Montag, 27. November 2023

Die "Drei Schwestern" auf dem Tisch: Mais, Bohnen, Kürbis

 


Unten Vierecke aus Polenta (Maisgrieß, mit Kurkuma und anderen Gewürzen aufgefrischt), darauf eine Sauce aus Tomaten und Wachtelbohnen, darauf Kürbis Butternut - Scheiben und violette Kartoffelscheiben (der Sorte "Blauer Schwede"), im Ofen vorgebacken, alles mit Kreuzkümmel nachgewürzt. Alles zusammen noch einmal ca. 20 Minuten in den Ofen bei 200 Grad, bis die Kürbisscheiben gar sind. War übrigens lecker, als es aus dem Ofen kam. . . und bunt war es auch. 

Das Rezept möchte auch eine kleine Verneigung vor dem Wissen und dem Naturempfinden der nordamerikanischen Indigenen sein, deren Ackerbau treibende Stämme die "drei Schwestern" Mais, Bohnen und Kürbis aus guten Gründen zusammen pflanzten. Dabei dienen die Maispflanzen als "Bohnenstange", die Bohnen reichern mit ihren Knöllchenbakterien den Boden mit Stickstoff an, und die Kürbispflanzen mit ihren großen Blättern beschatten den Boden, das er nicht austrocknet. 

In diesem Blogartikel habe ich das gärtnerische Vorgehen zum Anlegen eines "Drei-Schwestern-Beetes" genauer beschrieben: Drei Schwestern

Dass in obigen Rezept noch Kartoffelscheiben hinzu kommen, passt selbstverständlich, da auch die Kartoffel von den nativen Völkern Amerikas gezüchtet wurde.

Freitag, 17. November 2023

Brillenkaiman, Feuervogel und fliegende Teekannen - Neue Ausstellung im Café Klett in Fredelsloh

 



Brillenkaiman, Feuervogel und fliegende Teekannen


die neue Ausstellung im Café Klett in Fredelsloh! Acrymalerei von Peter Malcher ab sofort bis 14.01.2024.

Der Wolbrechtshäuser Künstler Peter Malcher präsentiert einen Querschnitt seiner Werke durch die letzten zehn Jahre seines Schaffens. Zu sehen sind seine meist großformatigen Acrygemälde im Café Klett in Fredelsloh.

Peter Malcher, Jahrgang 1952, war Lehrer in Northeim. Seine Leidenschaft für die Malerei entflammte Ende der 90er Jahre, Einzelausstellungen gibt es seit 2008. In seinen Werken ist eine Nähe zu Surrealisten, Expressionisten und Kubisten nicht zu übersehen. In den letzten Jahren überwiegt zunehmend die Abstraktion.
Seit 2019 ist Peter Malcher Mitglied in der Göttinger Künstlergruppe „Kreis 34“.
Er arbeitet überwiegend in seinem Atelier im Göttinger Atelierhaus im Hagenweg, hat aber auch noch ein kleines Atelier in seinem Zuhause.

Derzeit ist er auch noch an einer Gemeinschaftsausstellung in der „musa“ in Göttingen beteiligt.

Die ausdrucksstarken, farbintensiven Arbeiten sind bis zum 14. Januar 2024 täglich von 13-18h im Café der Kunsttöpferei Klett, Fredelsloh zu sehen! 24./25.12 sowie 31.12/01.01 Geschlossen.


Kunsttöpferei, Galerie & Café Klett
Kampweg 2
37186 Fredelsloh
Tel.: 05555-416
Mobil: 0173-2630695

Dienstag, 31. Oktober 2023

Herbstpilze

 



Jetzt ist Erntezeit für die Herbstpilze, und siehe, endlich sind sie bei uns im Solling da. Meine beiden liebsten Arten zu dieser Zeit, Trompetenpfifferlinge und Violette Rötelritterlinge, haben sich wieder eingestellt, genau an den Plätzen, die ich kenne in „meinem“ Revier. Sie sind halt treu. Von beiden Arten gibt es zur Zeit in Mengen.

Die Trompetenpfifferlinge sind der zartere (und braunere) Bruder des echten Pfifferlings (von denen ich auch noch einige fand). Hier wachsen hauptsächlich die gelbstieligen (Cantharellus tubaeformis var. lutescens), welche noch aromatischer als die einfachen sind. Es soll auch eine starkriechende Art geben, den Duftleistling oder auch Gelbe Kraterelle, diese habe ich hier leider noch nicht entdeckt. Alle diese Pilzarten gehören zu den Leistlingen, da sie keine Lamellen sondern Leisten haben. Auch die Herbst- oder Totentrompete gehört dazu, die aromatischste Art. Diese konnte ich immerhin einmal im Solling finden.

Trompetenpfifferlinge sind zwar in der Regel recht klein, doch dafür meist in großen Mengen zu finden. Zu verwechseln sind sie nur mit anderen Leistlingen, was nicht weiter tragisch ist, denn alle sind essbar, und mit dem Gallertkäppchen (Leotia lubrica). Diese wachsen gerne im gleichen Habitat, sind von gummiartiger Konsistenz und gelten als ungenießbar bis giftig. Sie sollen das gleiche Gift wie die Frühjahrslorchel enthalten. Falls doch einmal welche unter die Trompetenpfifferlinge geraten sein sollten, wäre das sicherlich interessant, da sie beim Braten aufgrund ihrer Konsistenz aus der Pfanne springen sollen. Dieses Phänomen konnte ich noch nicht beobachten, da ich die beiden Arten zuverlässig unterscheiden kann.

Gallertkäppchen

Apropos Frühjahrslorchel: Gerade sind hier auch wieder in Mengen die Herbstlorcheln (Helvella crispa, syn. Helvella pithyophila) zu finden, kleine bis mittelgroße weißliche Gebilde, die mich immer wieder an kleine Kobolde erinnern. Zur Verwendung der Herbst-Lorchel als Speisepilz wird heute abgeraten. Sie wird von Fachleuten seit Jahrzehnten als giftig eingeschätzt, allerdings mit einer sehr späten Symptomatik, das heißt einer sehr langen Latenz.



Ein guter Speisepilz dagegen ist der violette Rötelritterling (Lepista nuda), über den ich mich jedesmal freue, wenn ich ihn finde. Typisch für ihn sind die violette Tönung und der etwas süßliche Geruch. Roh sollte er nicht gegessen werden, doch gut durchgebraten ergibt er ein schmackhaftes Pfannengericht. Auch lässt er sich gut einwecken. Zu verwechseln ist er eigentlich nicht, auch wenn er gerne mit Nebelkappen zusammen wächst. Doch denen fehlt die violette Färbung sowie der „blumige“ Geruch.



Donnerstag, 14. September 2023

"Texte und Töne in Fredelsloh" Oktober 2023

 




„Texte und Töne in Fredelsloh“ Oktober 2023


Am Freitag 6. 10. um 19 Uhr: Dingefinder Jörg Krüger und Begleitung „Den Stillen in den Landen“, die neue Textrevue

Am Samstag 7. 10. um 17 Uhr: Amina Anja Amelal und Begleitung „Der Horizont des - ach so beschaulichen Lebens- aufgegabelt zwischen Erdäpfeln und Amselblau in Lyrik und Tönen“, Lyrik und Musik

Am Sonntag 8. 10. um 15 Uhr: Barbara Naziri „Schreie und Flüstern“, Gedichte und Musik

Alle Veranstaltungen finden in der Klosterkirche Fredelsloh statt. Der Eintritt ist frei, eine Spende wäre nett. Veranstalter ist das Bildungswerk Leben und Umwelt BLU e. V. Alte Schule Fredelsloh zusammen mit der Klosterkirche Fredelsloh, der Kirche mit Kultur.



Jörg Krüger, Jahrgang 1957, seit 2007 als Dingefinder mit Lesungen mit Musik unterwegs, seit 2014 in Fredelsloh Südniedersachsen ansässig.


Die Stillen in den Landen

Es sind die Stillen in den Landen,
sagt nicht, dass deren Furcht unbegründet sei,
nur weil sie nicht laut sind.

Es sind die Stillen in den Landen,
die Gärten wollen gepflegt sein,
die Bäume wollen gepflanzt werden,
die Früchte geerntet,
das Brot gebacken, die Felder bestellt.

Die Bedürftigen wollen versorgt sein,
die Stillen fragen nicht
nach der Herkunft.
Sie tun das Not-wendige.

Es sind die Stillen in den Landen,
derer Landen sind Mutterländer.

Es sind die Stillen in den Landen.
Sie tun das Not-wendige.
Aber die Lauten, die Lauten,
sie werden gehört.

Sie töten mit Worten
sie töten mit Waffen,
Gewalt ruft nach Gewalt,
Gewalt schreit nach Gewalt,
Gewalt, Gewalt,
das Echo: Gewalt.

Wer aber baut die Wohnstätten,
pflanzt die Bäume, erntet die Früchte,
pflegt die Gärten, backt das Brot,
bestellt die Felder, versorgt
die Bedürftigen, ohne
nach der Herkunft zu fragen?

Es sind die Stillen in den Landen.







Amina Anja Amelal, Schriftstellerin, Jahrgang 1972, aus Halle / Saale. Diplom-Erziehungswissenschaftlerin, Mutter von fünf Kindern, Verfasserin von Lyrik und Kurzprosa, Veröffentlichungen in verschiedenen Anthologien. Zwei ihrer Gedichte wurden von der Band Señor Bella vertont, ein Text ist Choral der Oper „Die purpurroten Segel“ von Maria Leontjewa.


oft stehe ich

inmitten des windes
über mir ziehen
die vögel
kreise
paarweise
hängt mein blick
an ihren schwingen
zwei die wie strophe
und ihr refrain
fremd und schön
steigen
und dann verklingen

ich stehe
oft reibt sich der wind an mir
oder ich
mich an seinen schwingen
das ist nicht dasselbe
kein lied kein flug
wiegen und biegen
die halme sich
oder knicken sie ein

oft liege ich
vom wind
zugedeckt




>




Barbara Naziri alias Aramesh – Deutsch-Iranerin mit jüdischen Wurzeln. Buchautorin, Lyrikerin und Menschenrechtsaktivistin, wohnhaft in Hamburg. Gründungsmitglied beim Hamburger Flüchtlingsrat sowie bei IMUDI (Initiative für Menschenrecht und Demokratie – Iran), Mitglied im Auschwitzkomitee und in der Hamburger Autorenvereinigung. Über sich sagt die Schriftstellerin: „Ich bin eine Pflanze mit jüdischen Wurzeln in persischer Erde und blühe für den Frieden.“

“Gedichte sind Gedankensplitter, sie springen Wort für Wort ins Herz“ … aus: Nostalgie"


Nur ein Traum

Wenn die Nacht den Tag umarmt
und ihre Sternenaugen funkeln,
erklingt das Lied der Nachtigall,
erwacht ein stiller Traum im Dunkeln.

Er schwebt über Gedankenfelder,
vertreibt den Schmerz vom hellen Tag
und gleitet über Nebelwälder,
in denen manch Geheimnis lag.

Er fliegt durch Täler, über Meere,
scheint niemals irgendwo zu weilen,
und doch trägt er die Wünsche fort,
die manches Herz vom Kummer heilen.

Wie kostbar sind doch Lieb und Frieden,
wenn sich die Nebel endlich heben,
stattdessen plagt uns schwere Trägheit.
Ach, könnten wir nur Träume leben.





Anmerkung: Redaktionelle Blogbeiträge wie Berichte, Gedichte, Geschichten zur Zeit auf meinem Blog Die anderen Seiten

Samstag, 26. August 2023

16. 9. 2023 Café Klett, Fredelsloh: Jan Kuhlbrodt und Timm Völker

 



Am Samstag, 16. September 2023 19:30 Uhr im Café Klett in Fredelsloh

In der Reihe „Texte und Töne in Fredelsloh“, veranstaltet vom Bildungswerk Leben und Umwelt e. V. Alte Schule Fredelsloh, mit Unterstützung der Hedi-Kupfer-Stiftung:

Hotel New York Pt.II

Stories und Songs mit Jan Kuhlbrodt und Timm Völker

Blues als Urgrund musikalischer Erfahrung. Zu Hause kreisen die Platten von John Lee Hooker und Muddy Waters. Rhythmisches
Sediment, das die späteren Texte grundiert. Der Auwald bei Leipzig als Delta. Memphis in Mitteldeutschland.

Songs und Stories mit Mundharmonika. Jan Kuhlbrodt an der Harp und Timm Völker an der Gitarre. Natürlich mit einer Brise Melancholie.

Eintritt frei, Spende wäre nett

Jan Kuhlbrodt, Jahrgang 1966, war von 2007 bis 2010 Geschäftsführer der Literaturzeitschrift Edit, Lehrbeauftragter an der Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig und Gastprofessor am Deutschen Literaturinstitut. Heute lebt er als freier Schriftsteller in Leipzig. Für sein Prosawerk „Krüppel Passion“ erhielt er den diesjährigen Alfred-Döblin-Preis.

Timm Völker, Gitarrist und Songschreiber, letztes Jahr erschien seine 5 – Track – EP „Dieb für ein Lied", die er zusammen mit Patrice Robert Lipeb bei Trocadero einspielte. Unter anderem war er mit seiner Band Timm & the Busy Men für die Musik des Filmes „Zeit der Fische“ verantwortlich, der 2013 erstmals gezeigt wurde.


Foto: Stefan Nobel-Heise

Freitag, 4. August 2023

Fremd blicken mich Vergangenheiten an - Dichter August 1914

 



Fremd blicken mich Vergangenheiten an - Dichter August 1914

Es war die Zeit der Gärung,
und es hatte letztlich in den Krieg gegärt,
Heldenpathos war die neue Währung,
Heldenpflicht der neue Wert.

Die Wenigen, die nicht verehrten,
bekamen Kerker und Zensur
und Wandervögel, die einst unbeschwerten,
fielen aus den Himmeln auf blutige Flur.

Verse aus dem Schützengraben,
aus den Abseiten der Literatur,
und die, welche, ach so jung, dann starben
blieben Fußnote nur.

So viele, die Erneuerung träumten,
Prinz Vogelfrei war dann doch Kriegernatur,
so viele, welche die Verweigerung versäumten
hinterließen eine blutige Spur.

Und Wildgänse rauschten durch die Nacht,
trotzdem alles so sinnlos war.
Was hat denn das falsche Pathos gebracht?
Und wer war letztendlich der Narr?

Das eigentlich war der Beginn der neuen Zeit:
Senfgas und Massensterben. . .
und noch immer sind so viele nicht bereit,
noch immer sind wir die Erben.


Verse aus dem Schützengraben in meinem Blog Dingefinders Lesebuch

Samstag, 15. Juli 2023

Aus dem Tierleben - Eine Auswahl

 


Aus dem Tierleben  -  Eine Auswahl

Eine Flunder,
wohnhaft vor Neuwerk,
hatte ihr Leben
als Plattfisch leid.
Sie schaute voller Neid
auf alle
Schwimmblaseninhaber.

Sie schluckte
einen Luftballon
und bat den Seehund,
diesen aufzublasen.
Der blies.
Und ließ
beim Aufblasen leider
zu früh los.

Das Aufsehen war groß:
Eine - pfrrrt - fliegende Flunder!
Famos!

* * *


Eine etwas bigotte
Kieler Sprotte
sagte zu ihrem Sprott:
„I be Gott!“

* * *


Ein Spatz mit einem Tigerherz
schickte "Tschilp" um "Tschilp" nach oben,
das nervte einen Edelnerz,
der konnt es einfach nich globen.

Er hörte "Tschilp" im Morgengraun,
er hörte "Tschilp" am Gartenzaun,
er hörte "Tschilp" um Mitternacht
(das war die Nachtigall, die hatt sich einen Spaß gemacht)

er hörte "Tschilp" beim Frühstücksei,
rief nach Notarzt, Feuerwehr, nach Polizei,
doch trotz groß "Tatütata",
das "Tschilp" blieb da. . .


* * *


Ein Regenwurm, der in eine Steckdose kroch
erlebte seine Erleuchtung noch.
Worauf er zum Wattwurm transformierte
und fortan als My sweet Ohm residierte.

* * *


Eine Schnecke und ein Schneckerich,
die liebten sich ganz inniglich.
Oder waren es Schneckerich und Schnecke?
So richtig wussten sie das nicht. . .

Als Zwitterwesen gerieten sie in Streit,
wer den nun Schnecke und wer -erich wäre. . .
und tragisch endet die Geschicht,
die Liebe lief ins Leere. . .

* * *


Das entliche Häslein

Eine Hasenmutter ein Häslein gebar,
das wuchs heran und wurde sonderbar.

Es hatte einen Schnabel, um die Mutter zu begrüßen
und Schwimmhäute an den Hinterfüßen.

Auf dem Kopfe etwas, das wie ein Geweih aussah
und am Hinterteil ein Kringelschwänzchen gar.

Das geschah in Germaniens hohem Norden.
Wäre es in Bayern geschehn, wär´s ein Wolpertinger geworden.

* * *


Ein Regenwurm
ließ sich in echter Eigenliebe
zweiteilen.
Nun kann er voller Liebesglück
bei sich selbst
verweilen.

. . . und wenn er sich vierteilen tut, der Bub,
reichts gleich für ´nen ganzen Swingerclub. . .

Mittwoch, 12. Juli 2023

Nachlese zum 1. Klostertag in Fredelsloh

 



Nachlese zum 1. Klostertag in Fredelsloh am 9. Juli dieses Jahres: Im Programmpunkt "Fredelsloher Sagen neu erzählt" haben wir die Gründungslegende Fredelslohs aufgenommen, vom Grafen (von Dassel), oder, in anderer Lesart, von einem Jägersmann, der sich im Wald von Solling verirrte, und dem, als er vor Erschöpfung und Durst einschlief, im Traume eine Frau erschien. Als er erwachte, fand er sich an einer Quelle wieder, die heute am Kapellenbrunnen immer noch plätschert. Als Dank für seine Errettung ließ er eine Marienkapelle errichten. Das war der Beginn von Fredelsloh.

Es gibt verschiedene Variationen dieses Themas. Wir haben in dichterischer Freiheit diesen besagten Traum beschrieben, und ihn mit der Sage um die Schlangenkönigin verwoben, letztere war auch in Fredelsloh ansässig, darüber gibt es eine Geschichte. Über beide Sagen hier nächstens mehr, hier der Text von Kalindi, der Schlangenkönigin, wie sie dem Grafen oder Jägersmann im Traume erschienen sein mag. Musikalische Begleitung: Erd Ling Judith: Didgeridoo, Daniel M. Ladner, Cajon und Dingefinder Jörg Krüger Gitarre . Ich habe auch den Text dazu geschrieben. Leider gibt es keine Tonaufnahme, daher nur obiges Bild und den Text hier:


Es war die samtene Schwärze ihrer Augen, es war das Singen ihrer nachtschwarzen Stimme, es waren die Milchstraßen, welche in ihre Brauen geflochten, er stand und schaute und lauschte.

Und sie nahm seine Waffen und seine Rüstungen und seine eisernen Panzer und all die Spielzeuge der Männer und sagte: Diese brauchst Du nicht mehr. Wo aber das Vertrauen klein ist, ist gar kein Vertrauen. Und sie gab ihm den dreifach gewundenen Stab in die Hand.

Und er blickte in die samtene Schwärze ihrer Augen, und er lauschte dem Singen ihrer nachtschwarzen Stimme, und es waren die Regenbögen, welche in ihre Brauen geflochten.

"Ich webe das Jetzt in die Zeit,
ich webe Frau Welt ein neues Gewand,
ich webe der Mutter ein farbiges Kleid,
ich nehme die Kinder bei der Hand,
ich webe das Jetzt in die Zeit"

Und sie nahm seine fein gewirkten Kleider und seine zierlichen Schuh und gab ihm dafür die Kleider der einfachen Leute. Und er griff in die Tasche, und fand darin drei Kupfermünzen. Und sie sagte ihm: Nun gehe, dir Fischlein zu kaufen.

Und er blickte in die samtene Schwärze ihrer Augen, und alle Nacht war darinnen, und ein Spiegel war darinnen, und er lauschte dem Singen ihrer nachtschwarzen Stimme, und alle Flüsse der Welt waren in ihre Brauen geflochten.

Und er schaute in den Spiegel, und er erblickte das Antlitz des Vaters, und es war ein trauriges Antlitz, gebeugt in Schmerz und Gram. Und er schaute in den Spiegel, und er erblickte das Antlitz seines Sohnes, und es war ein wissendes Antlitz.

"Ich webe das Jetzt in die Zeit,
ich webe Frau Welt ein neues Gewand,
ich webe der Mutter ihr farbiges Kleid,
ich halte darüber die schützende Hand,
ich webe das Jetzt in die Zeit"

Und sie sagte zu ihm: Wem ich Schmerz schenke, dem schenke ich auch die Kraft und die Würde diesen zu tragen. Und sie legte die Hand auf das Traumsiegel auf seiner Stirne, und es war eine wissende und wärmende Hand. Eine nährende Hand.

Und in ihm waren all die sterbenden Wesen, und sie klagten die Totenklage, und es war eine große Trauer in ihm. Und er blickte in die samtene Schwärze ihrer Augen, und alle Nacht war darinnen, und ein Weiher im Mondenlichte war darinnen, und ein verschwiegener Waldpfad war in ihre Brauen geflochten, und als seine Füße den Pfad begingen, hörte er das Singen ihrer nachtschwarzen Stimme.

"Ich webe das Jetzt in die Zeit,
ich webe Frau Welt ein neues Gewand,
ich webe der Mutter ihr farbiges Kleid,
ich halte darüber die schützende Hand,
ich webe das Jetzt in die Zeit"

Montag, 3. Juli 2023

1. Klostertag Fredelsloh am 9. Juli von 11 - 16 Uhr

 



Programm:

11h Andacht zur Eröffnung des Klostertages
11:30h Einführung in die Orgel und Miniatur-Konzert mit Günter Stöfer
12h Das Fredelsloher Stundengebet
12:20h Auf den Spuren der Nonnen I
12:40h Die Ausstellung
13:00h Das Fredelsloher Stundengebet
13:20h Auf den Spuren der Nonnen II
13:40h Fredelsloher Sagen neu erzählt, Jörg Krüger mit Begleitung
14:00h Stundengebet
14:20h Das Labyrinth
14:40h: Yoga im Hauptschiff
15:10h: Gedichte und Lieder, Jörg Krüger mit Begleitung
15:40h: Das Labyrinth
16:00h Das Fredelsloher Stundengebet
16:20h Eine historische Führung
16:40h Fredelsloher Märchen „Die beiden Schäferjungen“
17:00h Gebet der liebenden Aufmerksamkeit zum Abschluss

Durchgängig: Grubenbrand // Führungen im Keramik.um // Arbeit an der Lehmkirche mit Hannah Over // Schmiedearbeiten mit den Naturwerkstätten // Musik von den Soulstrings ab 12h

Grillbuffet
Kuchenbuffet am Keramikum

Donnerstag, 29. Juni 2023

Rosentraum

 



Rosentraum

I

Lass dir den Morgen nicht nehmen
und nicht die Dankbarkeit,
dein Menschsein ist es,
welches dich Lieder singen lässt,
so wie die Amsel
im Amselsein
den neuen Tag begrüßt

Wir kommen Wir gehen
enge Pforte weites Tal,
lass dir das Morgen nicht nehmen,
und nicht die Dankbarkeit
für das Heute,
wenn du ein Lied hast,
lass es erklingen


II

Doch sei auch die Nacht unser,
wenn sich die Düfte mischen,
und der Rosen zartes Hell
aus den Ahnungen
des graugrünen Laubes winkt,
als seien Sterne gesunken

So wie der Mond steht als geöffnete Schale am Himmel,
und wie Perlen die Sterne,
welche sich in diese Schale senken

Sei auch die Nacht unser,
legen wir uns
in die sanft geöffnete Schale des Mondes,
sie wird unsere Barke unter den Sternen sein


III

Keine Urzeit beschwören
keinem Vergangenem nachträumen,
den Meeren längst entstiegen,
den Wanderungen
dem Unsteten

noch nie halfen
die alten Rezepte
nicht scheuen, vor dem, was ist
nicht wissen von dem, was kommt
Tagwerk-Gebete,
Zeit, des Morgens die Rosen zu sammeln,
in stillem Gedenken
die Wanderer zu grüßen
den Rosenkelch reichen

sub rosa


IV

Himmelstänzerin im Rosenhag,
so still die Morgenfrühen,
so sanft der beginnende Tag,
schon verblassen die Sterne,
die Wolken beginnen zu glühen

Wer in die Himmel tanzend Verglühen vermag,
in derer Herzen senkt sich eine Freiheit hinein,
es grüßen noch die letzten Hollerdolden,
tauchen in auferblühenden Lindenduft ein,
so, ja, so doch zeigt sich auch dieses Leben,
wenn wir, zeitvergessen, uns im Tanze
in diese Himmel bewegen,
und auch die Weltalter bewegen sich still  -

Ein Verlangen erblüht
Ein „Ich will!“ -
woher wir kommen, wohin wir gehen,
das bleibt unerfragt - - -
Wir tanzen - - - wir tanzen - - -
während es tagt

Es liegt Segen über dem Land,
Wolkenfederschwingen,
darin eine Hand,
uns gereicht, sie zu erfassen,
sich beieinander zu halten
während sich die Rosenknospen entfalten - - -


V

Am Ende der Nacht stellte ich selber die letzte Frage:
„Was ist das für ein Lied, welches du singst?“
Sie öffnete die Tür dem beginnenden Tage:
„Es duftet nach Rosen“, sagte die Sphinx


Das Foto zeigt eine Blüte der "Hundertjährigen", wie sie hier genannt wird, eine Albarose, die gerade wieder über und über blüht. (Und von deren stark duftenden Blüten ich, wie jedes Jahr, einige ernten durfte, um Rosensirup zu bereiten.)

Mittwoch, 28. Juni 2023

Seit 26. 6. bis 6. 8. eine neue Ausstellung im Café Klett in Fredelsloh: Werke von Norbert Schmidt-Mispagel

 


Seit dem 26. 6. dieses Jahres präsentiert Norbert Schmidt-Mispagel seine spannenden Werke im Café der Kunsttöpferei Klett in Fredelsloh!

Norbert Schmidt-Mispagel ist im Südoldenburgischen geboren. Nach dem Studium (Romanistik und Sport) in Göttingen, unterrichtete er bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2013 an der IGS Göttingen/Geismar die Fächer Französisch, Sport und Kunst.

Schmidt-Mispagel ist Autodidakt und hat sich im Verlauf seiner künstlerischen Entwicklung in unterschiedlichen Zeichen- und Maltechniken mit verschiedensten Themenkreisen auseinandergesetzt. Ein Schwerpunkt seiner Arbeiten ist stark beeinflusst von alter, dem Zersetzungsprozess von Wind und Wetter ausgesetzter Werbemalerei auf französischen Hausfassaden und Plakatwänden, die ihn während seiner regelmäßigen Reisen nach Frankreich inspirierten. Dazu gesellte sich die Auseinandersetzung mit Höhlenmalerei und aktueller Graffiti aus dem urbanen Raum. Durch Kombination von Fragmenten aus diesen drei Bereichen, die oft in Schichtungen aufgearbeitet werden, entstehen neue Impressionen und “Botschaften“.

Seine Bildideen setzt Schmidt-Mispagel in unterschiedlicher Form um, von naturalistischer Malweise, über Abstraktion, Schablonenmalerei und Kritzeleien, Monotypien, bis hin zum abstrakten Expressionismus und Informel - oft auf dem selben Bildträger kombiniert. Dabei kommen Acryl-, Öl- und Wandfarben, Pastell- und Ölkreiden sowie unterschiedlichste Collagematerialien zum Einsatz.
Das Spiel mit Formen, Farben und Techniken ist eine starke Antriebsfeder bei der Arbeit im Atelier. Der Arbeitsprozess ist dabei gekennzeichnet durch einen permanenten Wechsel zwischen planvollem, gesteuertem Vorgehen auf ein vorher festgelegtes Ziel hin und der Offenheit dem Malprozess gegenüber, der Unbekanntes, Überraschendes in die Arbeit integriert und/oder gegebenenfalls zu neuen Zielen führen kann.

Seit den 70er Jahren hat Schmidt-Mispagel an zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen in Deutschland und Frankreich teilgenommen. Er lebt und arbeitet in Göttingen.

Bis zum 6. August täglich 13 bis 18:00 Uhr im Café der Kunsttöpferei Klett, Fredelsloh, Bilder von Norbert Schmidt-Mispagel aus unterschiedlichen Phasen seines Schaffens.

Das Bild oben trägt den Titel PRÉSENTATION, Mischtechnik auf Zeichenkarton; das Bild unten AUF DER PIRSCH, Mischtechnik auf Hartfaserplatte




Mittwoch, 21. Juni 2023

Sommersonnenwende - Johanniskraut

 



Sommersonnenwende


Sag, was kündest du mir, Sonnenwendkraut, leuchtender Busch du?
Nicht Johanniskraut, nein, Lichtheiliger mögest du heißen!
Sommerverkünder, so weit das Auge erfasset die Landschaft.
Lichthell stehet der Rain und sommerlich glühet der Wegsaum,
Borget den Nächten sogar ein mitternachtsonniges Dämmern.

Stets sich steigert die Glut, daß glitzern die Blätter des Eichwalds
Wie in metallischem Glanz. - Gott! Rosen, ja Rosen in Menge!
Rot und röter und weiß. - Ach, wie ermüdet die Fülle!
Silbrig flimmert die Luft und goldgleich zittert der Sonnball.

Christian Friedrich Wagner, geboren am 5. August 1835 in Warmbronn, Baden-Württemberg; gestorben am 15. Februar 1918 ebenda, Kleinbauer und Dichter.


Seine Stellung zur Kriegslyrik war eindeutig, wie aus einem Brief an Hermann Hesse hervorgeht: Nachdem er schon mehrfach „um Kriegslieder angegangen worden“ sei, schreibt er weiter: „das Heldentum des Nitroglyzerins erkennen wir [Dichter] nicht an!“ Als der befreundete Dichter und Kriegsdienstverweigerer Gusto Gräser aus Deutschland ausgewiesen werden sollte, setzte er sich für ihn ein. Der spätere Dadaist Johannes Baader besuchte ihn 1916 in Warmbronn und hielt daraufhin begeisterte Vorträge über Wagner.

Er leidet sehr unter dem fortgesetzten Kämpfen und Töten und wünscht sich, Eremit zu werden. „Ich beklage, dass es in Deutschland keine Wälder mehr gibt, wie im Mittelalter, zur Zeit der Eremiten, in die hinein ich mich verkriechen könnte, um dort nur noch mit frommen Tieren zu leben.“

„Lieber ein barmherziger Heide als ein unbarmherziger Christ“

Im Winter 1884 nutzte Wagner die freie Zeit zum Sichten seiner poetischen Versuche und stellte sein Manuskript Märchenerzähler, Bramine und Seher zusammen, das im Frühjahr 1885 in einem Stuttgarter Verlag erschien, nachdem er die Herstellungskosten des Buches übernommen hatte. In diesem Werk sah er sich selbst als Bramine, der „alles Lebendige schonend und achtend durch die Fluren wandelt“, er versicherte jedoch, nie buddhistische Schriften gelesen zu haben.

Aus der Wortwerkstatt: Das also ist der Sommer nun. . .

 



Das also ist der Sommer nun. . .


Das also ist der Sommer nun,
der so lang erwartet war.
Das Jahr hält inne, sich vom Frühling auszuruhn,
die Sonne kocht die Früchte gar.

Es flattern Federgeistchen auf am Wegesrand.
Mädesüß verteilt den Duft von Marzipan.
Der Himmel - lichtblau mit Sammet überspannt:
Alles, so scheint´s, läuft wie gewohnt in seiner Bahn.

Frauen gebären, Säufer saufen, Bauern bauen an.
Nur ich, ich bin der Ungläubige im Dorfidyll.
Krieg ist immer. Nur dieser ist jetzt näher dran.
Im Traume hör ich manchmal einen Schrei. Noch bin ich still.

Krieg und Hunger: Das ist die eigentliche Pandemie,
der Menschheit Weisheit steckt noch in den Kinderschuhn.
Wer weiß, denk ich, vielleicht kommt sie ja nie.
Bin traurig: Das also ist der Sommer nun. . .

Dieses Gedicht schrieb ich vor einem Jahr (2022), viel geändert hat sich wohl seitdem nicht. 

Das Bild „Sommer“ ist von Vincent van Gogh (1853 - 1890)

Donnerstag, 8. Juni 2023

Juniabend

 


Juniabend

Mir steht der Sinn nach Schönem.
Nach Gärten.
Nach Verwöhnen.
Nach milden warmen sanften Winden.
Ich wünsche mir
die unbeschwerten,
die milden warmen sanften Nächte,
die mich in deinen Armen
mit allem Leid versöhnen.

Das Bild ist von Eduard Kasparides (1858 - 1926)

Dienstag, 6. Juni 2023

Mauerritzenexkursion: Die Belebung der Klostermauer


Nichts währt ewig - und wenn sie komplett der Natur überlassen würde, dann wäre irgendwann die Klostermauer des ursprünglichen Fredelsloher Klosters wieder Teil eines Waldes. Die Erstbesiedler sind Flechten in verschiedenen Arten und Formen (je größer hier die Artenvielfalt, um so sauberer dürfte die Luft in der Umgebung sein); dann siedelt sich gerne die Mauerraute (Asplenium ruta-muraria) an, ein genügsamer Farn, auf dem Foto oben zu sehen. Die Blätter ähneln die der Weinraute, daher der Name, doch sind sie nicht aromatisch. Früher wurde die Mauerraute als Heil- und Zaubermittel gesammelt und zum Beispiel bei Schwellungen und Entzündungen angewendet. Für Gartenliebhaberinnen und Liebhaber, ich las dazu folgenden Satz auf einer Heilkräuterseite im Web: "Die Mauerraute ist schwierig in der Anzucht". Das wiederum empfinde ich nicht so, sondern es ist ganz einfach: Man nehme eine etwas über 800 Jahre alte Klostermauer, aus Rotsandstein geschichtet, der Rest ergibt sich von selbst.

Auch von selbst geht die weitere Besiedelung, es kommt, was Wind und Tiere so herantragen. So ziemlich immer dabei ist das Schöllkraut (Chelidonium majus):


Dass dieses Mohngewächs so häufig in Mauerritzen wächst, hat seinen Grund: Die ölhaltigen Samen haben ein eiweißhaltiges Anhängsel, und das ist begehrtes Futter für die Ameisen. Diese sammeln die Samen ein und bringen sie als Vorrat in ihren Bau. Ameisen sind wärmeliebend und bauen ihre Nester gerne in Lücken in durchwärmten Mauern.

Das Schöllkraut ist, wie die meisten Mohngewächse, alkaloidhaltig, und zählt zu den (milden) Giftpflanzen. Aus dem frischen Kraut, das einen gelben Milchsaft führt (der recht lange an den Fingern haften bleibt) lässt sich ein Wein ansetzen, der bei Gallenkoliken hilft. Mit getrocknetem Kraut geht das nicht mehr.

Doch auch größere Tiere als Ameisen helfen der Mauer dabei, sich dem Wald anzunähern:


In diesem Falle dürfte wohl das Eichhörnchen beteiligt gewesen sein, das im Spätsommer / Frühherbst immer in dem Haselstrauch bei uns vor der Alten Schule Fredelsloh zugange ist. Dieser große Haselstrauch ist rotblättrig, und so ist wohl die Herkunft klar. Doch auch andere Sträucher siedeln sich gerne an, wenn sie gelassen werden:


Eine Weigelie hat es geschafft, sich einen Platz an der Mauer zu sichern. Bei "Weigelie" muss ich immer schmunzeln, denn als ich noch in einer Baumschule als Verkaufsgärtner arbeitete, kam eine Kundin öfter, und wenn sie von dem genannten Strauch sprach sagte sie immer: "Weigele", und jedesmal, wenn ich eine Weigelie sehe, danke ich: Weigele". Das klingt ja auch nett.

In diesem Falle steht die Mutterpflanze gleich unterhalb an der Mauer. Interessant ist, dass deren Blüten wesentlich blasser ausfallen. Das mag vielleicht auch daran liegen, das der trockenwarme Standort der Mauer die Blütenfarbe intensiviert.

Wohl von Vögeln hierhergetragen wurde ein anderes Gehölz, das einzige Nadelgehölz mit roten Früchten, deren Fruchtfleisch süßlich schmeckt und das ungiftig den giftigen Kern umgibt, die Eibe:


 
Auf der Mauerkrone in der Nähe von Gebäuden kommt der Bewuchs dem Walde schon sehr nahe:


Hier haben sich Birken angesiedelt, deren Samen durch den Wind herangetragen wurden. Diese kommen an solchen Standorten recht häufig vor, wenn sie gelassen werden. Auch Holunder und sogar Eschen können zu finden sein, und in Bremen hatte ich auf einer Mauerkrone eine fruchtende rote Johannisbeere gesehen. Da machte sie ihrer Zugehörigkeit zu den Steinbrechgewächsen alle Ehre.

Apropos Bremen: Dort bot ich für die Volkshochschule Bremen einmal eine Mauerritzenexkursion an. Es ging darum, einmal zu schauen, was sich so in Fugenspalten, auf Abbruchmauern und in Mauerritzen alles so an Pflanzen ansammelt. Treffpunkt war die Endhaltestelle Gröpelingen, besagtes Depot. Als wir uns dort trafen, zwölf Personen, wurden wir als erstes unterhalb eines Lichtmastes eben eine ähnliche Zusammenstellung wie oben gewahr. Nur, dass da statt des Natternkopfes eine prächtige violett blühende Phönizische Königskerze wuchs.
Da standen nun zwölf Menschen um einen Peitschenmast mitten zwischen den an- und abfahrenden Straßenbahnen und schauten konzentriert nach auf den Boden. Die erstaunten Gesichter der Fahrgäste in den Bahnen waren köstlich. Noch Jahre später traf ich die eine oder den anderen Teilnehmer dieser Exlursion, und wir mussten bei der Erinnerung immer noch lächeln.

Das zeigt, dass Mauerritzen eine spannende Sache sein können. Und dass wir dort an die Vergänglichkeit gemahnt werden: "Marmor, Stein und Eisen bricht. . .", und die Pflanzen helfen dabei.

Donnerstag, 25. Mai 2023

Blaue Blumen

 

Linum perenne


„Was ihn aber mit voller Macht anzog, war eine hohe lichtblaue Blume, die […] ihn mit ihren breiten, glänzenden Blättern berührte. Rund um sie her standen unzählige Blumen von allen Farben, und der köstliche Geruch erfüllte die Luft. Er sah nichts als die blaue Blume, und betrachtete sie lange mit unnennbarer Zärtlichkeit. Endlich wollte er sich ihr nähern, als sie auf einmal sich zu bewegen und zu verändern anfing; die Blätter wurden glänzender und schmiegten sich an den wachsenden Stängel, die Blume neigte sich nach ihm zu, und die Blütenblätter zeigten einen blauen ausgebreiteten Kragen, in welchem ein zartes Gesicht schwebte.“

Novalis (1722 - 1801), aus seinem Romanfragment Heinrich von Oefterdingen

Als ich vor kurzem nach den Knabenkräutern schaute, habe ich auch wieder den Staudenlein (Linum perenne) blühend vorgefunden, der hier wild vorkommt. Wildwachsend ist er in Deutschland mittlerweile extrem selten, und streng geschützt. In Gärten ist er als hübsche Zierpflanze dagegen häufiger zu finden. Meiner Beobachtung nach sind die Blüten der hier wild vorkommenden Pflanzen „bläuer“ als die der gezähmten Verwandten.

Apropos Verwandten, verwandt ist der ausdauernde Lein mit dem feldmäßig angebauten Linum usitatissimum, aus dem das bekannte Linnen und das Leinöl gewonnen wird. Früher eine wichtige Faser- und Ölpflanze, wird er heute selten kultiviert. Ich durfte einmal ein blühendes Leinfeld sehen, dass ist schon ein erhebender Anblick. Der Staudenlein wurde übrigens früher auch zur Faserherstellung genutzt, allerdings für gröberes Tuch.

Ich liebe blaue Blumen und Blüten, und das nicht nur, weil ich ab und zu Gedichte schreibe, die etwas romantischer daherkommen. (Die Blaue Blume war auch ein Symbol der ab 1895 in Mode gekommenen Wandervögel, und auch ich war mit meiner damaligen Liebsten anderthalb Jahre quer durch Deutschland und bis nach Spanien „auf der Walz“).

Ich liebe blaue Blüten per se, besonders wenn das blau ein tiefblau ist und rein daherkommt, ohne Beimischung von rosa oder violett. Doch gefällt mir auch himmelblau. In Bremen, unter anderen Klimabedingungen (milder und feuchter, wegen dem nahen Golfstrom), hatte ich in meinem Stadtgarten in der Neustadt eine Kollektion Blaublüter zusammengesammelt.

Das fing früh im Jahr an mit dem Frühlingsblauglöckchen (Mertensia virginica), die dann von den Lungenkräutern (Pulmonaria) begleitet und abgelöst wurden, von denen es wunderhübsch tiefenzianblau blühende gibt, gefolgt von den ebenfalls sehr frühen Blauen Lerchenspornen (Corydalis flexuosa und C. elata). Alle diese hatte ich im Wurzelbereich einer großen Hasel gepflanzt, im Halbschattenbereich, und sie hatten diesen Standort gut angenommen, selbst die divenhaften blauern Lerchensporne, die als etwas schwierig gelten. Hier heißt das Geheimnis Urgesteinsmehl, das ich großzügig verwendete. Damit fühlten sie sich so wohl, dass sie sich sogar versamten.

Mertensia virginica


Corydalis Flexuosa, Foto Pixabay by Sonja-Kalee

Später im Jahr kamen dann andere blaue hinzu, die mehr in den Beeten
angesiedelt waren: Salvia patens (Foto rechts, pixabay, by Hans), ein Salbei mit großen reinblauen Blüten, der knollenbildend ist, die Knollen können im Keller überwintert werden; die Staudenclematis C. tubulosa, der himmelblau blühende Beinwell, Symphytum azurea;
der großblütige Rittersporn, Delphinum grandiflorum (Foto links, Pixabay, beauty of nature) der zwar mehrjährig aber meist kurzlebig ist. Ein wenig aufpassen muss man auf den Natternkopf, Echium vulgare, denn wo er sich wohlfühlt, versamt er sich gerne. Für den Steingarten geeignet, jedoch eher sauren Boden wünschend der Steinsame, Lithodora diffusa; und am sonnigen Spalier kletternd die Purpurwinde Ipomea tricolor „Heavenly Blue“, die größten blauen Blüten in meiner Kollektion.

Natternkopf


Clematis tubulosa

Der Star jedoch war der große Blaue Scheinmohn (Meconopsis grandis). Es wurde ja viel gerätselt, welches nun die Blaue Blume wäre, die Novalis meinte: Kornblume kam in Frage, Wegwarte wurde genannt (die beide hier wild vorkommen, die Wegwarte blüht im Sommer hier reichlich). Auch Enziane hätten es sein können. Hier wächst zum Beispiel der Fransenenzian, Gentianella ciliata, der im September blüht und mit seiner Farbe das Herz erfreut.



Fransenenzian, Gentianella ciliata

Doch der große Blaue Scheinmohn übertrifft alles, und wenn Novalis diese Pflanze gekannt hätte, die ursprünglich in Tibet beheimatet ist, dann wäre er sich sicher gewesen, die Blaue Blume entdeckt zu haben. Was Eichendorff nicht gelungen ist:

Ich suche die blaue Blume,
Ich suche und finde sie nie,
Mir träumt, dass in der Blume
Mein gutes Glück mir blüh.

Ich wandre mit meiner Harfe
Durch Länder, Städt und Au'n,
Ob nirgends in der Runde
Die blaue Blume zu schaun.

Ich wandre schon seit lange,
Hab lang gehofft, vertraut,
Doch ach, noch nirgends hab ich
Die blaue Blum geschaut.

Joseph von Eichendorff (1788 - 1857)

Ich selber bin zum ersten Male dem blauen Mohn in der Schauanlage einer Staudengärtnerei begegnet, sie hatten ihn in die Nähe einer künstlichen Bachanlage an der Quelle gesetzt, und mir stockte fast der Atem: eine über einen halben Meter hohe Pflanze mit Blüten so groß wie die Untertassen von Espressotassen, die vier Blüten in einem reinen, durchscheinenden Blau, im seidenzarten Blütenstoff, der den Mohngewächsen eigen ist, und in der Mitte strahlten gelbe Staubgefäße. Unvergesslich.

Es hat Jahre gebraucht, bis ich es dann heraus hatte, diese Pflanze aus Samen zu ziehen und zum Blühen zu bringen. Sie hat ihre Ansprüche, benötigt eher Halbschatten, wünscht eher sauren Boden, und hat das mildfeuchte Klima gern, das Bremen zu bieten hat. In England wird er häufiger als bei uns angepflanzt. Außerdem ist er kurzlebig. Doch alle Mühe lohnt, um ihn wenigstens einmal im Leben blühen gesehen zu haben. „Was ihn aber mit Macht anzog, war eine hohe lichtblaue Blume. . .“

Meconopsis grandis, Foto Pixabay by Peter H: 

Freiheit als Blume,
blau, leuchtend, schön,
da hindurch
lassen sich
die Sphären sehn,
da hindurch
lassen sich die Sphären schauen,
in die Weiten,
in die weiten Himmel,
die blauen

Kein Sehnsuchtsort,
in meiner Jugend mir real,
noch konnte ich sie treffen,
und ich traf die Wahl,
wählte die Wälder,
die Gärten,
die Auen,
wählte Reime
und die Blumen,
die blauen

Wählte Wanderschaft,
und Heimkehr wieder,
wählte Gesang,
sang die neuen Lieder,
wählte Einsamkeit,
wählte Gemeinschaft auch,
wählte alten und neuesten Brauch,
werde noch mancherlei Wunder
im Alter sehn -
Freiheit als Blume,
blau, leuchtend, schön

(„Freiheit als Blume / blau, leuchtend, schön“, so begann ein Gedicht das ich als Sechzehnjähriger schrieb. Leider ist es verschollen, und nur die Anfangszeilen sind mir geläufig. Also schrieb ich es im Alter noch einmal neu. Die Blüte, die mich damals zu diesem Gedicht inspirierte war die vom Männertreu, Lobelia erinus, davon die ganz dunkelblaue Sorte)

Mittwoch, 24. Mai 2023

Aus der Wortwerkstatt: Unsterblich

 



Unsterblich

Das ist nicht vererblich,
so auf die generative Art,
das ist auch nicht verderblich,
und sicher keine Blasphemie:
dieser Sänger ist unsterblich
so auf seine Art.

Ich sag dir wie:
Immer dann, wenn ich lebe
ganz in der Gegenwart.

Das gelingt mir nicht so häufig,
doch wenn, dann ist das so.
Allem Glauben gegenläufig,
und ohne Grund so lebensfroh.

Regen tropft auf die dunklen Blätter
des Hasels vor dem Fenster,
Maienregenwetter
wäscht von den Blättern die Gespenster
der Vergangenheit.
Mit einem Augenzwinkern
wird die Welt gleich netter,
gerade jetzt, wo Regen rauscht
ist alle Weltunbill so weit
entfernt.

Ich bin es, der dem Regen lauscht,
und meine Seele ist besternt.

Das lässt sich nicht übertragen
auf irgendwen auf irgendwas,
drum stellt mir keine Fragen,
die Haselblätter sind vom Regen nass. . .

(Das Foto ist von einer alten Postkarte aus Fredelsloh)

Montag, 22. Mai 2023

Knabenkräuter


Etwas später in diesem Jahr, dem kühlen Frühjahr geschuldet, blühen jetzt die Knabenkräuter und andere Orchideen wieder. Die Knabenkräuter haben ihren Namen wegen der paarigen Wurzelknollen und deren Ähnlichkeit mit den männlichen Genitalien. Die unterirdischen Überdauerungsorgane können bei einigen Arten bis zu 20 Zentimeter Länge erreichen. Jährlich wird eine neue Knolle gebildet, während die alte abstirbt.

Die vollsaftigen Knollen wurden früher geerntet und zu Salep verarbeitet. Frisch geerntet schmecken die Knollen bitter, doch wenn sie gekocht und danach getrocknet werden, verliert sich das. Gemahlen wurde daraus auch bei uns ein stärkendes Getränk zubereitet, das, wen wunderts, im Ruf stand, die männliche Zeugungskraft zu befeuern. Eine medizinische Wirkung besitzt der Trank jedoch nicht. Gepulvert geben Salepknollen mit dem 40- bis 50-fachen Gewicht kochenden Wassers eine steife Gallerte. In der Türkei wird Salep zur Herstellung von Speiseeis und Milchprodukten benutzt. In Deutschland sind alle Orchiedeenarten streng geschützt und dürfen nicht gesammelt werden.

Die bei uns heimischen Erdorchideen haben so ihre speziellen Ansprüche an das Habitat. Viele Arten kommen nur auf Kalkmagerrasen vor, die wir hier in der Umgebung auf dem Hainberg und auf der Weper haben. Und die Knabenkräuter brauchen für die Keimung der staubfeinen Samen spezielle Pilze, mit denen sie in Symbiose leben.

Während Allerweltskräuter wie Bennessel oder Giersch fast überall gedeihen, brauchen die Habitate der Erdorchideen oft eine besondere Pflege. Hier werden die Kalkmagerrasen von Schafen und Ziegen beweidet, so wird verhindert, dass die Standorte verbuschen und die seltenen Pflanzen, die dort wachsen, nach und nach verdrängt werden. Vielleicht eine Analogie zu unseren modernen Gesellschaften: Es gibt Minderheiten, die eines besonderen Schutzes bedürfen, und wir tun als Gemeinschaft gut daran, diesen auch zu gewähren. Dafür werden wir dann mit Blüten von anrührender Schönheit und Raffinesse belohnt.

Hier in der Umgebung gibt es jetzt wieder einiges zu bestaunen, neben dem oben gezeigten Männlichen Knabenkraut (Orchis mascula) in der rosa Form, auch dieses hier, das Dreizähnige Knabenkraut, Neotinea tridentata:



Auch unter den Seltenheiten gibt es wiederum Minderheiten. Von der Orchis mascula, dem männlichen Knabenkraut, gibt es eine weißblühende Form, die O. mascula albiflora. In der Regel sind die Blüten dieser Art purpurfarben oder Farbvariationen mit rosa Blüten. Weiße Exemplare können in praktisch allen größeren Populationen gefunden werden, jedoch tritt diese Form in einem Verhältnis von etwa 3/1000 auf.



Kein Knabenkraut, doch auch eine Orchidee: Die Fliegenragwurz (Orchis insectifera). Auch sie trägt an der Basis zwei Knöllchen. Interessant jedoch die Befruchtung: Die Blüten ähneln Insekten, als typische Bestäuber gelten die Männchen einer Grabwespenart (Agrogorytes mytaceus). Diese werden sowohl durch die Form der Blüte, doch mehr noch durch die Aussendung von Pheromonen (Sexuallockstoffe) angelockt. Bei den Versuchen, die vermeintlichen Weibchen zu begatten, wird der Pollen übertragen. Dass männliche Wesen, wenn sie erst einmal im Begattungsmodus sind, auf allerlei hereinfallen, ist anscheinend nicht nur auf menschliche Männer beschränkt.