die Bremer Wallanlagen wurde ich fündig: Unter einer Linde, die noch nicht einmal merklich groß war, wuchsen Pilze, die ich aus meiner Kindheit kannte: Kahle Kremplinge. Meine Großmutter hatte sie liebend gern gesammelt. Da sie sehr häufig sind, war es auch kein Problem, damit zu fast jeder Zeit ab Spätsommer damit den Pilzkorb zu füllen.

Am Abend einer solchen Pilzsammeltour gab es dann Pilzpfanne. Die Kremplinge färbten sich schwarz und entfalteten ihr ganz spezifisches etwas säuerliches, jedoch sehr kräftiges Pilzaroma in der Küche. Ich mochte diese Pilze. Im Sommer zur Saison wurden sie fast täglich verzehrt. 

Als ich sie dann so unverhofft wieder sah unter dieser kleinen Linde, da war mir das Odeur der gebratenen Kremplinge sofort wieder präsent. Einen Augenblick war ich wieder in Großmutters Küche, und wartete auf das abendliche Mahl, welches die erfolgreiche Pilzwanderung abschloss.

In den siebziger Jahren dann kam die Information: Kremplinge sind giftig. Sie verursachen nicht einfach nur ein Bauchweh, nein, sie verhalten sich heimtückischer. Das Gift akkumuliert sich im Körper, eine Vergiftung tritt erst nach mehrmaligem Verzehr der erhitzten Pilze auf, Antikörper werden gebildet, welche die roten Blutkörperchen auflösen, was im schlimmsten Falle zum Tode führen kann. So habe ich das verstanden.

Nun, ich habe alle Kremplingsmahlzeiten meiner Großmutter überlebt. Seit ich um die Giftigkeit dieses Pilzes weiß, sammle ich ihn nicht mehr. Doch als sie wieder einmal sah, einen anhob und daran schnupperte, war ich wieder in meiner Kindheit. Olfaktorische Eindrücke schenken uns die eindrücklichsten Erinnerungen. (Das habe ich irgendwo einmal gelesen).





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