Donnerstag, 25. Mai 2023

Blaue Blumen

 

Linum perenne


„Was ihn aber mit voller Macht anzog, war eine hohe lichtblaue Blume, die […] ihn mit ihren breiten, glänzenden Blättern berührte. Rund um sie her standen unzählige Blumen von allen Farben, und der köstliche Geruch erfüllte die Luft. Er sah nichts als die blaue Blume, und betrachtete sie lange mit unnennbarer Zärtlichkeit. Endlich wollte er sich ihr nähern, als sie auf einmal sich zu bewegen und zu verändern anfing; die Blätter wurden glänzender und schmiegten sich an den wachsenden Stängel, die Blume neigte sich nach ihm zu, und die Blütenblätter zeigten einen blauen ausgebreiteten Kragen, in welchem ein zartes Gesicht schwebte.“

Novalis (1722 - 1801), aus seinem Romanfragment Heinrich von Oefterdingen

Als ich vor kurzem nach den Knabenkräutern schaute, habe ich auch wieder den Staudenlein (Linum perenne) blühend vorgefunden, der hier wild vorkommt. Wildwachsend ist er in Deutschland mittlerweile extrem selten, und streng geschützt. In Gärten ist er als hübsche Zierpflanze dagegen häufiger zu finden. Meiner Beobachtung nach sind die Blüten der hier wild vorkommenden Pflanzen „bläuer“ als die der gezähmten Verwandten.

Apropos Verwandten, verwandt ist der ausdauernde Lein mit dem feldmäßig angebauten Linum usitatissimum, aus dem das bekannte Linnen und das Leinöl gewonnen wird. Früher eine wichtige Faser- und Ölpflanze, wird er heute selten kultiviert. Ich durfte einmal ein blühendes Leinfeld sehen, dass ist schon ein erhebender Anblick. Der Staudenlein wurde übrigens früher auch zur Faserherstellung genutzt, allerdings für gröberes Tuch.

Ich liebe blaue Blumen und Blüten, und das nicht nur, weil ich ab und zu Gedichte schreibe, die etwas romantischer daherkommen. (Die Blaue Blume war auch ein Symbol der ab 1895 in Mode gekommenen Wandervögel, und auch ich war mit meiner damaligen Liebsten anderthalb Jahre quer durch Deutschland und bis nach Spanien „auf der Walz“).

Ich liebe blaue Blüten per se, besonders wenn das blau ein tiefblau ist und rein daherkommt, ohne Beimischung von rosa oder violett. Doch gefällt mir auch himmelblau. In Bremen, unter anderen Klimabedingungen (milder und feuchter, wegen dem nahen Golfstrom), hatte ich in meinem Stadtgarten in der Neustadt eine Kollektion Blaublüter zusammengesammelt.

Das fing früh im Jahr an mit dem Frühlingsblauglöckchen (Mertensia virginica), die dann von den Lungenkräutern (Pulmonaria) begleitet und abgelöst wurden, von denen es wunderhübsch tiefenzianblau blühende gibt, gefolgt von den ebenfalls sehr frühen Blauen Lerchenspornen (Corydalis flexuosa und C. elata). Alle diese hatte ich im Wurzelbereich einer großen Hasel gepflanzt, im Halbschattenbereich, und sie hatten diesen Standort gut angenommen, selbst die divenhaften blauern Lerchensporne, die als etwas schwierig gelten. Hier heißt das Geheimnis Urgesteinsmehl, das ich großzügig verwendete. Damit fühlten sie sich so wohl, dass sie sich sogar versamten.

Mertensia virginica


Corydalis Flexuosa, Foto Pixabay by Sonja-Kalee

Später im Jahr kamen dann andere blaue hinzu, die mehr in den Beeten
angesiedelt waren: Salvia patens (Foto rechts, pixabay, by Hans), ein Salbei mit großen reinblauen Blüten, der knollenbildend ist, die Knollen können im Keller überwintert werden; die Staudenclematis C. tubulosa, der himmelblau blühende Beinwell, Symphytum azurea;
der großblütige Rittersporn, Delphinum grandiflorum (Foto links, Pixabay, beauty of nature) der zwar mehrjährig aber meist kurzlebig ist. Ein wenig aufpassen muss man auf den Natternkopf, Echium vulgare, denn wo er sich wohlfühlt, versamt er sich gerne. Für den Steingarten geeignet, jedoch eher sauren Boden wünschend der Steinsame, Lithodora diffusa; und am sonnigen Spalier kletternd die Purpurwinde Ipomea tricolor „Heavenly Blue“, die größten blauen Blüten in meiner Kollektion.

Natternkopf


Clematis tubulosa

Der Star jedoch war der große Blaue Scheinmohn (Meconopsis grandis). Es wurde ja viel gerätselt, welches nun die Blaue Blume wäre, die Novalis meinte: Kornblume kam in Frage, Wegwarte wurde genannt (die beide hier wild vorkommen, die Wegwarte blüht im Sommer hier reichlich). Auch Enziane hätten es sein können. Hier wächst zum Beispiel der Fransenenzian, Gentianella ciliata, der im September blüht und mit seiner Farbe das Herz erfreut.



Fransenenzian, Gentianella ciliata

Doch der große Blaue Scheinmohn übertrifft alles, und wenn Novalis diese Pflanze gekannt hätte, die ursprünglich in Tibet beheimatet ist, dann wäre er sich sicher gewesen, die Blaue Blume entdeckt zu haben. Was Eichendorff nicht gelungen ist:

Ich suche die blaue Blume,
Ich suche und finde sie nie,
Mir träumt, dass in der Blume
Mein gutes Glück mir blüh.

Ich wandre mit meiner Harfe
Durch Länder, Städt und Au'n,
Ob nirgends in der Runde
Die blaue Blume zu schaun.

Ich wandre schon seit lange,
Hab lang gehofft, vertraut,
Doch ach, noch nirgends hab ich
Die blaue Blum geschaut.

Joseph von Eichendorff (1788 - 1857)

Ich selber bin zum ersten Male dem blauen Mohn in der Schauanlage einer Staudengärtnerei begegnet, sie hatten ihn in die Nähe einer künstlichen Bachanlage an der Quelle gesetzt, und mir stockte fast der Atem: eine über einen halben Meter hohe Pflanze mit Blüten so groß wie die Untertassen von Espressotassen, die vier Blüten in einem reinen, durchscheinenden Blau, im seidenzarten Blütenstoff, der den Mohngewächsen eigen ist, und in der Mitte strahlten gelbe Staubgefäße. Unvergesslich.

Es hat Jahre gebraucht, bis ich es dann heraus hatte, diese Pflanze aus Samen zu ziehen und zum Blühen zu bringen. Sie hat ihre Ansprüche, benötigt eher Halbschatten, wünscht eher sauren Boden, und hat das mildfeuchte Klima gern, das Bremen zu bieten hat. In England wird er häufiger als bei uns angepflanzt. Außerdem ist er kurzlebig. Doch alle Mühe lohnt, um ihn wenigstens einmal im Leben blühen gesehen zu haben. „Was ihn aber mit Macht anzog, war eine hohe lichtblaue Blume. . .“

Meconopsis grandis, Foto Pixabay by Peter H: 

Freiheit als Blume,
blau, leuchtend, schön,
da hindurch
lassen sich
die Sphären sehn,
da hindurch
lassen sich die Sphären schauen,
in die Weiten,
in die weiten Himmel,
die blauen

Kein Sehnsuchtsort,
in meiner Jugend mir real,
noch konnte ich sie treffen,
und ich traf die Wahl,
wählte die Wälder,
die Gärten,
die Auen,
wählte Reime
und die Blumen,
die blauen

Wählte Wanderschaft,
und Heimkehr wieder,
wählte Gesang,
sang die neuen Lieder,
wählte Einsamkeit,
wählte Gemeinschaft auch,
wählte alten und neuesten Brauch,
werde noch mancherlei Wunder
im Alter sehn -
Freiheit als Blume,
blau, leuchtend, schön

(„Freiheit als Blume / blau, leuchtend, schön“, so begann ein Gedicht das ich als Sechzehnjähriger schrieb. Leider ist es verschollen, und nur die Anfangszeilen sind mir geläufig. Also schrieb ich es im Alter noch einmal neu. Die Blüte, die mich damals zu diesem Gedicht inspirierte war die vom Männertreu, Lobelia erinus, davon die ganz dunkelblaue Sorte)

Mittwoch, 24. Mai 2023

Aus der Wortwerkstatt: Unsterblich

 



Unsterblich

Das ist nicht vererblich,
so auf die generative Art,
das ist auch nicht verderblich,
und sicher keine Blasphemie:
dieser Sänger ist unsterblich
so auf seine Art.

Ich sag dir wie:
Immer dann, wenn ich lebe
ganz in der Gegenwart.

Das gelingt mir nicht so häufig,
doch wenn, dann ist das so.
Allem Glauben gegenläufig,
und ohne Grund so lebensfroh.

Regen tropft auf die dunklen Blätter
des Hasels vor dem Fenster,
Maienregenwetter
wäscht von den Blättern die Gespenster
der Vergangenheit.
Mit einem Augenzwinkern
wird die Welt gleich netter,
gerade jetzt, wo Regen rauscht
ist alle Weltunbill so weit
entfernt.

Ich bin es, der dem Regen lauscht,
und meine Seele ist besternt.

Das lässt sich nicht übertragen
auf irgendwen auf irgendwas,
drum stellt mir keine Fragen,
die Haselblätter sind vom Regen nass. . .

(Das Foto ist von einer alten Postkarte aus Fredelsloh)

Montag, 22. Mai 2023

Knabenkräuter


Etwas später in diesem Jahr, dem kühlen Frühjahr geschuldet, blühen jetzt die Knabenkräuter und andere Orchideen wieder. Die Knabenkräuter haben ihren Namen wegen der paarigen Wurzelknollen und deren Ähnlichkeit mit den männlichen Genitalien. Die unterirdischen Überdauerungsorgane können bei einigen Arten bis zu 20 Zentimeter Länge erreichen. Jährlich wird eine neue Knolle gebildet, während die alte abstirbt.

Die vollsaftigen Knollen wurden früher geerntet und zu Salep verarbeitet. Frisch geerntet schmecken die Knollen bitter, doch wenn sie gekocht und danach getrocknet werden, verliert sich das. Gemahlen wurde daraus auch bei uns ein stärkendes Getränk zubereitet, das, wen wunderts, im Ruf stand, die männliche Zeugungskraft zu befeuern. Eine medizinische Wirkung besitzt der Trank jedoch nicht. Gepulvert geben Salepknollen mit dem 40- bis 50-fachen Gewicht kochenden Wassers eine steife Gallerte. In der Türkei wird Salep zur Herstellung von Speiseeis und Milchprodukten benutzt. In Deutschland sind alle Orchiedeenarten streng geschützt und dürfen nicht gesammelt werden.

Die bei uns heimischen Erdorchideen haben so ihre speziellen Ansprüche an das Habitat. Viele Arten kommen nur auf Kalkmagerrasen vor, die wir hier in der Umgebung auf dem Hainberg und auf der Weper haben. Und die Knabenkräuter brauchen für die Keimung der staubfeinen Samen spezielle Pilze, mit denen sie in Symbiose leben.

Während Allerweltskräuter wie Bennessel oder Giersch fast überall gedeihen, brauchen die Habitate der Erdorchideen oft eine besondere Pflege. Hier werden die Kalkmagerrasen von Schafen und Ziegen beweidet, so wird verhindert, dass die Standorte verbuschen und die seltenen Pflanzen, die dort wachsen, nach und nach verdrängt werden. Vielleicht eine Analogie zu unseren modernen Gesellschaften: Es gibt Minderheiten, die eines besonderen Schutzes bedürfen, und wir tun als Gemeinschaft gut daran, diesen auch zu gewähren. Dafür werden wir dann mit Blüten von anrührender Schönheit und Raffinesse belohnt.

Hier in der Umgebung gibt es jetzt wieder einiges zu bestaunen, neben dem oben gezeigten Männlichen Knabenkraut (Orchis mascula) in der rosa Form, auch dieses hier, das Dreizähnige Knabenkraut, Neotinea tridentata:



Auch unter den Seltenheiten gibt es wiederum Minderheiten. Von der Orchis mascula, dem männlichen Knabenkraut, gibt es eine weißblühende Form, die O. mascula albiflora. In der Regel sind die Blüten dieser Art purpurfarben oder Farbvariationen mit rosa Blüten. Weiße Exemplare können in praktisch allen größeren Populationen gefunden werden, jedoch tritt diese Form in einem Verhältnis von etwa 3/1000 auf.



Kein Knabenkraut, doch auch eine Orchidee: Die Fliegenragwurz (Orchis insectifera). Auch sie trägt an der Basis zwei Knöllchen. Interessant jedoch die Befruchtung: Die Blüten ähneln Insekten, als typische Bestäuber gelten die Männchen einer Grabwespenart (Agrogorytes mytaceus). Diese werden sowohl durch die Form der Blüte, doch mehr noch durch die Aussendung von Pheromonen (Sexuallockstoffe) angelockt. Bei den Versuchen, die vermeintlichen Weibchen zu begatten, wird der Pollen übertragen. Dass männliche Wesen, wenn sie erst einmal im Begattungsmodus sind, auf allerlei hereinfallen, ist anscheinend nicht nur auf menschliche Männer beschränkt.



Sonntag, 21. Mai 2023

Ponderosa auf der Fensterbank und andere Blütenträume

 



Ponderosa auf der Fensterbank und andere Blütenträume

Ponderosa? Da war doch was? Ja, in meiner Kindheit saß Sonntags die ganze Familie vor dem Fernseher und wir schauten (in schwarz-weiß) „Bonanza“, die Westernserie um die Familie Cartwright, lauter Männer, deren Farm Ponderosa hieß. (Wenn ich daran denke, habe ich sofort wieder die Titelmelodie im Ohr).

Doch diese Ponderosa ist hier nicht gemeint, sondern eine Zitronensorte, von der ich eine Pflanze besitze, und die ausgerechnet diesen Sortennamen trägt, Cirtus x lemon „Ponderosa“. Es ist eine wirklich robuste Sorte mit großen Früchten, die einen milden Zitronengeschmack haben. Diese Sorte hat den Vorteil, dass sie sich ganzjährig auf dem Fensterbrett hält. Also eine echte Zimmerzitrone. Nun blüht sie wieder und verteilt ihren Blütenduft in der Küche der Alten Schule. Was mich wiederum an etwas erinnert, nämlich an die Zeit, in der ich auf Teneriffa wohnte, und wo wir abends oft unter einem Orangenbaum saßen, der gerade blühte und mit dem betörenden Duft die Dämmerung veredelte. Ich habe mir diese Sorte angeschafft, um dem Traum von eigenen Zitronen zur Selbstversorgung näher zu kommen.
Und kleine Früchte angesetzt hat die Pflanze auch schon. Das lässt hoffen. Die Blätter dieser Sorte lassen sich übrigens auch verwenden, sie sind aromatisch, und es wurde früher daraus ein Petitgrain-Oel gewonnen.

Nicht nur drinnen, auch draußen blüht es allenthalben. Unterhalb der Klosterkirche wurden in den Rasen seitens der Stadt Moringen kleine Inseln mit Zwiebelgewächsen gepflanzt. Eine Idee, die ich unbedingt nachahmenswert finde. Unter den nun blühenden Pflanzen befinden sich zwei Favoriten meinerseits, die ich auch für nächstes Jahr in unserem Zaubergarten pflanzen möchte.

Zum einen ist das die Camassia quamash, die essbare Prärielilie. Diese Prärielilie kommt ursprünglich im westlichen Nordamerika vor. Der Name Quamash stammt aus der Sprache der Nez Perce, und bedeutet etwa „essbare Zwiebel“. Die Zwiebeln dieser Prärielilie wurden von den Angehörigen des genannten Volkes gesammelt und dienten der Ernährung. Dazu wurden sie gedörrt, geröstet, gedünstet oder gekocht, wie etwa bei den Cree und Blackfoot, vor allem aber bei den Küsten-Salish-Stämmen. Getrocknet ließen sie sich lange aufbewahren und dienten als Wintervorrat. Die Zwiebeln können allerdings auch roh gegessen werden. Getrocknet und gemahlen dienten sie außerdem als Bindemittel für Teige.

Zum anderen ist es die Weiße oder auch Poeten-Narzisse, Narcissus poeticus, meine Lieblingsnarzisse, schon alleine wegen des Namens. Aber auch wegen ihres sehr feinen Duftes. Vor allem im Aubrac im französischen Zentralmassiv werden die weißen Blüten wildwachsender Narzissen abgeerntet und zur Parfümherstellung verwendet. Ich möchte mich jedoch „nur“ einfach an ihrem Duft erfreuen.



Gestern führte mich mein Weg dann noch weiter hinaus, denn der Weißdorn (Crataegus) blüht gerade, und ich wollte meinen Jahresvorrat der Blüten sammeln. Gerade heuer, nach meiner letztjährigen Herzoperation (Mitralklappen-Rekonstruktion) brauche ich eine Herzstärkung, und dafür ist Weißdornblütentee das Mittel der Wahl. Zweigriffeliger und Eingriffeliger Weißdorn steigern einerseits die Kontraktionskraft des Herzens, man spricht hier von einem positiv inotropen Effekt, andererseits erweitern diese Weißdornarten die Gefäße, insbesondere Herzkranzgefäße, und verbessern so die Sauerstoffversorgung des Herzmuskels. Hier ist die Anwendung in der Phytotherapie wissenschaftlich untersucht und beglaubigt worden.

Allerdings muss Weißdornblütentee kurmäßig angewendet werden, um den gewünschten Effekt zu bekommen, das heißt: Über mindestens sechs Wochen morgens und abends jeweils eine Tasse von diesem Tee. Es lohnt, Weißdornblüten selbst zu sammeln, gerade hier in der Gegend kommt er in Mengen vor. Früher wurden Weißdornhecken zur Umfriedung von Weiden angepflanzt, und an einigen Stellen ist das hier noch sichtbar. 

Eine befreundete Apothekerin erzählt mir einmal, dass Weißdornblüten für Tee teilweise geerntet werden, indem kurz vor dem Verblühen Planen unter die Sträucher gelegt werden, und die Äste dann geschüttelt. Das so gewonnene Erntegut hat immer noch genügend Inhaltsstoffe, dass es dem Arzneimittelvorschriften in den Apotheken genügt. Doch wenn ich jetzt die gerade aufgeblühten sammele, ist die Qualität ungleich höher, was sich nicht nur auf die Inhaltsstoffe positiv auswirkt, sondern auch auf das Aroma. Weißdornblüten haben ohnehin eine etwas „fischige“ Beinote in ihrem Duft, diese tritt bei den schonend geernteten Sammelgut nicht so hervor. Von meiner Liebsten bekam ich noch den Tipp, dem Tee Zitronenmelisse beizumischen, die ja auch herzwirksam ist. Das macht Sinn, denke ich, auch wegen des Aromas. Eine Kräuterkundige aus Polen erzählte mir, dass man den Tee aus den Blüten mit Rapshonig süßen solle, denn dieser würde die Herzwirksamkeit unterstützen. Das gebe ich hier einfach einmal so weiter.

Mit den Weißdornblüten ist auch eine Kindheitserinnerung meinerseits verbunden: Meine Großmutter war passionierte Kräutersammlerin, und Weißdorn wurde von ihr jedes Jahr gesammelt. Getrocknet wurden die Blüten ausgebreitet auf dem Dachboden, das war noch einer dieser nicht totisolierten Dachböden, einfach Dachpfannen auf die Dachlatten geschichtet, an einigen Stellen schaute sogar die Sonne durch die Ritzen. Das ideale Klima zum Trocknen von Kräutern, luftig und warm. Wenn ich Weißdorn rieche, erscheinen sofort die Bilder von diesem Dachboden vor meinem inneren Auge, ich bin wieder im Kinderreich von Wärme und Duft gefangen, schließlich war ich jede Sommerferien bei meinen Großeltern. Das olfaktorische Gedächtnis ist übrigens das beständigste.

Dieses Jahr habe ich zum Experimentieren für den Garten eine Pflanze einer anderen Crataegusart erstanden, C. mexicana. In Mexico, wo diese Art beheimatet ist, wird sie wegen ihrer großen, essbaren Früchte angebaut, die dort unter dem Namen Tejocote, Manzanita oder Tejocotera bekannt sind. Die Früchte sind etwa so groß wie Kirschen, gelb in der Farbe, und werden roh oder gekocht gegessen. Das ist ein Experiment für mich, die Art ist sicher frosthart bis -17 Grad, inwieweit darüber hinaus, wird sich zeigen. Das von mir erworbene Exemplar ist für ein Spalier an einer warmen Hauswand gedacht, so könnte das klappen, bin gespannt. Jung braucht sie auf jeden Fall Winterschutz. Die Früchte dieser Art sollen übrigens auch herzwirksam sein.

Zuguterletzt noch ein weiteres Rosengewächs, zu denen auch die Crataegus gehören, das hier wild vorkommt: Der Kleine Wiesenknopf, Sanguisorbe minor, auch Pimpinelle genannt. Um hier die Verwandtschaft zu den anderen Rosengewächsen zu entdecken, muss man schon genauer hinschauen. Die kleinen Blüten auf den kugeligen Blütenständen sind nämlich vierzählig, normalerweise haben Rosengewächse fünf Blütenblätter. Eine Ausnahme davon ist die Blutwurz, der Tormentill, Potentilla erecta, die hier in der Gegend auch wild vorkommt. Die gelben Blüten dieser fingerkrautverwandten sind auch vierzählig.

Die Blätter und die jungen Triebe des Wiesenknopfes haben ein angenehmes Gurkenaroma und können als Wildsalat gesammelt werden. Doch auf den Kalkmagerrasen hier in der Umgebung sind die Pflänzchen so klein und zäh, dass sich ein Sammeln kaum lohnt (zumal hier Naturschutzgebiete sind). Also lieber im eigenen Garten anbauen. Dort wird das Kraut größer und zarter, so dass es sich leicht ernten lässt, unter anderem als Bestandteil der Frankfurter Grünen Sauce.

Als Schlusswort noch ein paar Verse aus eigener Feder:

Kennst du das Land wo die Zitronen blühn?
Vielleicht ist es mein Zimmergarten.
Ich kann dort alles, auch Petersilie, ziehn,
Nur keine Diplomaten.

Freitag, 19. Mai 2023

Kuba - Schwarz-weiß Fotografie, Ausstellung im Café Klett, Fredelsloh ab 21. Mai 2023

 



Kuba - Film Noir - analoge schwarz-weiß Fotografie von Lydia Boenisch, Northeim.
Die Northeimer Portrait Fotografin ist über ein Jahrzehnt lang regelmäßig beruflich in Kuba unterwegs gewesen. Ihre privaten schwarzweiß Fotografien - Land & Leute, Autos und Zigarren - beeindrucken mit ihrer individuellen Ausdrucksstärke. Die unterschiedlichen Facetten des farbenfrohen Landes - in schwarz-weiß auf den Punkt gebracht - Momentaufnahmen, Portraits, Impressionen - mit den Augen der professionellen Fotografie über Jahre hinweg festgehalten.

Vernissage am Sonntag, 21. Mai um 11:00 Uhr, dann bis zum 25. Juni täglich 13-18 Uhr im Café der Kunsttöpferei Klett, Kampweg 2 in Fredelsloh. 

Dienstag, 16. Mai 2023

18. 5. Klosterkirche Fredelsloh: Spicy Piano Trio

 


Grenzenlos  -  mediteran bis orientalisch

Am Donnerstag, dem 18. Mai um 17:00 Uhr ist Anne Holler mit ihrem Trio für ein Konzert in der Klosterkirche.

Spicy Oud & Piano Trio (Hamburg), Special Guest: Khayrullo Dadoboev

Anne Holler Komposition, Klavier, Ukulele & Gesang
Yahya Issa Oud
Christian Holler Gitarre und Ukulele
Khayrullo Dadoboev Doyra und Handpan

Eintritt frei, Spende wäre nett

Sonntag, 14. Mai 2023

Muttertag bei Mutter Natur

 



Muttertag bei Mutter Natur


Nun ist meine Mutter schon lange nicht mehr unter uns, und blickt auf die Dinge von höherer Warte. Doch eine Erinnerung blieb bei mir haften, aus meiner Kinderzeit: Zum Muttertag gab es für Mami (wie wir sie nannten) immer einen Fliederstrauß. Und da in unserem Garten kein Flieder wuchs, wurde er kurzerhand beim Nachbarn gemopst. Da auf unserem Obstanger ein Syringenstrauch wächst, kann ich die Gärten der Nachbarn heuer verschonen, um ein Muttertaggedenksträußchen zu schneiden.

Speisemorchel
Unsere Streuobstwiese ist etwas außerhalb vom Ort, und wenn ich mir einen kleinen Umweg erlaube, dann führt mich mein Weg dorthin an einigen Fundstellen vorbei. Zum einen brauche ich noch etwas Waldmeister für den diesjährigen Sirupvorrat, zum anderen führt mich dieser Weg an „meinem“ Morchelrevier vorbei. Zwar habe ich dort in diesem Frühling schon zwei Mal vorbei geschaut, doch ergebnislos: bis dato war es hier verhältnismäßig kühl. Doch heute sollte mir sofort eine Speisemorchel begegnen, und das ließ mich hoffen. Diese Hoffnung wurde leider getrügt, ich fand nur noch ein weiteres (recht stattliches) Exemplar, und dabei blieb es. Immerhin weiß ich jetzt, dass Morcheln in dieser Gegend kein Mythos sind. Gestern übrigens fand ich bei
Morchelbecherling
der Gartenarbeit in unserem verwilderten Garten noch einen Morchelbecherling, ein seltener Fund, und für mich der erste in meinem Pilzsammlerleben überhaupt. Dieser scheibenförmige Pilz wächst an ähnlichen Standorten wie die Morcheln auch, und hat sich wohl nur verirrt. Leicht zu identifizieren ist er an seinem etwas unangenehmen Chlorgeruch, so etwa nach Hallenbad, doch der verschwindet beim Zubereiten komplett, und in der Qualität sind diese Pilze den Morcheln ebenbürtig. Roh sind sie unbekömmlich, doch glaube ich nicht, dass irgend jemand ob ihres Odeurs sie roh verzehren würde.

Mairitterlinge
Auf unserem Obstanger wurde ich dann etwas entschädigt für die kärgliche Morchelernte. Hier wuchsen, wie jedes Jahr die Mairitterlinge, sie sind standorttreu. Zuerst dachte ich, ich wäre hier zu spät gekommen, die ersten Exemplare, denen ich begegnete, waren schon drüber. Doch an einer schattigeren Stelle wurde es dann doch üppig, so dass es heute eine gute Pilzpfanne zum Abend gibt. Die Morcheln wandern da übrigens nicht mit hinein, sie werden getrocknet. Zusammen mit den getrockneten, die noch vom letzten Jahr übrig sind, wird es dann für eine deftige Pilzrahmsauce zu Nudeln reichen.

Waldmeister
So kam ich dann reich beschenkt von meinem Muttertagsausflug zurück: Waldmeister, zwei Morcheln, die Georgsritterlinge (wie die Maipilze auch genannt werden) und das Syringensträußchen. Auf dem Rückweg begegnete ich dann einer Nachbarin aus dem Dorfe, und wir kamen ins klönen. Und was erzählte sie mir? „Früher haben wir als Kinder den Fliederstrauß zum Muttertag immer beim Nachbarn gemopst.“

Zum Abschluss noch ein Gedicht von einem meiner Lieblingsdichter:

Syringen

Fast überirdisch dünkt mich euer Grüßen
Syringen ihr, mit eurem Duft dem süßen.

Nach Geisterweise weiß ich euch zu werten,
Ein Duftgesang er ist mirs von Verklärten,

Gott, wie ich doch in dieser blauen Kühle
Der Blumenwolke hier mich wohlig fühle!

Süß heimlich ahnend was hineinverwoben; -
Wie fühl ich mich so frei, so stolz gehoben!

Ha, bin ichs selbst, deß einstig Erdenwesen
Nun auch einmal zu solchem Glanz genesen?

Sinds meine Lieben, die, ach längst begraben,
In diesen Düften Fühlung mit mir haben?

Christian Friedrich Wagner, geboren am 5. August 1835 in Warmbronn, Baden-Württemberg; gestorben am 15. Februar 1918 ebenda, Kleinbauer und Dichter. Aus: Gesammelte Dichtungen, herausgegeben von Otto Güntter, Verlag Strecker und Schröder, Stuttgart 1918

„... er fühlte die tiefe Zusammengehörigkeit zwischen Tier, Mensch und Pflanze, Stein und Stern. Und er liebte das alles. ... Er war dogmenlos fromm. ... Er war allerdings ein Landmann; er hat die Natur gekannt, aber das Hälmchen war ihm kein Anlaß, 'Duliöh!' zu schreien oder ein knallig angestrichenes Gemüt leuchten zu lassen. Er war ein in sich gekehrter Künstler und wohl wert, daß wir ihn alle läsen und verehrten.“ (1919)

Kurt Tucholsky

„Es wird in deutscher Sprache nicht viele Wunder von der Art der dritten und der letzten Strophe des Gedichtes 'Syringen' geben“. (1922)

Karl Kraus