Donnerstag, 29. Juni 2023

Rosentraum

 



Rosentraum

I

Lass dir den Morgen nicht nehmen
und nicht die Dankbarkeit,
dein Menschsein ist es,
welches dich Lieder singen lässt,
so wie die Amsel
im Amselsein
den neuen Tag begrüßt

Wir kommen Wir gehen
enge Pforte weites Tal,
lass dir das Morgen nicht nehmen,
und nicht die Dankbarkeit
für das Heute,
wenn du ein Lied hast,
lass es erklingen


II

Doch sei auch die Nacht unser,
wenn sich die Düfte mischen,
und der Rosen zartes Hell
aus den Ahnungen
des graugrünen Laubes winkt,
als seien Sterne gesunken

So wie der Mond steht als geöffnete Schale am Himmel,
und wie Perlen die Sterne,
welche sich in diese Schale senken

Sei auch die Nacht unser,
legen wir uns
in die sanft geöffnete Schale des Mondes,
sie wird unsere Barke unter den Sternen sein


III

Keine Urzeit beschwören
keinem Vergangenem nachträumen,
den Meeren längst entstiegen,
den Wanderungen
dem Unsteten

noch nie halfen
die alten Rezepte
nicht scheuen, vor dem, was ist
nicht wissen von dem, was kommt
Tagwerk-Gebete,
Zeit, des Morgens die Rosen zu sammeln,
in stillem Gedenken
die Wanderer zu grüßen
den Rosenkelch reichen

sub rosa


IV

Himmelstänzerin im Rosenhag,
so still die Morgenfrühen,
so sanft der beginnende Tag,
schon verblassen die Sterne,
die Wolken beginnen zu glühen

Wer in die Himmel tanzend Verglühen vermag,
in derer Herzen senkt sich eine Freiheit hinein,
es grüßen noch die letzten Hollerdolden,
tauchen in auferblühenden Lindenduft ein,
so, ja, so doch zeigt sich auch dieses Leben,
wenn wir, zeitvergessen, uns im Tanze
in diese Himmel bewegen,
und auch die Weltalter bewegen sich still  -

Ein Verlangen erblüht
Ein „Ich will!“ -
woher wir kommen, wohin wir gehen,
das bleibt unerfragt - - -
Wir tanzen - - - wir tanzen - - -
während es tagt

Es liegt Segen über dem Land,
Wolkenfederschwingen,
darin eine Hand,
uns gereicht, sie zu erfassen,
sich beieinander zu halten
während sich die Rosenknospen entfalten - - -


V

Am Ende der Nacht stellte ich selber die letzte Frage:
„Was ist das für ein Lied, welches du singst?“
Sie öffnete die Tür dem beginnenden Tage:
„Es duftet nach Rosen“, sagte die Sphinx


Das Foto zeigt eine Blüte der "Hundertjährigen", wie sie hier genannt wird, eine Albarose, die gerade wieder über und über blüht. (Und von deren stark duftenden Blüten ich, wie jedes Jahr, einige ernten durfte, um Rosensirup zu bereiten.)

Mittwoch, 28. Juni 2023

Seit 26. 6. bis 6. 8. eine neue Ausstellung im Café Klett in Fredelsloh: Werke von Norbert Schmidt-Mispagel

 


Seit dem 26. 6. dieses Jahres präsentiert Norbert Schmidt-Mispagel seine spannenden Werke im Café der Kunsttöpferei Klett in Fredelsloh!

Norbert Schmidt-Mispagel ist im Südoldenburgischen geboren. Nach dem Studium (Romanistik und Sport) in Göttingen, unterrichtete er bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2013 an der IGS Göttingen/Geismar die Fächer Französisch, Sport und Kunst.

Schmidt-Mispagel ist Autodidakt und hat sich im Verlauf seiner künstlerischen Entwicklung in unterschiedlichen Zeichen- und Maltechniken mit verschiedensten Themenkreisen auseinandergesetzt. Ein Schwerpunkt seiner Arbeiten ist stark beeinflusst von alter, dem Zersetzungsprozess von Wind und Wetter ausgesetzter Werbemalerei auf französischen Hausfassaden und Plakatwänden, die ihn während seiner regelmäßigen Reisen nach Frankreich inspirierten. Dazu gesellte sich die Auseinandersetzung mit Höhlenmalerei und aktueller Graffiti aus dem urbanen Raum. Durch Kombination von Fragmenten aus diesen drei Bereichen, die oft in Schichtungen aufgearbeitet werden, entstehen neue Impressionen und “Botschaften“.

Seine Bildideen setzt Schmidt-Mispagel in unterschiedlicher Form um, von naturalistischer Malweise, über Abstraktion, Schablonenmalerei und Kritzeleien, Monotypien, bis hin zum abstrakten Expressionismus und Informel - oft auf dem selben Bildträger kombiniert. Dabei kommen Acryl-, Öl- und Wandfarben, Pastell- und Ölkreiden sowie unterschiedlichste Collagematerialien zum Einsatz.
Das Spiel mit Formen, Farben und Techniken ist eine starke Antriebsfeder bei der Arbeit im Atelier. Der Arbeitsprozess ist dabei gekennzeichnet durch einen permanenten Wechsel zwischen planvollem, gesteuertem Vorgehen auf ein vorher festgelegtes Ziel hin und der Offenheit dem Malprozess gegenüber, der Unbekanntes, Überraschendes in die Arbeit integriert und/oder gegebenenfalls zu neuen Zielen führen kann.

Seit den 70er Jahren hat Schmidt-Mispagel an zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen in Deutschland und Frankreich teilgenommen. Er lebt und arbeitet in Göttingen.

Bis zum 6. August täglich 13 bis 18:00 Uhr im Café der Kunsttöpferei Klett, Fredelsloh, Bilder von Norbert Schmidt-Mispagel aus unterschiedlichen Phasen seines Schaffens.

Das Bild oben trägt den Titel PRÉSENTATION, Mischtechnik auf Zeichenkarton; das Bild unten AUF DER PIRSCH, Mischtechnik auf Hartfaserplatte




Mittwoch, 21. Juni 2023

Sommersonnenwende - Johanniskraut

 



Sommersonnenwende


Sag, was kündest du mir, Sonnenwendkraut, leuchtender Busch du?
Nicht Johanniskraut, nein, Lichtheiliger mögest du heißen!
Sommerverkünder, so weit das Auge erfasset die Landschaft.
Lichthell stehet der Rain und sommerlich glühet der Wegsaum,
Borget den Nächten sogar ein mitternachtsonniges Dämmern.

Stets sich steigert die Glut, daß glitzern die Blätter des Eichwalds
Wie in metallischem Glanz. - Gott! Rosen, ja Rosen in Menge!
Rot und röter und weiß. - Ach, wie ermüdet die Fülle!
Silbrig flimmert die Luft und goldgleich zittert der Sonnball.

Christian Friedrich Wagner, geboren am 5. August 1835 in Warmbronn, Baden-Württemberg; gestorben am 15. Februar 1918 ebenda, Kleinbauer und Dichter.


Seine Stellung zur Kriegslyrik war eindeutig, wie aus einem Brief an Hermann Hesse hervorgeht: Nachdem er schon mehrfach „um Kriegslieder angegangen worden“ sei, schreibt er weiter: „das Heldentum des Nitroglyzerins erkennen wir [Dichter] nicht an!“ Als der befreundete Dichter und Kriegsdienstverweigerer Gusto Gräser aus Deutschland ausgewiesen werden sollte, setzte er sich für ihn ein. Der spätere Dadaist Johannes Baader besuchte ihn 1916 in Warmbronn und hielt daraufhin begeisterte Vorträge über Wagner.

Er leidet sehr unter dem fortgesetzten Kämpfen und Töten und wünscht sich, Eremit zu werden. „Ich beklage, dass es in Deutschland keine Wälder mehr gibt, wie im Mittelalter, zur Zeit der Eremiten, in die hinein ich mich verkriechen könnte, um dort nur noch mit frommen Tieren zu leben.“

„Lieber ein barmherziger Heide als ein unbarmherziger Christ“

Im Winter 1884 nutzte Wagner die freie Zeit zum Sichten seiner poetischen Versuche und stellte sein Manuskript Märchenerzähler, Bramine und Seher zusammen, das im Frühjahr 1885 in einem Stuttgarter Verlag erschien, nachdem er die Herstellungskosten des Buches übernommen hatte. In diesem Werk sah er sich selbst als Bramine, der „alles Lebendige schonend und achtend durch die Fluren wandelt“, er versicherte jedoch, nie buddhistische Schriften gelesen zu haben.

Aus der Wortwerkstatt: Das also ist der Sommer nun. . .

 



Das also ist der Sommer nun. . .


Das also ist der Sommer nun,
der so lang erwartet war.
Das Jahr hält inne, sich vom Frühling auszuruhn,
die Sonne kocht die Früchte gar.

Es flattern Federgeistchen auf am Wegesrand.
Mädesüß verteilt den Duft von Marzipan.
Der Himmel - lichtblau mit Sammet überspannt:
Alles, so scheint´s, läuft wie gewohnt in seiner Bahn.

Frauen gebären, Säufer saufen, Bauern bauen an.
Nur ich, ich bin der Ungläubige im Dorfidyll.
Krieg ist immer. Nur dieser ist jetzt näher dran.
Im Traume hör ich manchmal einen Schrei. Noch bin ich still.

Krieg und Hunger: Das ist die eigentliche Pandemie,
der Menschheit Weisheit steckt noch in den Kinderschuhn.
Wer weiß, denk ich, vielleicht kommt sie ja nie.
Bin traurig: Das also ist der Sommer nun. . .

Dieses Gedicht schrieb ich vor einem Jahr (2022), viel geändert hat sich wohl seitdem nicht. 

Das Bild „Sommer“ ist von Vincent van Gogh (1853 - 1890)

Donnerstag, 8. Juni 2023

Juniabend

 


Juniabend

Mir steht der Sinn nach Schönem.
Nach Gärten.
Nach Verwöhnen.
Nach milden warmen sanften Winden.
Ich wünsche mir
die unbeschwerten,
die milden warmen sanften Nächte,
die mich in deinen Armen
mit allem Leid versöhnen.

Das Bild ist von Eduard Kasparides (1858 - 1926)

Dienstag, 6. Juni 2023

Mauerritzenexkursion: Die Belebung der Klostermauer


Nichts währt ewig - und wenn sie komplett der Natur überlassen würde, dann wäre irgendwann die Klostermauer des ursprünglichen Fredelsloher Klosters wieder Teil eines Waldes. Die Erstbesiedler sind Flechten in verschiedenen Arten und Formen (je größer hier die Artenvielfalt, um so sauberer dürfte die Luft in der Umgebung sein); dann siedelt sich gerne die Mauerraute (Asplenium ruta-muraria) an, ein genügsamer Farn, auf dem Foto oben zu sehen. Die Blätter ähneln die der Weinraute, daher der Name, doch sind sie nicht aromatisch. Früher wurde die Mauerraute als Heil- und Zaubermittel gesammelt und zum Beispiel bei Schwellungen und Entzündungen angewendet. Für Gartenliebhaberinnen und Liebhaber, ich las dazu folgenden Satz auf einer Heilkräuterseite im Web: "Die Mauerraute ist schwierig in der Anzucht". Das wiederum empfinde ich nicht so, sondern es ist ganz einfach: Man nehme eine etwas über 800 Jahre alte Klostermauer, aus Rotsandstein geschichtet, der Rest ergibt sich von selbst.

Auch von selbst geht die weitere Besiedelung, es kommt, was Wind und Tiere so herantragen. So ziemlich immer dabei ist das Schöllkraut (Chelidonium majus):


Dass dieses Mohngewächs so häufig in Mauerritzen wächst, hat seinen Grund: Die ölhaltigen Samen haben ein eiweißhaltiges Anhängsel, und das ist begehrtes Futter für die Ameisen. Diese sammeln die Samen ein und bringen sie als Vorrat in ihren Bau. Ameisen sind wärmeliebend und bauen ihre Nester gerne in Lücken in durchwärmten Mauern.

Das Schöllkraut ist, wie die meisten Mohngewächse, alkaloidhaltig, und zählt zu den (milden) Giftpflanzen. Aus dem frischen Kraut, das einen gelben Milchsaft führt (der recht lange an den Fingern haften bleibt) lässt sich ein Wein ansetzen, der bei Gallenkoliken hilft. Mit getrocknetem Kraut geht das nicht mehr.

Doch auch größere Tiere als Ameisen helfen der Mauer dabei, sich dem Wald anzunähern:


In diesem Falle dürfte wohl das Eichhörnchen beteiligt gewesen sein, das im Spätsommer / Frühherbst immer in dem Haselstrauch bei uns vor der Alten Schule Fredelsloh zugange ist. Dieser große Haselstrauch ist rotblättrig, und so ist wohl die Herkunft klar. Doch auch andere Sträucher siedeln sich gerne an, wenn sie gelassen werden:


Eine Weigelie hat es geschafft, sich einen Platz an der Mauer zu sichern. Bei "Weigelie" muss ich immer schmunzeln, denn als ich noch in einer Baumschule als Verkaufsgärtner arbeitete, kam eine Kundin öfter, und wenn sie von dem genannten Strauch sprach sagte sie immer: "Weigele", und jedesmal, wenn ich eine Weigelie sehe, danke ich: Weigele". Das klingt ja auch nett.

In diesem Falle steht die Mutterpflanze gleich unterhalb an der Mauer. Interessant ist, dass deren Blüten wesentlich blasser ausfallen. Das mag vielleicht auch daran liegen, das der trockenwarme Standort der Mauer die Blütenfarbe intensiviert.

Wohl von Vögeln hierhergetragen wurde ein anderes Gehölz, das einzige Nadelgehölz mit roten Früchten, deren Fruchtfleisch süßlich schmeckt und das ungiftig den giftigen Kern umgibt, die Eibe:


 
Auf der Mauerkrone in der Nähe von Gebäuden kommt der Bewuchs dem Walde schon sehr nahe:


Hier haben sich Birken angesiedelt, deren Samen durch den Wind herangetragen wurden. Diese kommen an solchen Standorten recht häufig vor, wenn sie gelassen werden. Auch Holunder und sogar Eschen können zu finden sein, und in Bremen hatte ich auf einer Mauerkrone eine fruchtende rote Johannisbeere gesehen. Da machte sie ihrer Zugehörigkeit zu den Steinbrechgewächsen alle Ehre.

Apropos Bremen: Dort bot ich für die Volkshochschule Bremen einmal eine Mauerritzenexkursion an. Es ging darum, einmal zu schauen, was sich so in Fugenspalten, auf Abbruchmauern und in Mauerritzen alles so an Pflanzen ansammelt. Treffpunkt war die Endhaltestelle Gröpelingen, besagtes Depot. Als wir uns dort trafen, zwölf Personen, wurden wir als erstes unterhalb eines Lichtmastes eben eine ähnliche Zusammenstellung wie oben gewahr. Nur, dass da statt des Natternkopfes eine prächtige violett blühende Phönizische Königskerze wuchs.
Da standen nun zwölf Menschen um einen Peitschenmast mitten zwischen den an- und abfahrenden Straßenbahnen und schauten konzentriert nach auf den Boden. Die erstaunten Gesichter der Fahrgäste in den Bahnen waren köstlich. Noch Jahre später traf ich die eine oder den anderen Teilnehmer dieser Exlursion, und wir mussten bei der Erinnerung immer noch lächeln.

Das zeigt, dass Mauerritzen eine spannende Sache sein können. Und dass wir dort an die Vergänglichkeit gemahnt werden: "Marmor, Stein und Eisen bricht. . .", und die Pflanzen helfen dabei.