Im Garten beginnt jetzt das Einholen der Früchte. Die letzten Stangenbohnen reifen, die Kürbisse liegen prall und fröhlich bunt im Kraut, Maiskolben schwellen, an den Bäumen die Zweschtgen, die Äpfel, die Birnen.
Ich erlebe diese Erntezeit immer als eine stille Zeit, als eine Zeit der stillen Fröhlichkeit. Viele gleichförmige Tätigkeiten bringen Ruhe in die Seele, das Sammeln, Schnibbeln, Einkochen, Muse rühren, es so vieles, was getan werden möchte, und jedes Tun öffnet ein Fenster in die Ruhe des Winters. Was jetzt in die Lager und Gläser kommt, verschafft im Winter Zeit, die Stille und Andacht des dunklen Teiles des Jahres zu genießen.
Die Regsamkeit der Erntezeit hat nichts zu tun mit dem arbeitssamen nach außen Streben des Frühlings, wo alles Aufbruch und Hoffnung ist. Zwar sind Frühjahr und Erntezeit die arbeitsreichsten Abschnitte des Gartenjahres, doch sind die Qualitäten andere. Ich mag nicht das eine dem anderen vorziehen. Die Erntezeit ist innerlicher, schon das Licht ist ein anderes. Auch werden die Tage mit jedem Tag dunkler. Alles das macht die Seele innengerichteter.
Wenn ich dies schreibe, merke ich, wie ferne dieses Leben mit den Rhythmen des Jahres dem gewohnten Leben in unserer Zivilisation ist. Dort sind die Tage gleich lang, hat der Arbeitstag seine acht Stunden, im gleichen Takt, ob es nun heiß oder kalt ist, dunkel oder hell. In manchen dunklen Augenblicken treten dann Bilder von in Käfigen gehaltenen Hühnern in meine Seele, welche unter Rotlicht leben, in gleichmäßiger Wärme, mit Futter und Medikamenten versorgt.
Schrieb einer in einem Internetforum höhnisch: Hühner gehören in diese Art Haltung, es ist ihnen gemäß, und wenn sie aus ihren Käfigen entlassen werden, dann haben sie Angst vor jedem Regentropfen und sterben ganz schnell.
Dieser wollte damit aussagen, dass er seine Frühstückseier und Hähnchenschenkel zu recht esse, und dass es dem Flügelvieh doch gut gehe. So gut wie den Menschen, welche die Arbeit in den Mastställen machen, acht Stunden am Tag. Für Menschen, welche in großen Häusern leben, zu vielen, das Licht an oder aus schalten, um eine Gleichmäßigkeit im Erleben zu erlangen, und abends dann scheint im Wohnzimmer das "Fenster zur Welt" auf.
Es gibt einige Unentwegte, welche sich der Hühner annehmen, die aus den Mastställen kommen, und ja, es geht: Auch diese lassen sich an Regen und Freiluft gewöhnen, es wachsen ihnen die Federn nach und sie lernen wieder, in der Erde zu scharren. Doch das braucht seine Zeit. Und: Es braucht eine liebevolle Umgebung mit achtsamen und teilnehmenden Menschen.
Die Freiheit wird nicht geschenkt, sie wird sich genommen, und sie braucht ihre Zeit, sich entfalten zu können. Das sollte einjede und einjeder für sich bedenken, welche von den schönen Bildern der fruchtsatten Gärten, der sonnigen Tage der Erntezeit berauscht ist und seufzt: "Ja, das wäre das Leben!". Es gibt hier immer die langen Tage der eintönigen Arbeit, das Hinnehmen der Regentage, wo gar nichts wächst, und das wenige, was sich pflanzen ließ, auch noch verdirbt. Die Sorge, dass es reichen möge. (Dieses Jahr reicht es einmal wieder nicht).
Doch heute scheint eine milde Sonne, die Falter flügeln, die Küche duftet nach dem Mus der Reineclauden, welche die Liebste gerade in Gläser füllt, und der Tag ist selig.
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