Sonntag, 15. September 2013

Erinnerung an Exoten


Exoten unter sich: Hokkaidokürbis, Basilikum, Eberraute, Zitronenverbene
Es war Mitte der achtziger Jahre, wir lebten damals in einer Gemeinschaft auf einem kleinen Resthof in Ostfriesland, „Kommune“ nannten die Einheimischen das, und versuchten uns in Selbstversorgung. Wir bekamen Besuch von einen dieser Weitgereisten, die damals von Projekt zu Projekt zogen, um hier eine Weile mitzuwohnen und zu –arbeiten und dann wieder dort. Dieser Wanderer brachte uns etwas ganz Wertvolles mit, ein Glas gefüllt mit einem Nahrungsmittel, welches andernorts auf einem der Höfe hergestellt wurde und von dem er uns als Gastgeschenk ein Glas überreichte. 


In dem Glas befand sich eine Art Kräutermus, hergestellt aus frischem Basilikum, Olivenöl, Knoblauch, Pinienkernen, Salz und Parmesankäse; die Rezeptur kam aus Italien, das Ganze nannte sich Pesto. Das war für uns damals unbedingt exotisch, außerdem wurde uns die Heilkraft dieses Elixiers in lobenden Worten beschrieben, ein kraftvolles echtes „Lebens“mittel mit den besten Zutaten, die es sich denken lässt. Allein Basilikum: Herzerwärmend, den Organismus kräftigend, fröhlich stimmend.


Heute, fast dreißig Jahre später, ist Pesto ja ein „alter Hut“, neben dem traditionellem aus Basilikum gibt es heuer alle Arten von Pesto: Aus Bärlauch, aus Ruccula, aus Giersch. Apropo Ruccula und Bärlauch: Bärlauch hatten wir auf unserem Hof ein kleines Pflänzchen, welches unser Vorgänger dort gepflanzt hatte und uns als Rarität pries, Ruccola und wilde Rauke waren noch gänzlich unbekannt.


Koriander wuchs uns zu, da er sich bei uns im Garten aus früherem Anbau her verwildert hatte. Zuerst stand ich völllig ratlos vor dieser so seltsam riechenden Pflanze (nicht umsonst wird sie auch „Wanzendill“ genannt, sie soll nach Wanzen riechen, wobei ich nicht weiß, wie Wanzen eigentlich riechen), bis ich herausfand, um was es sich handelte. Dann erntete ich vorerst nur die Körner davon, die frischen Blätter zu verwenden, darauf wäre ich nicht gekommen, zu merkwürdig war das Aroma.


Es war die Zeit, wo gerade der Hokkaidokürbis in den Gärten der Biohöfe seinen Siegeszug antrat, als wohlschmeckender Lagerkürbis mit vielen guten Eigenschaften. Heute ist das alles unverständlich. Basilikum, Rauke, Hokkaidokürbis wird in jedem Supermarkt angeboten, selbst frischer Koriander ist keine absolute Rarität mehr, frischer Ingwer gar Massenware, Selbstverständlichkeit.


Das alles ist einmal entstanden, weil die weltoffenen Biogärtner immer wieder auf der Suche nach brauchbaren Neuem waren, um sich kleine Nischen im Markt zu schaffen, in einer Wirtschaft, wo große Betriebe dominant waren. Doch war es nicht nur die Suche nach der neuesten Exotik, es war auch ein Weg zu den Ursprüngen, ein Weg, der mich zum Beispiel die kleinen Beeren der wilden Felsenbirnen sammeln ließ, um daraus Fruchtmus zu kochen und welche in Ostfriesland schon lange in Gebrauch waren und dort „Korinthen“ genannt wurden.
Auch Koriander und Basilikum wurde in den Bauerngärten angebaut, dazu Kümmel, Majoran und Anis, welche als frische Pflanze nicht minder „exotisch“ waren. 


Es hat sich viel getan seitdem und unsere Küche ist bunter und weltoffener geworden. Das empfinde ich als sehr positiv, und das lässt hoffen. So gibt es denn heute als Imbiss nach unserer Kräuterwanderung eine Kürbissuppe aus Hokkaidokürbis, mit Ingwer und Koriander. . .




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