Dienstag, 25. August 2015

Der Waldtaucher erzählt



Der Waldtaucher

Tiefsamtene Schwärze des Weltalls mit glimmernden Sternen bestickt. Des Raumes unendliche Stille, nur selten erklingen die fernen Laute, Sphärengesang. Dann wieder . . . Stille. . . All das umhüllt mich.


Und ich erriet Kalindi, die Nachtweberin. Die Schlangenkönigin. Sie war es, die mir diese ferne Reise gebot.


Ich war der Weltenwanderer, nun aber zog mich diese Welt in ihren Orbit, diese so fremde Welt, in Bläue wolkenumhüllt, gesegnet mit dem Reichtum des Lebens. So zeigte sie sich mir, diese Welt, und ich verließ die tiefsamtene Schwärze, ich begab mich in meine schützende Hülle, und Kalindi zerschnitt die silbernen Fäden, ich sank, ich versank, in die Bläue, wolkenumhüllt, ich sank in die wallenden Nebel, ich versank in das pochende Grün.

Hier denn endeten meine Erinnerungen.


 Als ich erwachte, wies der Stämme rissige Borke in das falbe Laub, das geheimnisvolle Grün der Föhren in die fahle Bläue des Himmels, aus dem ich wohl kam. Um mich das Märchenland des fremden Waldes, die im leisen Winde flüsternden Fichten. . . Wie fremd war mir das alles, wie nah, wie vertraut. . .

Mir näherte sich eine Welt







(Und über alldem der kaum hörbare Gesang von Kalindi, der Nachtweberin. Der Schlankenkönigin:

"Hier sei denn der Dichter gefragt.
Sind deine Ewigkeiten noch von Belang?
Die tiefen Bedeutungen
so kurz vor dem Untergang?")


„Ach, da war keine Vorsicht im Schlafenden; schlafend,
aber träumend, aber in Fiebern: wie er sich ein-ließ.
Er, der Neue, Scheuende, wie er verstrickt war,
mit des innern Geschehns weiterschlagenden Ranken
schon zu Mustern verschlungen, zu würgendem Wachstum, zu tierhaft
jagenden Formen. Wie er sich hingab -. Liebte.
Liebte sein Inneres, seines Inneren Wildnis,
diesen Urwald in ihm, auf dessen stummem Gestürztsein
lichtgrün sein Herz stand. Liebte. Verließ es, ging die
eigenen Wurzeln hinaus in gewaltigen Ursprung,
wo seine kleine Geburt schon überlebt war. Liebend
stieg er hinab in das ältere Blut, in die Schluchten,
wo das Furchtbare lag, noch satt von den Vätern. Und jedes
Schreckliche kannte ihn, blinzelte, war wie verständigt.
Ja, das Entsetzliche lächelte . . „.

Aus der Dritten Duineser Elegie von Rainer Maria Rilke


Dieser Post ist Teil der "seltsamen Reise". Diese Reise beginnt hier:


Nun war ich auf meiner seltsamen Reise so weit, Kalindi, der Nachtweberin zu begegnen. . .

 
 
 "Die seltsame Reise" ist eine Reise in links, und ich weiß noch nicht, wo sie endet. . . Viel Spaß dabei wünscht Dingefinder Jörg



"Der Waldtaucher" ist eine Skulptur, "Douglasie, farbig gefasst, 2012" von Markus Keuler. Sie ist im Stadtwald von Syke aufgestellt. Dort entdeckte ich sie bei einem Spaziergang mit der Liebsten. Sie hat mich sofort zum Geschichten erzählen inspiriert. Der Waldtaucher wird hier weiterhin dann und wann erzählen. . .

Samstag, 22. August 2015

Dingefinderrätsel: Wer ist diese schöne Dame?

Gesehen während einer Wanderung auf der Weper bei Fredelsloh. Wer ist diese schöne Dame?
Es wussten doch die meisten: Diese schöne Dame hört auf den Namen Atropa belladonna (= "Schöne Frau") und wird bei uns ganz schnöde "Tollkirsche" genannt. Gute Hexen wissen schon, wie toll diese Kirsche ist. . . 



Dienstag, 4. August 2015

Weder Felsen noch Birne und anderes über Fundstücke


Eine Milchkanne mit Henkel und Deckel, ein Haken, um diese Kanne am Hosengürtel zu befestigen, damit beide Hände für das Sammeln der Beeren frei bleiben: Da werden Kindheitserinnerungen wach, Erinnerungen an Waldhimbeeren, die rot aus dem Sommerlaub leuchten, Erinnerungen an schwarzglänzende Brombeeren und an von Stacheln zerkratzte Beine, die in kurzen Hosen stecken. So war es immer in den Sommerferien: Entweder ging es „in die Pilze“, oder es ging „in die Beeren“.

Nun sind die Beine und die Hosenbeine länger und die Haare grauer, doch noch immer geht es „in die Pilze“ und „in die Beeren“. Dieses mal nicht in die Himbeeren, diese Saison ist verpasst, die wenigen, die noch duftend an den Ranken hängen, sind für den Mund.

Doch in der Grünanlage vor der Klosterkirche von Fredelsloh steht ein Riesenbusch, ein Heister, der Felsenbirne, voll mit reifen Früchten. Und, oh Wunder!, noch haben die Vögel diese Leckerei nicht entdeckt (zwei Tage später sollte das anders sein, und es war nichts mehr zu holen). Also am Morgen, ausgerüstet wie oben beschrieben, geht es zum Pflücken.

„Felsenbirne“, wer wohl auf diesen Namen für diese Früchte der Sträucher der Gattung Amelanchier gekommen ist? In Ostfriesland, wo ich eine Zeit lebte, wuchsen sie wild und wurden von den Einheimischen „Korinthen“ genannt (und gesammelt). Doch meistens werden die blaubereiften kleinen Früchte für giftig gehalten, zur Freude desjenigen, der es besser weiß, bleiben sie so doch von Menschenhand ungepflückt.

Die Felsenbirnen gehören zu der großen Familie der Rosengewächse, die uns so viele Nutz- und Heilpflanzen spendet. Allen voran die Rosen selber, diese Duftwunder, dann eine ganze Palette an Stein- und Kernobst: Äpfel, Birnen, Pflaumen, Aprikosem, Pfirsiche, Kirschen, Mirabellen, Mispeln, Quitten, dann die Beeren: Erd-, Him- und Brombeeren, Aronia, Eberesche (Vogelbeeren), Elsbeeren, und schließlich noch eine große Palette an Heilpflanzen: Odermennig, dieses wunderbare Leberheilkraut, Mädesüß, als Naturaspirin (das Medikament hat seinen Namen von der botanischen Bezeichnung für das Mädesüß: Spirea), der Frauenmantel, unentbehrlich in der Frauenheilkunde (und zum Goldmachen), der Weißdorn, dessen Blüten ein Herztonikum ergeben, und der unscheinbare Tormentill, die Blutwurzel, deren Pulver sofort jede Blutung stillt.

All diese Wunder gehören in die große Familie der Rosengewächse, diese dem Menschen so zugewandte Pflanzenfamilie. Während ich beim Pflücken der Blaubeeren ähnelnden kleinen Früchte darüber nachsinne, füllt sich die am Hosengürtel hängende Milchkanne.

In der Küche dann werden sie zu Marmelade verarbeitet, dieses Mal nicht mit Zucker sondern mit von der Liebsten geschleuderten Honig aus der Frühjahrsernte. Schließlich hat sie zwei Bienenvölker und hat reichlich. Der Honig wird im Wasserbad verflüssigt und den Beeren beigegeben, mit etwas Vanille und Apfelpektin wird das dann zu Marmelade aufgekocht und in Gläser abgefüllt. Das Ergebnis ist ein sehr mild schmeckender Fruchtaufstrich. Da es (wegen der Vögel) nicht zu einem zweiten Sammelgang kommt, muss ich es dieses Jahr einmal dabei bewenden lassen. Nächstes Jahr möchte ich die Beeren wieder, ohne Süßzusatz, zu Fruchmus einkochen, das ist dann noch leckerer.

Am Morgen darauf der erste Waldgang zur Pfifferlingstelle in diesem Jahr. Und siehe da: Die ersten Dottergelben Kobolde lugen aus dem Moos. Es reicht für eine erste Pfifferlingmahlzeit. Wo diese Sammelstelle wäre, wurde ich gefragt. Nun, die Wälder rund um Fredelsloh sind weitläufig. Wer suchet der findet (vielleicht). Ich aber verrate in dieser Hinsicht nichts.

Auf dem Rückweg wird noch ein Kräuterbündel gesammelt, Odermennig und Mädesüß blühen gerade. Die Kräuter dürfen trocknen und sind dann willkommener Tee. 















Für die erste Waldpilzmahlzeit des Jahres