Samstag, 29. Dezember 2012

Der letzte Pilz dieses Jahres

"Krause Glucke"  -  Was für eine sinniger Name!

Als ich Ende November bei einem Freund im Taunus gastierte, unter anderem, um unser neues Programm zu Lyrik und Musik einzuüben, machten wir ausgiebige Spaziergänge im schönen Hochtaunus. Da durfte ich noch einmal meinen "Pilzblick" anwenden und wurde fündig. Neben einigen violetten Rötelritterlingen entdeckte ich eine Krause Glucke von der Größe eines ausgewachsenen Basketballs. Zart und jung, noch ohne dunkle Stellen an den Spitzen. 

Das waren zwei Tage "Gluckengeschnetzeltes", einmal zu Kartoffeln, einmal zu Nudeln. Da sie recht sauber gewachsen war, machte auch das Putzen nicht so viel Arbeit. Selbstverständlich mussten die Pilzteile ordentlich gewaschen werden. Dann brauchte nur noch eine ordentliche Menge Knoblauch und ein Apfel (auch ein spätes Fundstück eines freistehenden Apfelbaumes) geschält und fein geschnitten werden, in Butter angedünstet, die Pilzstücke dazu, und ordentlich im Wok durchgegart. (Zwanzig Minuten, die Krause Glucke braucht das, sonst kann sie schwer verdaulich sein). Den Wok offen gelassen, damit das Wasser, welches nach dem Waschen an den Pilzteilen verblieb, verdunsten kann. Zum Schluß ein ordentlicher Klacks Schmand dazu und Salz, etwas Zucker, die gegarten Kartoffelstückchen respektive Nudeln dazu und etwas Pfeffer frisch im Mörser gemahlen, und das "Gluckengeschnetzelte" ist fertig. Nein, noch nicht ganz, um Farbe an den Kladderradatsch zu bekommen, wurden noch Röllchen vom Zwiebelgrün zweier Frühlingszwiebeln dazugegeben. Festtag.

Aber noch ist die Pilzsaison nicht wirklich vorbei: Ich halte Ausschau nach Austernpilzen, Stockschwämmchen und Wolkenohren. Die kann man auch zu dieser Jahreszeit finden.

Montag, 24. Dezember 2012

Zeit für Citrusmarmeladen

Zitrusfrüchte für Marmelade (Orangen plus einer Pink Grapefruit)


Jetzt ist Saison für Zitrusfrüchte, und es gibt sie jetzt wirklich reif (und nicht nachgereift) zu kaufen, sofern ich die aus Spanien zu uns gekommenen nehme. Und es ist die Zeit, Marmelade davon zu kochen. Grapefruit, Blutorangen, Orangen, Mandarinen. . . und mit etwas Glück erwische ich Bitterorangen.

Zur Orangenmarmelade: Ich hab von den Schalen mit dem Zestenschneider dünne Streifen geschnitten, dann die Dinger gepellt, immer schön auch alles Weiße weg, da diese Haut die Marmelade zu bitter macht, die Stücke gedrittelt und Lage für Lage zusammen mit den Zesten eingezuckert und über Nacht stehen gelassen.


Der Fruchtansatz im Topf beim Aufkochen

Am nächsten Tag aufkochen und mit dem Zauberstab pürieren, Geliermittel dazu, noch einmal aufkochen und ab in die Gläser. Wieviel Zucker gebraucht wird, entscheidet das Abschmecken.

Je mehr Zesten hineinkommen, umso kräftiger wird das Aroma. Bei den Bitterorangen kommt die "englische Note" hinzu. Hier nehme ich auf zwei Kilo Bitterorangen zwei dicke fette süße Orangen dazu, denn die Früchte haben wenig "Inhalt", und sonst wäre die Ausbeute mager.

Edel wird die Orangenmarmelade, wenn ich einige Nadeln frischen Rosmarin dazugebe.

Diese Abläufe sind eigentlich bei allen Zitrusfruchtmarmeladen die gleichen. Wir haben es sogar schon mit Zitronen ausprobiert, doch das wurde immer eine recht saure Angelegenheit.

Grapefruitmarmelade lohnt sich größere Mengen zu machen, denn die ist in ihrer erfrischenden Herbheit eine gute Dreingabe für Quarkspeisen. Ganz exquisit: Nur Grapefruitmarmelade und Sahne in den Quark einrühren, und einige frische kleingeschnittene Blättchen Minze unterrühren (am besten japanische) und über Nacht ziehen lassen. Als ich das das erste Mal servierte, waren selbst die verwöhnten Gourmets von Slowfood Bremen, die ich eingeladen hatte, überrascht, ein neues grandioses Geschmackserlebnis zu bekommen.

Hier noch ein Konfitürerezept aus dem schönen Büchlein (ein Flohmarktfund) „Das Einmachen der Früchte und Gemüse mit und ohne Apparat“ von Mary Hahn.

Zitronenkonfitüre

„Sehr gut und sehr gesund. Man wasche 6 schöne Zitronen sauber ab, schneide sie ungeschält lang in Hälften, dann auf einem sehr sauberen Brett mit einem recht scharfen Messer in haarfeine Halbscheiben, wobei man die Kerne entfernt, lege sie in einen irdenen Topf, gieße 2 l kaltes Wasser dazu und lasse das Ganze 3 Tage stehen. Darnach stellt man den Topf aufs Feuer, läßt ihn 2 Std. langsam kochen, bis die Schale ganz weich ist, fügt dann erst 2 kg Zucker hinzu und läßt das Ganze auf lebhaften Feuer noch 1 Std. kochen, bis die Masse ganz klar und durchsichtig ist, wobei man den Schaum abnimmt. Die Masse füllt 6 je ½ l fassende Gläser."

Ich habe es ausprobiert, wobei ich erst einmal große Bedenken wegen der langen Stehzeit (3 Tage!) und dann noch den langen Kochzeiten hatte. Dann sagte ich mir, sie wird schon gewusst haben, was sie schrieb, damals waren Zitronen keine Allerweltsware in Deutschland. Ich nahm zwar keinen irdenen Topf, dafür jedoch eine Jenaer Glasform. Was Mary Hahn nicht erwähnte, ist, dass die Konfitüre zwar klar wird, jedoch einen tiefbraunen Farbton annimmt. Schmeckt eigen, aber sehr lecker.

Ein Erlebnis dabei: Beim langen Rühren des immer fester werdenden Sirups wurde mir ganz warm ums Herz. Richtig warm und ruhig wurde es, so wie ich es bisher noch nicht erlebt hatte. Da erinnerte ich mich daran, dass ich in meiner Handbibliothek noch eine Abschrift einer Übersetzung des Rezeptbuches des arabischen Heilers Ibn Hubal (aus dem 14. Jhd.) hatte. Dort sind viele Heilsirup-Rezepte drin. Die sogenannten rubub sind lange gekochte und mit Zucker eingedickte Pflanzensäfte. Ich schaute nach, und siehe da: der Zitronen-rubub wird unter anderem als herzstärkendes Mittel angepriesen.

Seit dieser Erfahrung sehe ich die Marmeladen-Bereitung noch einmal in einem ganz anderen Licht.

Dienstag, 6. November 2012

Warum ich Gärtner geworden bin


Rosenengel (Foto: Frederike Herrlich)


Jörg ist eine Eindeutschung des aus dem griechischen kommenden Namens Georg. Und Georg wiederum kommt von Geos, der Erde und bedeutet soviel wie "Erdarbeiter", sprich Bauer.

Meine Schwestern heißen Sabine, Sybille, Susanne. Es geht das Gerücht um, dass ich in diese S-Klasse als Siegfried eingereiht werden sollte. Warum das letztendlich nicht passierte, bleibt ein Rätsel, eines jener unergründlichen Familiengeheimnisse, die wohl nie aufgeklärt werden. Und so wurde ich zum Jörg, und damit zum Gärtner, was ja auch ein "Erdarbeiter" ist.

Manchmal frage ich mich jedoch, was wohl aus mir als Siegfried geworden wäre. . .


Rosenengel

Zu Georg,
Ritter von der Rose,
hatte mich mein Sohn gekürt.
Mit seinem Holzschwert
hat er leichter Hand
meine Schultern berührt,
als er fünf Jahr
alt war.
Ich wagte nicht,
es ihm zu sagen,
dass ich kein Ritter
war und bin.
Niemals bereit,
eine Rüstung zu tragen
und auch nicht bereit,
das Schwert zu führen.
Jetzt, da er älter ist,
bitte ich ihn,
mich statt eines Ritters
zum Engel zu küren.
Vielleicht,
so kommt mir in den Sinn,
weil ich Georg,
der Rosenengel bin.

Sonntag, 28. Oktober 2012

Aktion FindeKunst - Herbstsonntag



Heute Abend noch ein sonntäglicher Spaziergang mit einer Freundin zur Galerie Dingefind am Bremer Amtsgericht, und siehe da: wieder verwaist und kunstlos kalt die Mauer. Wie gut, dass wir vorgesorgt hatten, und dieses Mal sonntäglich opulent in einem schönen gefunden Holzrahmen noch einmal die Herbstastern, und, weil es so schön war, auch noch mal das Karussell. Letzteres war noch gar nicht richtig eingestellt in seine Mauernische, und schon blieben zwei Damen stehen, lasen, und schmunzelten hörbar (sofern sich Schmunzeln hören lässt, doch es war so).

Schließlich drapierten wir noch ein großes gelbes Platanenblatt hinter dem großen Holzrahmen und gingen unserer Wege.






                Das Karussell,
                das dreht sich schnell.
                Es verleiht dir Flügelchen.

                Wenn du dir die Hände reibst,
                was siehst du dann?
                Genau: Kleine schwarze Kügelchen


Eintönig



Äpfel der Sorte "Ontario"


                                      Die fünferlei Farben machen der Menschen Augen blind.
                                      Die fünferlei Töne machen der Menschen Ohren taub.
                                      Die fünferlei Würzen machen der Menschen Gaumen schal.
                                      Rennen und jagen machen der Menschen Herzen toll.
                                      Seltene Güter machen der Menschen Wandel wirr.

                                     Laotse, Tao te king (Übersetzung Richard Wilhelm)


Die Ernte der herbstlichen Früchte

Gestern war es soweit. Rauhreif über den Wiesen und Beeten, ein zartweißer Morgen. Der erste Nachtfrost des Herbstes.

Zeit, die späten Äpfel zu ernten. Wir haben einen Apfelbaum, der Sorte "Ontario". Die Äpfel dieser Sorte werden so lange wie möglich am Baum belassen, das heißt, zum ersten leichten Frost wird geerntet. Die Früchte sind dann pflückreif, dick, mehr grün als rot, wie mit einem leichten Wachsfilm überzogen. Durch Lagern werden sie genussreif, so ab Dezember. Dafür können sie sich bei guter Lagerung bis in den Mai hinein halten.

Unser Baum trug dieses Jahr reichlich. Alle makellosen Früchte wurden gestern Stück für Stück von Hand geerntet und in flache hölzerne Lagerkisten gelegt, einzeln, so dass sie sich nicht berühren. Pro Kiste eine Lage, und die Kisten wurden dann im Lagerraum, der kühl aber frostfrei ist, gestapelt.

Es sind genügend Äpfel, dass wir uns für längere Zeit keine kaufen müssen. Das heißt, diesen Winter wird unsere Apfelsorte "Ontario" heißen. Nun gibt es eine große Fülle verschiedener Apfelsorten, einmal die mehr gängigen in den Supermarktregalen, dann die weiteren auf dem Wochen- und Bauernmarkt.

Es gab Zeiten, da hatte jede Region ihre Sorten, was sich teilweise noch in Sortennamen wie "Finkenwerder Herbstprinz" niederschlägt. Wir haben für den Winter eben diesen Apfel, und wir haben uns errechnet, dass unsere Vorräte ein viertel Jahr reichen, wenn wir jeden Tag einen Apfel verzehren.

Das ist nun sehr eintönig. Immer nur diese eine Sorte. Unvorstellbar für die verwöhnten Gaumen der modernen Menschen. Für die Menschen früherer Zeiten war das so. doch die waren halt eintönig.

Doch die Supermarktäpfel mit ihrem Sortenreichtum schmecken trotz der verschiedenen Namen alle ähnlich. Denn es wurde wissenschaftlich errechnet, was der Durchschnittsbürger an die Säure und Süße, an Form, Farbe und Knackigkeit für Ansprüche an "seinen" Apfel erwartet. Die Sorten, welche diesem Durchschnitt am nahesten kommen, verkaufen sich am besten, und daher werden die von den Supermarktleitern geordert. So kommt es, dass sie sich alle ähnlich sind, die vielen verschiedenen Apfelsorten.


In der Lagerkiste


Nun sprach ich mit einer Freundin darüber, ob es uns wohl eintönig werden würde mit unserem Apfel pro Tag. Und wir kamen darin überein, dass jeder Apfel immer anders schmeckt, abhängig davon, welche Laune ich gerade habe; was ich vorher gegessen habe (als Kind habe ich um die Weihnachtszeit oft das Phänomen erlebt, dass Äpfel auf Schokolade ganz "eigen" schmecken), ob der Apfel des morgens aus dem kalten Lager kommt oder aufgewärmt aus der Obstschale in der Küche.

Dazu kommt noch, dass sich die Konsistenz und der Geschmack mit der Zeit im Lager verändern. Das heißt, der "Ontario" vom Dezember ist ein anderer als der im Februar oder April. Wir beginnen uns auf das Erfahren der "Eintönigkeit" zu freuen. . .
(Und ein paar ganz dicke Exemplare sind schon vorgesehen für die winterlichen Bratäpfel, und wenn es uns denn mal gar zu über ist, haben wir auch noch Apfelmus von den Sommeräpfeln im Lager. . .)

Freitag, 26. Oktober 2012

Aktion FindeKunst - Dank für die Rahmenspende



Das Päckchen mit den Rahmen und einem Gruß


Gestern durfte ich ein Päckchen abholen. Inhalt: Neun wunderschöne Rahmen mit Glas in verschiedenen Größen. Dank an Moni aus Bad Kreuznach!

Zwei dieser Rahmen sind frisch gefüllt und werden noch heute in die Galerie Dingefind am Amtsgericht eingestellt. Da es Herbsteszeit ist, bot es sich an, ein Motiv mit Herbstastern zu nehmen, dieses Mal mit Bild; und, da Freimaak in Bremen, die fünfte Jahreszeit, eines zum Thema Karussell. Auch dieses mit Bild. Ein Bild, welches mein Sohn und ich am Computer generiert hatten (mein Sohn war da neun Jahre alt), und welches 2011 neben anderen Teil einer Ausstellung in den Schaufenstern des Modehauses Conradi, Außer der Schleifmühle 1, in Bremen war.




Es vermag ein Ankommen geben.
Es vermag ein Fortgehen geben.
Es vermag ein Dazwischen geben.
Die Blüten der blauen Herbstastern
am Wegrand
sind schwer von der Feuchte des Regens.
Sie neigen ihr Haupt.
Doch dann: Es klart auf.
Die Bläue des Himmels spricht zu den Blüten der Astern.
Sonnenstrahlen trocknen die zartgewebten Blütenblätter.
Sieh! schon richtet sich das erste Haupt auf und erstrahlt im Licht.








                              Das Karussell,
                      das dreht sich schnell.
                   Es verleiht dir Flügelchen.

               Wenn du dir die Hände reibst,
                     was siehst du dann?
           Genau: Kleine schwarze Kügelchen.

Sonntag, 21. Oktober 2012

Aktion FindeKunst: Es geht wieder los!

                  

Noch einmal kurz zum Geschehen: An verschiedenen Orten in Bremen, besonders aber am Amtsgericht in der Innenstadt, tauchen sporadisch kleine gerahmte Reimwerke auf. Wer eines der Werke findet und mitnehmen möchte: Dieses sei gestattet. Da die Rahmen, welche die Werke einfassen, gefunden wurden, ist ihre Anzahl begrenzt. Also: Wer an den KunstFundorten leere Rahmen hinterlässt, kann davon ausgehen, dass diese in kürzester Zeit gefüllt wieder auftauchen.

Wenn andere Künstlerinnen und Künstler Werke dazu stellten, wäre es mir eine große Ehre. Auf dass sich die Galerie Dingefind am Amtsgericht fülle.

Da sich bei mir wieder Rahmen angesammelt haben, und ich auch häufiger wieder in der Stadt bin, geht es weiter mit der Aktion Findekunst.

Um Rahmenspenden wird trotzalledem gebeten!

Fundstücke: Kornelkirschen und Zieräpfel

Kornelkirschen eingezuckert

Noch sind an einigen Sträuchern des Hartriegels die Kornelkirschen zu finden. Die frühreifenden bedecken schon den Boden, die spätreifenden sind noch am Strauch. Das Fruchtmus davon ist genauso lecker wie das von Sauerkirschen. Am besten sind die vollreifen Früchte, die schon herunter gefallen sind. Diese werden gesammelt und gewaschen, ich zuckere sie ein und lasse sie über Nacht stehen. Am nächsten Tag dann mit etwas Wasser aufkochen.

Auch hier muss das gekochte Fruchtmus durch ein Sieb passiert werden, um die Kerne zu entfernen. (Ich kenne eine alte Dame, die die Dinger Kirsche für Kirsche entsteint. Das ist sehr meditativ).


Das Fruchtmus nach dem Kochen und Passieren
  

Ich habe dieses Jahr die Kornelkirschen ohne Geliermittel zu Fruchtmus verarbeitet, das klappte ausgezeichnet. Sie gelieren sehr gut von selbst.

Ein von mir bepflückter Strauch hat statt reinroter Früchte welche mit gelben Fruchtfleisch. Das Fruchtmus davon hat einen Pink-Stich. Leider verliert sich diese Färbung mit der Zeit.


Zieräpfel


Zieräpfel (Crabapple) sind kleine Wildäpfel aus aller Herren Länder und Zuchtformen davon. Es lohnt, sie durchzuprobieren, es sind einige hervorragende Sorten und Arten darunter. Außerdem haben sie teilweise ein wunderschönes Farbspiel, es gibt sie von gelb (Sorte: Butterball) bis hin zu rot mit rotem Fruchtfleisch, welches auch dem Fruchtmus eine schöne Färbung gibt.

Vom Geschmack her sind sie meist herber und weniger süß als "normale" Äpfel. Ich zuckere sie am Abend vorher ein (während ich "normales" Apfelmus direkt einkoche), dabei halbiere ich sie nur und schneide die braunen Stellen heraus. Nach dem Aufkochen am nächsten Tag werden sie durchs Sieb passiert und noch einmal mit dem Pürrierstab bearbeitet, was das Ganze schön sämig macht.

Die Fruchtmuse aus Zieräpfeln schmecken je nach Art und Sorte sehr unterschiedlich und sind eine echte Bereicherung für jede Tafel. In England und auch in den USA sind diese Fruchtmuse weitaus verbreiteter als hier.

Montag, 15. Oktober 2012

Fundstücke: Schwarznüsse (Juglans nigra)



Eines Tages brachte eine Freundin seltsame Früchte mit, welche sie unter einem hohen Parkbaum gefunden hatte: Grüne runde Kullerchen, etwa von der Größe einer Salattomate, mit einer Schale, welche in etwa nach einer Mischung aus Zitrone und Kalmus duftete. Wir standen vorerst vor einem Rätsel. Unter der dicken Schale verbarg sich eine Nuss von Art der Walnuss, und die Schale verfärbte sich bei Verletzung schwarz. Das brachte uns auf die Spur, es musste sich um eine Verwandte der Walnuss handeln.


So war es denn auch: Es handelte sich um die Früchte der Schwarznuss, Juglans nigra, eine nordamerikanische Verwandte der Walnuss, welche hier in Arboreten der Parks Einzug gefunden hatte, und welche im Süden Deutschlands in den Rhein- und Donauauwäldern als Nutzbaum angesiedelt wurde.

Die Nüsse zu knacken ist mühselig, denn sie sind sehr hart. Mir gelang es nur mit Hilfe einer mächtigen Schraubzwinge, Zugang zu finden zum leckeren Inneren, nur um festzustellen, dass die Kerne zwar sehr aromatisch, aber im Vergleich zur Walnuss winzig sind.

Interessanter die Verarbeitung der Schalen: Sie sind dicker als die der Walnüsse und aromatischer. Ich habe sie abgeschält, wobei ich das erste Mal den Fehler machte, keine Küchenhandschuhe aus Latex zu tragen, was mir für die nächsten neun Tage schöne kräftig braune Finger bescherte.


Schwarznusschalen mit Gewürzen im Sud


Die Schalen hab ich lagenweise eingezuckert und über Nacht stehen gelassen. Den sich dabei gebildeten Sirup habe ich abgegossen, dann Wasser über die gezuckerten Schalen gegeben und sie mit etwas Zimt, Ingwer und Kardamom aufgekocht. Schön schwarz war das, was sich daraus bildete. Diesen Kochsud habe ich wieder mit dem Sirup vereint, Geliermittel eingerührt (Apfelpektin) noch einmal aufgekocht, und ab in die Twist-Off-Gläser. So gewann ich ein Schwarznussgelee, welches mich besuchende Feinschmecker immer wieder in Erstaunen versetzt, ob des so ungewöhnlichen Aromas.

Dieses Jahr wird ein Teil der eingezuckerten Schwarznusschalen mit Essigwasser (halb und halb, ich nehme einen Apfel-Honig-Essig) aufgekocht und ziehen gelassen, ähnlich der eingelegten Juninüsse der Walnuss. Das ergibt einen wohlschmeckenden alkoholfreien Aperitif oder Digestiv.

In Maßen genossen sind diese Schwarznussprodukte der Darm- und Lebertätigkeit förderlich. 

Die Schwarznusschale enthält unter anderem Gerbstoffe, ätherische Öle und Juglon, den schwärzenden Farbstoff, der unter aanderem fungizid wirkt und in hohen Dosen giftig ist. Dieser Farbstoff kommt auch in den Schalen der Walnuss vor.


Donnerstag, 11. Oktober 2012

Deutungen: Indianerseele




Wie sollte ein Mensch mit Mitgefühl an dieser Welt nicht leiden?
In welcher Enklave sich aufhalten, um all das Geschehen nicht zu erspüren?

Sicher, es gibt Orte jenseits des Leides, wohl dem, der sie aufzusuchen vermag.
Dort lässt sich die Kraft schöpfen, um weiterhin zu tragen.

Doch schon das Benennen öffnet die Türen dem Zwiespalt.
Ein Wort verlieren kann bedeuten, den Ort verlieren.

Wie wundersam sich zwischen all den schrillen Farben der werbenden Plakate
das sanfte Bunt des Herbstlaubes ausmacht.

Und wenn dieses geläuterte späte Licht der Sonne darauf scheint,
wie warm kann es um das Herz werden!

Dann kommen die Erinnerungen eines schon einmal Dagewesenen,
ganz unvermittelt, und unversehens beugt sich das Haupt vor der Schönheit.

Wie sollte ein Mensch mit Mitgefühl an dieser Welt nicht leiden?
In welcher Enklave sich aufhalten, um all das Geschehen nicht zu erspüren?


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Eher denn Gärtner bin ich Sammler, vielleicht auch Jäger (was das Angeln betrifft), und eine gute Freundin meinte einmal, ich hätte eine Indianerseele (und nicht nur sie, diesen Satz hörte ich mehrmals in meinem Leben). Sei es, wie es sei, doch vielleicht ein Hinweis auf mein unzeitgemäßes Sein, auf mein Leiden an der Welt, wie sie sich heute darstellt.

Nicht viele aus meinem Freundeskreis teilen diese Passionen, vor allen das stundenlange Einsammeln dieser kleinen runden Dinger, den Beeren, gar noch gebückt, wie bei den Waldblaubeeren, das stößt auf Unverständnis.

Ich selber bin dann ganz Wahrnehmung, bin auf eine Art eins mit mir selber, ruhe in meiner alturalten Indianerseele, bin auf geheimnisvolle Art auch eins mit der Umgebung, und manchmal begegne ich auch den seltsamen Seelenwesen der Landschaft, des Waldes, spürbar sind sie dann um mich, und eine bestimmte Art Helligkeit liegt über allen, und das innere Geplapper der Gedanken verebbt, und es beginnt eine innere Zwiesprache.


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 Als mein Sohn zweieinhalb Jahre alt war, er konnte sich schon ganz gut verbal verständigen (und sich mit Hühnern unterhalten, aber das ist eine andere Geschichte), kamen wir auf dem morgendlichen Gang in die Krabbelgruppe auf dem Weg durch einen Park an einem gefällten Baum vorbei, einer ehmals mächtigen Weide. Diese fiel übrigens nicht einem Pilzbefall oder einem anderen Übel zum Opfer, welches eine Fällung aus Gefährdungsgründen notwenig machte, sondern dem Renommee eines Landschaftsarchitekten, welcher merkte, dass dieser Baum seine "Sichtachsen" bei der Neugestaltung der Anlage störe.

Mein Sohn also sah diesen gefällten Riesen am Boden, und sein Antlitz wurde unendlich traurig, und er fragte mich: "Warum?". Ich konnte ihm nur antworten, dass ich keine Antwort wüsste, und traurig gingen wir weiter.

(Zu den Hühnergesprächen: Wir waren mit der Krabbelgruppe auf einem Pferdehof, wo sich auch ein umzäuntes Hühnergehege befand. Als ich meinen Sohn vermisste und suchte, fand ich ihn sitzend vor dem Zaun des Geheges, die Hühner auf der anderen Seite. Ich schaute zu: Es war sichtlich etwas im Gange, und eine wundersame Atmosphäre über allem. Die Hühner waren meinem Sohn sichtlich zugewandt. "Ich spreche mit ihnen", war seine Antwort auf meine Frage, was er da tue. "Und, was sagen sie?". "Sie wollen da raus.".

Ich bin heute noch davon überzeugt, dass da ein echtes Gespräch stattgefunden hat, wie auch immer.)



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 "Sie (die Seminolen, ein nordamerikanischer Indianerstamm) scheinen frei von Wünschen und Begehren zu sein. Kein grausamer Feind zum Fürchten; nichts, das ihnen Beunruhigung bereiten könnte, außer den allmählich zunehmenden Übergriffen der Weißen. Solcherart sich behauptend und ungestört, erscheinen sie munter und frei wie die Vögel in der Luft, und wie diese fröhlich und tatendurstig, harmonisch und lärmend. Der Anblick, die Bewegungen und das Verhalten der Seminolen stellen das meist beeindruckende Bild von Glücklichsein in diesem Leben dar; Vergnügen, Lebenssinn, Liebe und Freundschaft, ohne Tücke oder Erregungszustände, scheinen ihnen angeboren oder in ihrer lebendigen Geisteshaltung vorherrschend zu sein, denn sie verlassen sie erst mit dem letzten Atemzug."

William Bertram, 1739 - 1823, "Reisen durch Nord- und Süd-Carolina, Georgia, Ost- und West-Florida, das Cherokee Land etc.."


Was wäre gewesen wenn ich als "Indianerseele" dort geboren wäre und nicht hier und jetzt? Was hätte mein Sohn dort an Empfindungsreichtum, der ihm innewohnte behalten können? Müßig wohl zu fragen.


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Schon bald durfte mein Sohn erkennen, dass die Welt anders ist, dass nicht alle Wesen ihm wohlgesonnen sind. Ich weiß noch, wie erstaunt und erschrocken er war, als das erste Mal ein Hund nach ihm schnappte, dem er so vertrauensvoll entgegen ging. Später dann musste er lernen, dass auch Menschen "schnappen" können. Er lernte, sich in diese Welt, so wie sie ist, einzupassen. Doch noch heute blitzt bei ihm manchmal eine Trauer auf, ähnlich der, die er wohl empfand, als er des gefällten Baumes ansichtig wurde.

Doch in seiner frühen Unbefangenheit im Umgang mit der Welt hatte er mich zu folgendem Gedicht inspiriert:

Dingefinderkinder sind die wilden Kleinen,
die mit großen Augen staunend durch die Welt spazieren.
Verzückt und ganz mit sich im Reinen
können sie sich in große Kleinigkeiten ganz verlieren.

Dann stehen sie, als wären sie auf einem anderen Planeten,
eine wundersame feengleiche Aura umgibt die Gegenwart.
Still verharrend, wie in ungesprochenen Gebeten,
staunen sie über einen bunten Kiesel auf dem Pfad.

Manchmal, wenn du den Dingefinderkindern nahe bist,
wirst du mit einbezogen in ihr zeitloses Gewahrsein.
Du tauchst in ihre Welt ein, die so anders ist,
nimmst Teil an ihrem seelenvollen Dasein.

Dann glänzt auch dir in jedem Kiesel eine ganze Welt,
ein ganzes Weltall gar, ein Orbit ohne Worte.
Es ist, als ob ein großer Engel dich in seinen Händen hält,
der dich vertraut mit einbezieht in unbekannte Orte.

Da springt in diese Anderswelt ein Kaninchen querfeldein.
Von einem Augenblick zum andern vergisst das Kind den Kieselstein,
und dann geht’s sturzbeglückt und lachend dem Kaninchen hinterdrein.
Wie aus einem Traume aufgewacht, stimmst du in dieses Lachen ein.


Montag, 28. Mai 2012

Die hohe Zeit der Rosen


Rosengelee


Blüten von Rose de Resht und Louise Odier
Jetzt beginnt die hohe Zeit der Rosen. Hier in Bremen sind sie nach den warmen Tagen der letzten Zeit mit Macht zum Blühen gekommen. Gestern war ich in meinem früheren Garten, in dem ich Rosen in mehreren Sorten gepflanzt hatte, unter anderem die Damaszener-Rose Rose de Resht, die Alba-Rose Königen von Dänemark und die Rose Louise Odier. Ich kam nicht umhin, mir einige Blüten für den Ansatz eines Rosengelees zu sammeln.

Das Grundrezept ist denkbar simpel: Rosenblüten von gerade aufgeblühten duftenden Rosen werden frühmorgens geerntet, die Blütenblätter abgezupft, so dass keine grünen Kelchblätter dabei sind. Wer es ganz genau nimmt und besonders fein haben möchte, schneidet auch noch den unteren helleren bis grünlichen Teil der Blütenblätter mit einer Schere ab. Diese werden sofort in eine Glasschüssel getan und eingezuckert. Dazu nehme ich möglichst einen raffinierten "neutral" schmeckenden Zucker (den gibt es mittlerweile auch in Bioqualität), da das Rosenaroma, besonders von den Heckenrosen, so subtil ist, dass es von anderen Aromen schnell überlagert werden kann.
Der Rosen-Zucker-Ansatz darf 24 Stunden ziehen. Am nächsten Tag wird er in einen Topf gefüllt, mit Wasser übergossen und einmal aufgekocht. Er sollte wirklich nur einmal kurz sprudelnd kochen und dann vom Feuer genommen werden. Die Rosenblütenblätter werden abgesiebt und das Geliermittel eingerührt.

Noch einmal drei Minuten kochen lassen, Gelierprobe machen, und in sterilisierte Twist-Off-Gläser randvoll abfüllen.

Die empfehlenswerteste Rosensorte für dieses Gelee ist die Damaszenerrose Rose de Resht. Sie nimmt mit auch mit ärmeren Böden vorlieb, ist sehr pflegeleicht, hat einen guten und starken Rosenduft und ist, im Gegensatz zu vielen anderen historischen Rosen remontierend, das heißt, sie blüht nach einer Pause wieder. Dieses kann unterstützt werden, wenn man die verblühten Rosen bis auf das erste fünfzählige Fiederlatt ausschneidet.

Dieser Rosen-Zucker-Ansatz kann aber auch im Verhältnis 1 : 3 einem Erdbeermus beigemischt werden, und daraus wird dann eine Erdbeer-Rosen-Marmelade bereitet. Ansonsten sind Mischngen und Beimischungen mit und zu Rosen nicht zu empfehlen, bis auf Vanille, welche, behutsam angewendet, das Rosenaroma angenehm unterstreicht.

Wenn ich zu dem Rosenansatz nur wenig Geliermittel gebe, so, dass er gerade etwas dickflüssiger wird, sirupartig, und noch etwas Zitronensaft dazu tu, dann habe ich den Grundstoff für eine Rosenbowle, wenn ich ca. 1  :  4  mit stark kohlesäurehaltigem Wasser aufgieße. 

Rosenengel. Foto: Frederike Herrlich






                      Sphinx


Am Ende der Nacht stellte ich selber die letzte Frage:
Was ist das für ein Lied, welches Du singst?“
Sie öffnete die Tür dem beginnenden Tage:
Es duftet nach Rosen“, sagte die Sphinx.








Das Rezept ist entnommen dem Heft "Kunterbunte Gartenküche"


Das Heft kostet 8,-- € und kann bei mir bestellt werden.
Die Erlöse kommen dem Naschgartenprojekt "Freche Früchtchen"
in Bremen zugute und werden ausschließlich für Sachmittel wie
Pflanzen, Dünger etc. verwendet.








Montag, 14. Mai 2012

Finden im Mai. . .

Mairitterlinge
Spätestens jetzt beginnt wieder die hohe Zeit des Herumstreifens in der Landschaft für mich. Jeden Tag kommt neues hinzu, die Stängel des Großen Weidenröschchens nehmen beachtliche Höhen an, und werden jetzt geerntet als willkommener "Wildspargel", Giersch wird zu Pesto verarbeitet, ach, man kann mit dem Ernten gar nicht nachkommen. Die Landschaft ist freundlich, sie gibt großzügig, so dass ich zu dem ganzen Grünzeug auch noch Pilze ernten darf, Mairitterlinge, um eine Landschaftsmahlzeit zu komplettieren. So schlecht scheint das Leben der früheren Sammlerinnen und Jäger doch nicht gewesen zu sein. . .

Weißdornblüten
Auch für Heilkräftiges ist gesorgt: Überall blüht nun der Weißdorn, und wer sich jetzt nicht seine Ration für eine Weißdornblüten-Teekur holt, ist selber schuld. Sorgsam gepflückt und schonend getrocknet bekomme ich eine Qualität, die es so nicht zu kaufen gibt. In der dunkleren Jahreszeit mache ich dann die Kur, morgens und abends eine Tasse Tee von den getrockneten Blüten über mehrere Wochen hinweg. Mein Herz wird es danken, den Weißdorn ist ein anerkanntes Herzstärkungsmittel. Ohne Nebenwirkungen.

Zuguterletzt: Selbstverständlich übernehme ich keine Haftung für missglückte Sammelversuche, der Mairitterling lässt sich von unerfahrenen Sammlerinnen und Sammlern durchaus mit dem giftigen Mairisspilz verwechseln. Hier gilt: Nur sammeln, was genauestens gekannt wird. Das gilt für Kräuter ebenso. Auch meine Fotos helfen da nicht weiter. Am besten ist es, sich erfahrenen Samlerinnen und Sammlern vor Ort anzuschließen. Ich gebe hier nur Anregungen. 

Donnerstag, 10. Mai 2012

Geschichten vom Transzendentalen Dachboden: Zwischen den Zeiten

Es gibt diese Zeiten zwischen den Zeiten, wo sich im scheinbaren Stillstand das Neue gestaltet. Oft werden in unserer Art der Zivilisation diese Zeiten übersehen, sie kommen nicht zum Blühen, das allzu hastige Tätigsein lässt daran vorbei hetzen. Während ich dieses schreibe, oben in der Ruhe des Dachbodens, das Rauschen des Regens ist gerade verebbt, beginnt eine Amsel zu singen. Es ist mein Liebling unter den singenden Amseln, ich erkenne sie sofort, sie hat ein paar so typische und von mir in dieser Form noch nicht gehörte Schlenker und Triller in ihrer Darbietung, dass ich jedesmal schweigend herzberührt lausche.

Gestern ging ein Sturzbach vom Himmel hinunter, Wasserschwälle, begleitet von Hagel, Donner und Blitz. Und inmitten des Unwetters ein Regenbogen, kurz sichtbar, da einige Sonnenstrahlen sich durch die dunkle Wolkendecke mogelten. 

Es gibt diese Augenlicke, in denen alles mit allem verbunden ist, das Wetter zur Stimmung passt, die Regenbögen und Gesänge, genauso wie die Regenschwälle und die kleinen Sonnenstrahlen, Winke sind, kleine Anmahnungen: So ist die Zeitqualität jetzt. Wehe dem, das Herz ist in diesen Augenblicken nicht geöffnet dafür. Wenn Gott oder die Göttin spricht, dann tun wir gut daran, zu lauschen. Doch sind wir viel zu oft damit beschäftigt, selber zu beten. Um dieses und jenes zu bitten, und dann kommt noch das "Ora et labora", bete und arbeite, und eh wir uns versehen, ist der Gesang der Amsel verstummt und der Regenbogen ungesehen verschwunden. . .

Donnerstag, 19. April 2012

Geschichten vom Transzendentalen Dachboden: Zuneigung


Vielleicht liegt es ja doch daran, dass ich oft und gerne vor meinem Ostfenster sitze und die aufgehende Sonne begrüße: Vor meinem Klein Häuschen steht ein Frühzwetschgenbaum, und dessen Zweige befinden sich direkt in Höhe des Daches. Letzten Sommer konnte ich die Hand aus meinem Dachfenster strecken und süße Pfläumchen ernten. 

Dieses Frühjahr nun folgendes Bild: Der Zwetschgenbaum voller Blütenknospen, und diejenigen Knospen, welche an dem Zweig sitzen, welcher dem Fenster am nächsten ist, sind schon geöffnet. Feundliche Blüten, die mich des morgens begrüßen. 

Sicherlich gibt es dafür alle möglichen Erklärungen, nah am Klein Häuschen ist es wärmer, geschützter, und dergleichen mehr. Doch gefällt mir die Vorstellung, dass mir dieser Baum so seine Zuneigung zeigt. Können Bäume lieben? Ich jedenfalls kann einen Baum lieben, und diesen besonders, ist er doch mein täglicher Morgenbegleiter. Also nehme ich einmal an, dass wir uns mögen, und der Baum hat seine eigene Sprache, dies auszudrücken. Ich brauche nur zu verstehen. . . Diese Vorstellung gefällt mir. 

Wenn ich dieser Vorstellung Raum gebe, sehe ich mit einem Male eine beseelte Welt um mich herum. Es gibt geheime Verbindungen überall, und die Vögel singen Lieder, mir verständlich, die Blüten zeigen mir ihre Düfte und Farben und freuen sich über das Gesehenwerden beim Gartenrundgang, und mich durchzieht das Gefühl: Wir gehören zueinander. Wie schön die Welt doch ist. . . 


Dienstag, 17. April 2012

Mehr aus dem Tierleben



Habe in der Nacht gewacht.
Katerlein schlich durch die Nacht.
Hat Krach gemacht.
Ich hab gedacht,
bald ist es acht.
Und dann gelacht.



Das entliche Häslein

Eine Hasenmutter ein Häslein gebar,
das wuchs heran und wurde sonderbar.

Es hatte einen Schnabel, um die Mutter zu begrüßen
und Schwimmhäute an den Hinterfüßen.

Auf dem Kopfe etwas, das wie ein Geweih aussah
und am Hinterteil ein Kringelschwänzchen gar.

Das geschah in Germaniens hohem Norden.
Wäre es in Bayern geschehn, wär´s ein Wolpertinger geworden.



Der Specht

Ein Specht, der trommelte so vor sich hin,
auf einem morschen Baumast.

Taketina tamtam

Das störte seine Nachbarin,
der waren die Synkopen verhasst.

Taketina tamtam

Die wünschte sich ganz ungefragt
Dreivierteltakt.

Tam ta ta tam ta ta tam

Doch der Specht, der sagte sich,
was ich nicht will, das kann ich nicht.

Taketina tamtam





 


Montag, 16. April 2012

Was ein(e) Dingefinder(in) ist und wie man Dingefinder(in) wird. . .


Der Dingefinder, sein Sohn und die Entdeckung der Zeithaberin


Eingang zu Fockes Garten in Bremen. Foto: Jörg Krüger


Der Dingefinder und die Zeithaberin, bzw. die Dingefinderin und der Zeithaber (oder sie/sie oder er/er), sind ein Liebespaar. Das heißt: ohne Zeithabe kein Dingefind und vice versa. Meine Entdeckung der inneren Zeithaberin entsprang meinem geduldigen Spazierenstehen mit meinem Sohn in seinen ersten Jahren. Die eigentliche Vermählung mit meiner inneren Zeithaberin fand statt, als ich ausgestiegen wurde. Nach einigen Monaten loser Arbeit entließ ich mich geheilt als Dingefinder aus der Gesellschaft. In der darauf folgenden Zeit begann ich damit, konsequent durch diese Entlassung zu gesunden.

Auf der Suche nach einem vierblättrigen Kleeblatt für eine liebe Freundin hörte ich von meinem damals fünf Jahre alten Sohn folgendes: „Papa, ich finde keines!“ (Während er angestrengt auf den Boden starrend durchs Gras stapfte) „Eigentlich kann man vierblättrige Kleeblätter gar nicht suchen, man kann sie nur finden.“

Fernsehsprecher: „Das unendliche All. . .“, Dingefinders Sohn (vier Jahre alt): „Alle Alle sind unendlich.“ So fand ich die Weisheit, ohne Löffel.


Was tut ein Dingefinder?

Er geht. Er leugnet die Herkunft des Menschen von den Sammlerinnen und Jägern nicht und empfindet das Erstellen von Pyramiden, Schnellstraßen und Wolkenkratzern nicht als ein Zeichen von Hochkultur. Sammlerinnen und Jäger hinterließen kaum Spuren.

Der männliche Dingefinder findet seine weibliche Seite, die Zeithaberin. Das wird sein erster Fund. Er wird zum Anbeter der Göttin der kleinen Dinge und findet weiteres. Was er nicht findet: Sich selbst oder das Gesetz der großen Wahrheit oder „den Weg“ oder . . .

Ein jedes Ding findet sich zur rechten Zeit am rechten Ort:

„Manchmal bin ich nur ein Sänger
doch was wollte ich denn mehr?
Ich bin dann wie ein Schmetterling
Außen bunt und innen leer.“

So finden sich zum Beispiel Lieder. Es finden sich Bilder in Wolken und Winke in Baumkronen. Ein Dingefinder findet immer den richtigen Weg. Der richtige Weg ist der, auf dem er das Richtige findet.


Wie wird jemand Dingefinder?

Dingefinder wird man nicht. Plötzlich ist man es. Du gehst des morgens sinnierend deine gewohnten Pfade. Zur Arbeit, Morgenspaziergang. Und da findest du zum Beispiel eine wundervoll gemaserte Kastanie frisch vom Baum. Dann findest du vier abgebrannte Streichhölzer. Schließlich noch zwei kleine, dicke Eicheln und vier Eichelhütchen. Und eh du dich versiehst, sitzt du am Wegesrand in der Sonne, zückst dein Taschenmesser und bastelst dir ein Fabeltier. Den Esel von den Bremer Stadtmusikanten. Das Mondenkalb. Und schon kommst du zu spät irgendwohin. Oder gar nicht. Deine Freiheit beginnt sich auszuweiten.

Nach einiger Zeit beginnst du damit, das Finden der kleinen Dinge zu kultivieren. Und siehe da: überall lauern kleine Mitbringsel auf dich: Sternchen in verschiedenen Größen und aus verschiedenen Materialien, Eichelhäherfedern, bunte Steine. Ich habe eine Zeit lang andauernd Fahrradklingeldeckel gefunden. Immer wieder Fahrradklingeldeckel. Bis ich mir ein Fahrradklingeldeckelxylophon bauen konnte.

Schließlich merkst du, dass das „ziellose“ Umherstreifen und Dingefinden gepflegt sein will. Dass du Zeit brauchst. Und du siehst immer mehr Tätigkeiten und Bindungen, die dir die Zeit nehmen. Wenn du dich der Zeithabe intensiv hingibst, wirst du irgendwann deine Zeithaberin finden, oder deinen Zeithaber. Je näher du deiner Zeithaberin kommst, um so mehr Dinge wirst du finden, die dir den Weg zu ihr zeigen. Wenn du deine Zeithaberin gefunden hast, seit ihr ein schönes Paar: der Dingefinder und die Zeithaberin. Es ist, als würdest du eine andere Welt betreten.


Ist es jeder und jedem möglich, Dingefinderin oder Dingefinder sein zu können?

Wie kann jemand etwas werden, das nie geworden sein kann? Kann eine Hyazinthe beschließen eine Hyazinthe zu werden? Der Ursprung der Menschheit ist das Dingefinden. Noch einmal: Ohne Zeithabe kein Dingefind. Eine Lebensentscheidung. (Mein Sohn ist in dieser Hinsicht der Meinung, man muss nur zum richtigen Zeitpunkt auf den Boden blicken, alles weitere wird sich finden).

Viel Spaß beim Finden des Zeithabers, der Zeithaberin und beim Dingefinden!

Dienstag, 10. April 2012

Der große Weg hat kein Tor. . .

. . . so hieß das Buch, welches ich von einer guten Freundin anlässlich unseres Einzugs in ein Bauernhaus zusammen mit Freundinnen und Freunden geschenkt bekam. Das war Mitte der achtziger in Ostfriesland, unser Landprojekt sollte später den Namen "Arbeitsgemeinschaft Moorhof" bekommen.

Der Autor dieses Buches ist ein Japaner namens Masanobu Fukuoka, und schildert den Weg dieses Bauernsohnes hin zu einer Landbaumethode, die er "Nicht-Tun-Anbau" nennt. In seiner Schlichtheit und Geradlinigkeit war diese Anbaumethode für mich sehr inspirierend, besonders da ich selbst stark von Laotses Schiften beeinflusst war, und vieles davon, praktisch angewendet, bei Fukuoka wiederfand.

So machten wir geborenen Stadtkinder uns auf den Weg, Getreideanbau zu erlernen. Wir wollten auch eine ähnliche Anbauweise entwickeln wie unser japanisches Vorbild, ohne Pflügen und in Handarbeit. Experimentieren konnten wir auf einem Hektar Acker und einem Stück Land nahe einem Waldstreifen, wo wir eine mehrjähige Roggenart anbauten, den Jöhannis- oder Waldstaudenroggen.

Als ich einen Bauern sah, der noch in althergebrachter Weise sein Korn mit der Sense erntete, war ich Feuer und Flamme und bot mich an, ihm zu helfen. Erstaunt und erfreut wurde mein Ansinnen aufgenommen, und das Erlernen der Getreideernte von Hand machte mich selbstbewusster. Nun ging das Vorbereiten des Ackers nicht ohne Pflügen ab, wir hatten einen kleinen, leichten Traktor, der auf dem Moorboden, den wir bewirtschafteten, nicht einsank, und an den wir einen Einschar-Gestellpflug hängten, mit dem wir unseren neuen Acker vorbereiteten. Das Einsäen ließen wir uns wieder von dem alten Bauern zeigen, es dauerte etwas, bis der richtige Schwung da war und die Körner gleichmäßig fielen.

Doch wir konnten im darauf folgenden Jahr unseren Roggen ernten. Ich hatte mir mittlerweile eine Windfege, "Stovmöhl", besorgt, mit der wir nach dem Dreschen das Korn reinigen konnten, und es gab erstes eigenes Roggenbrot. nach diesem Erfolg wollten wir uns tiefer in Fukuokas Anbauweise einarbeiten, doch leider mussten wir im Folgejahr den Hof abgeben. Der Besitzer war verstorben und die Erbengemeinschaft kündigte den Pachtvertrag. Uns verteilte es in alle Winde.

Später, nach einer Zeit als wandernder Gärtner, die mich durch Höfe und Projekte im In- und Ausland führte, lernte ich, dass Fuluokas Methode eben. . . Fukuokas Methode war. Dass der große Weg eben wirklich kein Tor hat, und Nachahmen kein Weg ist, der für mich beschreitbar war. Ich musste und ich durfte meinen eigenen Weg in den Garten finden, und der ist entschieden ein gärtnerischer. Von Fukuokas Methode ist da wenig zu finden. Von Fukuokas Geist sehr viel. Und so hat auch mein Gartenweg kein Tor. . . 

Samstag, 7. April 2012

Nützliche Dinge für die Gartenarbeit

Prüfe, womit du bindest. . .

Es gibt nützliche Dinge im Gartenbau. Ich selber bin da etwas traditioneller eingestellt, und was ich nutzbringend empfinde, sind oft auch die tradtionellen Produkte. Neben dem, dass im Garten dieses oder jenes geschnitten werden muss, muss auch das eine oder andere gebunden werden: Stauden zusammengebunden, kleine Bäumchen angebunden, Kletterpflanzen geleitet werden. Unentbehrlich im Garten für mich ist der papierumwickelte Draht zum Rebenbinden (Foto, Mitte), im Weinbau entwickelt. Der Draht ist stabil, ich fixiere damit alles mögliche auf die Schnelle. Besonders beim Leiten der Triebe von den Kletterpflanzen ist er unübertroffen. Einige der Drahtenden führe ich immer bei mir. Der große Vorteil ist, dass das Material, der Witterung ausgesetzt, binnen eines Jahres brüchig wird und somit nicht einwachsen kann. Gerade kürzlich habe ich so ein Desaster bei einigen herabgebundenen Zweigen von jungen Obstbäumen gesehen. Da ist die Sollbruchstelle im späteren Astwerk vorprogrammiert.

Für das Anbinden von Bäumen und auch Fixieren von größeren Zweigen benutze ich Kokosgarn (links im Bild), auch ein schönes Material, welches sich gut anfühlt und auch ästhetisch in den Naturgarten passt. Beim Anbinden der jungen Bäume am Pfahl wird darauf geachtet, dass keine Schlingen um den Stamm gebildet werden, die den Stamm im Wachstum einschnüren können.

Drittes Bund im Bunde: Rechts der Gärtnerbast. Davon hängt immer ein Bund im Schuppen, zum schnellen Zugriff. Damit werden die Stauden an den Haselnusszweigen oder Tonkingstäben zum Stabilisieren hochgebunden, Blumensträuße zusammengehalten, und und und. . . 

Es gibt Dinge, die immer zur Hand sein sollten. . . 

Dienstag, 3. April 2012

Geschichten vom Transzendentalen Dachboden

Nach den gestrigen Aktivitäten im Stadteil, überhaupt, nach dem stürmischen Frühlingsbeginn mit dem Start des Naschgartenprojektes, geradezu aus der Hüfte, den ersten Aktivitäten dazu, Presseterminen, Gesprächsrunden, Planungsrunden, Besucher, nach dem Beginn des Gartenjahres mit Obstbaumschnitt und Aussaaten, dazu noch der Besuch des Sohnes, die Tätigkeit an zwei Abenden im Nachbarschaftshaus, die gedankliche Vorbereitung auf die Fischereiprüfung, das Schreiben von Dingen wie diesem für die liebgewordenen Netze. . . 

. . . so viel, wie es sich liest, war es denn auch. So habe ich heut den Regen und die feuchte Kälte als Anlass gesehen, heute einmal einfach nichts zu tun. Nicht einfach nur "nichts" im nützlichem Sinne, der Regeneration dienend, oder einem anderen Zweck, nein, einfach nichts. Faulenzen bis an die Grenze zur Langeweile. 

Erstaunlich: Es geht. Das Nichtstun nur manchesmal unterbrochen, um für das leibliche Wohl zu sorgen, nichts kochen, wohlgemerkt, aber dem Impuls folgend einen Obst- Gemüsemixdrink herzustellen, verfeinert mit einem Schuss Rosenwasser. Dann, zum Durstlöschen, einen leicht gesalzenen Joghurt-Gurke-Mineralwasserdrink. Das war es denn schon wieder.

Nein, ich habe nicht meditiert. Ich habe ansatzweise damit begonnen, ein Gedicht zu schreiben, ich war eine Runde spazieren, ich habe Musik gehört, fünfziger-Jahre-Jazz, hab. . . ja, was eigentlich?

Ich habe mich auf meinem Transzendentalen Dachboden eingemummelt und war einfach glücklich. Das ist alles. . . 

Doch, etwas gab es noch: Ich hab ein bisserl in meinem Lesebuch geblättert. Und erfreut habe ich mich daran (und für morgen freue ich mich wieder auf den Schreibtisch):


 
     Prolog



Ich sitze hier am Schreibtisch
Und schreibe hier Gedichte,
Indem ich in die Tinte wisch
Und mein Gebet verrichte.

So gibt sich spiegelnd Vers an Vers
In ölgemalter Glätte,
Nur selten fragt man sich: Wie wär´s,
Wenn es mehr Seele hätte?

Die Seele tut mir garnich weh.
Sie ist ganz unbeteiligt.
Nackt liegt sie auf dem Kanapee
Und durch sich selbst geheiligt.

Des Abends geh ich mit ihr aus,
Im Knopfloch eine Dahlie.
Ich selber heiße Stanislaus,
Sie aber heißt Amalie.


Klabund (1890 - 1928)

Sonntag, 1. April 2012

Geschichten vom Transzendentalen Dachboden


Mein Klein Häuschen mit dem Apfelgarten drumherum, mit dem Gemüsegarten, den behaglichen Gehölzen, die es beschützen, mit den Feldhasen, Buchfinken, Grünspechten, Igeln, die es besuchen, mit den vielen kleinen gefundenen Dingen im inneren, dieses Klein Häuschen hat auch einen Dachboden. Dieser ist mit Holz ausgekleidet und gerade hoch genug, dass ich in der Mitte gerade stehen kann. Das Häuschen ist nach der Ost-West-Achse ausgerichtet, und der Dachboden hat in jeder dieser beiden Himmelsrichtungen jeweils ein Doppelfenster. Beim Ostfenster habe ich einige meiner Lieblingsdinge aufgestellt: Die große Pazifikmuschel, welche mir meine Eltern von einer Kreuzfahrt mitbrachten, meinen Seelenstein, ein fast dreieckiges Stück Flintstein mit dem Abdruck eines urzeitlichen See-Igels, all seine fünf Strahlen im Kreis; eine Glasmurmel, etwa vom Durchmesser einer Walnuss, eine gläserne Nachbildung unseres blauen Planeten; eine Bergkristallkugel mit Turmalineinschlüssen, Geschenk der Liebsten.

Hier sitze ich oft des morgens und schaue der Sonne beim Aufgehen zu. Dann kann ich auch eins ums andere Mal eines der Tiere sehen, welche den morgendlichen Garten durchstreifen. Manchmal brumme ich einige selbsterfundene Lieder vor mich hin - hier hört mich ja keiner.

Auch befinden sich meine Lieblingsbücher hier oben. Einige Selbstgeschriebene, doch auch die Bände, welche sich im Laufe eines langen Leselebens angesiedelt haben: Erich Kästners „Lyrische Hausapotheke“, Klabunds „Chinesische Gedichte“, die „Landschaften des Bewusstseins“ von Gary Snyder, dem amerikanischen Dichter der Schildkröteninsel, Luisa Francias „Die 13. Tür“, daneben Rezeptbücher, Gedichtbändchen, das eine und andere Philosophie- und Weisheitsbuch, Kräuter- und Gartenbücher, Kinderbücher, Märchen und Geschichten in bunter Reihenfolge.

Wenn es denn draußen vom Wetter her so schedderig ist, dass man den Garten Garten sein lassen möchte und sich nur noch in warem Wolldecken einmummeln, dann ist es soweit, dann wird sich eines der Bücher gegriffen, und gelesen. Heute war es einmal wieder die folgende Geschichte, eine rechte Dingefindergeschichte, wie ich finde:

 
Novalis - Die Lehrlinge zu Sais


Mannigfache Wege gehen die Menschen. Wer sie verfolgt und vergleicht, wird wunderliche Figuren entstehen sehn; Figuren, die zu jener großen Chiffernschrift zu gehören scheinen, die man überall, auf Flügeln, Eierschalen, in Wolken, im Schnee, in Kristallen und in Steinbildungen, auf gefrierenden Wassern, im Innern und Äußern der Gebirge, der Pflanzen, der Tiere, der Menschen, in den Lichtern des Himmels, auf berührten und gestrichenen Scheiben von Pech und Glas, in den Feilspänen um den Magnet her, und sonderbaren Konjunkturen des Zufalls, erblickt. In ihnen ahndet man den Schlüssel dieser Wunderschrift, die Sprachlehre derselben, allein die Ahndung will sich selbst in keine feste Formen fügen, und scheint kein höherer Schlüssel werden zu wollen. Ein Alkahest scheint über die Sinne der Menschen ausgegossen zu sein. Nur augenblicklich scheinen ihre Wünsche, ihre Gedanken sich zu verdichten. So entstehen ihre Ahndungen, aber nach kurzen Zeiten schwimmt alles wieder, wie vorher, vor ihren Blicken.


Von weitem hört ich sagen: die Unverständlichkeit sei Folge nur des Unverstandes; dieser suche, was er habe, und also niemals weiter finden könne. Man verstehe die Sprache nicht, weil sich die Sprache selber nicht verstehe, nicht verstehen wolle; die echte Sanskrit spräche, um zu sprechen, weil Sprechen ihre Lust und ihr Wesen sei.
Nicht lange darauf sprach einer: »Keiner Erklärung bedarf die heilige Schrift. Wer wahrhaft spricht, ist des ewigen Lebens voll, und wunderbar verwandt mit echten Geheimnissen dünkt uns seine Schrift, denn sie ist ein Akkord aus des Weltalls Symphonie.«
Von unserm Lehrer sprach gewiß die Stimme, denn er versteht die Züge zu versammeln, die überall zerstreut sind. Ein eignes Licht entzündet sich in seinen Blicken, wenn vor uns nun die hohe Rune liegt, und er in unsern Augen späht, ob auch in uns aufgegangen ist das Gestirn, das die Figur sichtbar und verständlich macht. Sieht er uns traurig, daß die Nacht nicht weicht, so tröstet er uns, und verheißt dem emsigen, treuen Seher künftiges Glück. Oft hat er uns erzählt, wie ihm als Kind der Trieb die Sinne zu üben, zu beschäftigen und zu erfüllen, keine Ruhe ließ. Den Sternen sah er zu und ahmte ihre Züge, ihre Stellungen im Sande nach. Ins Luftmeer sah er ohne Rast, und ward nicht müde seine Klarheit, seine Bewegungen, seine Wolken, seine Lichter zu betrachten. Er sammelte sich Steine, Blumen, Käfer aller Art, und legte sie auf mannigfache Weise sich in Reihen. Auf Menschen und auf Tiere gab er acht, am Strand des Meeres saß er, suchte Muscheln. Auf sein Gemüt und seine Gedanken lauschte er sorgsam. Er wußte nicht, wohin ihn seine Sehnsucht trieb. Wie er größer ward, strich er umher, besah sich andre Länder, andre Meere, neue Lüfte, fremde Sterne, unbekannte Pflanzen, Tiere, Menschen, stieg in Höhlen, sah wie in Bänken und in bunten Schichten der Erde Bau vollführt war, und drückte Ton in sonderbare Felsenbilder. Nun fand er überall Bekanntes wieder, nur wunderlich gemischt, gepaart, und also ordneten sich selbst in ihm oft seltsame Dinge. Er merkte bald auf die Verbindungen in allem, auf Begegnungen, Zusammentreffungen. Nun sah er bald nichts mehr allein. – In große bunte Bilder drängten sich die Wahrnehmungen seiner Sinne: er hörte, sah, tastete und dachte zugleich. Er freute sich, Fremdlinge zusammenzubringen. Bald waren ihm die Sterne Menschen, bald die Menschen Sterne, die Steine Tiere, die Wolken Pflanzen, er spielte mit den Kräften und Erscheinungen, er wußte wo und wie er dies und jenes finden, und erscheinen lassen konnte, und griff so selbst in den Saiten nach Tönen und Gängen umher.



Was nun seitdem aus ihm geworden ist, tut er nicht kund. Er sagt uns, daß wir selbst, von ihm und eigner Lust geführt, entdecken würden, was mit ihm vorgegangen sei. Mehrere von uns sind von ihm gewichen. Sie kehrten zu ihren Eltern zurück und lernten ein Gewerbe treiben. Einige sind von ihm ausgesendet worden, wir wissen nicht wohin; er suchte sie aus. Von ihnen waren einige nur kurze Zeit erst da, die andern länger. Eins war ein Kind noch, es war kaum da, so wollte er ihm den Unterricht übergeben. Es hatte große dunkle Augen mit himmelblauem Grunde, wie Lilien glänzte seine Haut, und seine Locken wie lichte Wölkchen, wenn der Abend kommt. Die Stimme drang uns allen durch das Herz, wir hätten gern ihm unsere Blumen, Steine, Federn alles gern geschenkt. Es lächelte unendlich ernst, und uns ward seltsam wohl mit ihm zumute. »Einst wird es wiederkommen«, sagte der Lehrer, »und unter uns wohnen, dann hören die Lehrstunden auf.« – Einen schickte er mit ihm fort, der hat uns oft gedauert. Immer traurig sah er aus, lange Jahre war er hier, ihm glückte nichts, er fand nicht leicht, wenn wir Kristalle suchten oder Blumen. In die Ferne sah er schlecht, bunte Reihen gut zu legen wußte er nicht. Er zerbrach alles so leicht. Doch hatte keiner einen solchen Trieb und solche Lust am Sehn und Hören. Seit einer Zeit, – vorher eh jenes Kind in unsern Kreis trat, – ward er auf einmal heiter und geschickt. Eines Tages war er traurig ausgegangen, er kam nicht wieder und die Nacht brach ein. Wir waren seinetwegen sehr in Sorgen; auf einmal, wie des Morgens Dämmerung kam, hörten wir in einem nahen Haine seine Stimme. Er sang ein hohes, frohes Lied; wir wunderten uns alle; der Lehrer sah mit einem Blick nach Morgen, wie ich ihn wohl nie wieder sehen werde. In unsre Mitte trat er bald, und brachte, mit unaussprechlicher Seligkeit im Antlitz, ein unscheinbares Steinchen von seltsamer Gestalt. Der Lehrer nahm es in die Hand, und küßte ihn lange, dann sah er uns mit nassen Augen an und legte dieses Steinchen auf einen leeren Platz, der mitten unter andern Steinen lag, gerade wo wie Strahlen viele Reihen sich berührten.


Ich werde dieser Augenblicke nie fortan vergessen. Uns war, als hätten wir im Vorübergehn eine helle Ahndung dieser wunderbaren Welt in unsern Seelen gehabt.











Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren
Sind Schlüssel aller Kreaturen,
Wenn die, so singen oder küssen,
Mehr als die Tiefgelehrten wissen,
Wenn sich die Welt ins freie Leben,
Und in die Welt wird zurück begeben,
Wenn sich wieder Licht und Schatten
Zu echter Klarheit werden gatten,
Und man in Märchen und Gedichten
Erkennt die ew´gen Weltgeschichten,
Dann fliegt vor einem geheimen Wort
Das ganze verkehrte Wesen fort.
Novalis (1772  -  1801)