Sonntag, 21. September 2014

Igitt! Prinzipien!








Igitt! Prinzipien!


„Das sind meine Prinzipien.
 Wenn sie ihnen nicht passen,
 ich habe auch andere.“

                         Groucho Marx


„Wir sagen Igitt! wenn wir ´Oh Gott!´ nicht aussprechen wollen.“ Auf diesen kleinen Satz, den ich ungefähr wiedergebe,  stieß ich beim Durchblättern eines Buches am Morgen. Es war dieses flüchtige Durchblättern, ziellos, und es war ein Buch aus einem Stapel anderer, ich suchte mir eine Lektüre für einige ruhige Stunden an diesem Morgen. Etwas zum Entspannen, die Zeit zu überbrücken. Es war ein Montagmorgen, und ich kam einmal wieder nicht in den Tag und in die Woche hinein. In solchen Situationen versuche ich ruhig zu bleiben und mir etwas Ablenkung zu verschaffen, sofern es meine Zeit zulässt. An diesem Morgen war nichts wirklich Dringliches auf dem Plan. Der Besuch bei einer nahen Baumschule wurde aus verschiedenen Gründen auf den Folgetag verschoben, und dass noch eine Kiste Biopfirsiche, welche ich geschenkt bekam, neben anderen Früchten der Verarbeitung harrten, war auch nicht von der Notwendigkeit, dass es sofort geschehen müsste.

So durchblätterte ich Buch um Buch, aus der Bücherkiste einer Mitbewohnerin, auf der Suche nach etwas, das mich reizte. Doch ich sollte an diesem Morgen unlesend bleiben. Aus dem ganzen Bücherstapel blieb als einziges die Erinnerung an diesen Satz hängen.

Es gab Zeiten, da hätte ich in Zeiten der Motivationslosigkeit immer  etwas gefunden, dass ich mir vor Augen hätte halten können, entweder ein Buch, oder eine Illustrierte, oder das Umherschweifen in den Weiten des Internets. Zur Not eben auch das unermüdliche Spielen von „Spider solitär“, die Variante mit den vier Farben. Doch es ist wohl so, Gewohnheiten ändern sich. Nichts davon sprach mich an diesem Montagmorgen an, so, wie es schon oft geschehen war in den letzten Wochen und Monaten.

Was nicht heißt, dass ich weniger gerne lese als früher. Ich lese nur einfach anders. Schon aus dem Grunde, dass mich weniger Lektüre zu fesseln vermag. An diesem Morgen blieb mir dann doch nichts anderes übrig, als dass ich mich dem Abwasch und dem Kochen von Wildbirnengelee (mit Ingwer) widmen durfte. Alles andere war langweiliger als die Langeweile selbst. Und wie das meist so ist, hat man erst einmal begonnen mit dem Tagewerk, dann kommt der Spaß auf dem Fuße.

In der blauen Waschschüssel hockte einmal wieder eine große schwarzbraune Wolfsspinne, ein stattliches Exemplar, weiß der Deubel, wie die dort hinein gekommen ist. „Igitt“ dachte ich und komplementierte das Tierchen aus dem geöffneten Küchenfenster in den Garten. Da hatte ich dann etwas zum Nachdenken bei den einfachen manuellen Tätigkeiten. Hallte doch der im Buch erblätterte Spruch in meinem Inneren nach: „Igitt“ sagt, wer „Oh Gott!“ nicht auszusprechen mag. Dieses Wort kommt aus einer Zeit, in dem das Wort „Gott“ noch einen heiligen Namen markierte, etwas dass nur sakral und nicht unbedacht ausgesprochen werden durfte. In dieser Scheu lag ein Prinzip, und wie das oft ist mit Prinzipien, wenn sie etwas Instinktives unterdrücken sollen, dann suchen sie sich Wege, um doch noch dem Instinkt seinen Ausdruck finden zu lassen.

Es ist in etwa so, wie mit dem Rabbi, der einkaufen ging: „Ich hätte gerne etwas von dem Fisch dort!“  -  „Das ist kein Fisch, das ist Schinken!“  -  „Ich wollte nicht den Namen von dem Fisch wissen, ich wollte ihn kaufen!“

Wie ist das denn so mit meinen Prinzipien? Immer, wenn ich welche für mich selber postulieren wollte, sei es im Bereich der Ernährung, sei es im Planen der Tages- und Arbeitsabläufe, sei es in Bezug auf das Rauchen, nun ja, letztlich brachen sich die liebgewordenen Gewohnheiten doch wieder Bahn. „Igitt!“ Solange, bis ich damit auf hörte, mich selber unter Druck zu setzen. Und siehe da: Statt zum Buch, zu irgendeinem Buch, nur um irgendwelche kleinen schwarzen Buchstaben vor Augen zu haben, greife ich zum Putzschwamm und zum Kochlöffel. Wie einfach das doch letztlich ist, so ohne Prinzipien.





-  Die anderen Seiten II / 6  -