Dienstag, 22. Oktober 2013

"Vergiss das Beste nicht. . ."

. . . das wurde dem Suchenden im Schatzberg zugerufen, in welchen er durch einen Zufall hinein durfte. In etwa geht das Märchen folgendermaßen: Ein Hirtenbub findet eine seltsame Blume, er pflückt sie, schläft an einem Hügel ein und erwacht in einer Schatzkammer, gefüllt mit Silber, Gold und Edelsteinen. Während er seine Taschen mit den Schätzen füllt, hört er immer wieder eine Stimme: "Vergiss das Beste nicht!" So schaut er sich um, ob es nicht noch etwas besseres gäbe als das, was er in seinen Taschen hat, leert das Silber und das Gold aus den Taschen und füllt mit Karfunkelsteinen und Diamanten wieder auf. "Vergiss das Beste nicht", und während er immer weiter grabscht und nimmt, beginnt die Einlasspforte zu schließen, er läuft, hinter ihm fällt mit einem Donnerschlag das Tor zu und der Hügel ist einlasslos wie vordem. Das Beste aber blieb in der Schatzkammer: Die achtlos beiseite gelegte Schlüsselblume.

Schade auch, dass diese seltene Blume nur alle tausend Jahre einmal zu finden ist. Hoffe ich, dass der Hirtenjunge genügend glücksbringende Schätze greifen konnte. 

Eine andere Variante des Schatzsuchermärchens erzählt vom tumben Tor, der angesichts des Alten eine wichtige Frage nicht stellt, den Mund wider besseres Wissen gar nicht auf bekommt. Da die Frage nicht gestellt wird, muss er den Schatzberg wieder verlassen. In diesem Falle jedoch bekommt er eine neue Chance, wohl, weil er reinen Herzens war. Es wird aber eine lange Geschichte voller zu bestehender Abenteuer, ehe es ein zweites Mal gibt.

So lässt sich bezüglich einer Schatzsuche vorerst zweierlei sagen: Zum einen, dass die eher unscheinbaren Dinge, welche im Glanze so schnell übersehen werden können, das Wertvollere sein können, als das Offensichtliche. Schnell ist da ein Tor verschlossen, und die Zeitspanne zum nächsten Öffnungstermin ist eine so ausgedehnte, dass die Schatzkammer unzugänglich wird. Wohl dem oder der, die in so angenehme Zeiten geraten, dass die in der Eile zusammen gerafften Schätze für den Rest des Lebens reichen. Modern gesprochen: Hoffen wir, dass kein Unbill, kein Krieg, keine Inflation, keine Krise kommt und dass all die irdischen Schätze ihren Wert behalten bis an ein hoffentlich krankheitsfreies Lebensende.

Im zweiten Falle liegt die Sachlage schon etwas anders. Ich bekomme meinen Schatz nur dann, wenn ich in der Lage bin, zu sehen, mitzufühlen und eine mitfühlende Frage zu stellen. Wohl gemerkt, eine mitfühlende und keine Wissbegierige. Bin ich gar so sehr in meinem Wesen gefangen, dass ich nichts sehe und somit keine mitfühlende Frage stelle, sondern allenfalls Feststellungen von mir gebe, welche mich in meiner Größe bestätigen, dann kann es sein, dass der Zugang zum Schatze für immer versperrt bleibt. Das ist eine lange Zeit.

Wenn ich reinen Herzens bin, jedoch die Frage nicht stelle, sei es, dass mein Gehirn justamente in diesem entscheidenden Augenblick blank ist, und dort gar nichts vor sich geht, sei es, dass ich die Frage zwar eigentlich weiß, im Inneren meines Herzens, jedoch nicht mich traue, sie zu stellen; in diesen Fällen bekomme ich eine zweite Chance. 

Eine weitere Variante der Schatzsuche gibt es noch: Mir wird eine Frage gestellt (oder drei), und wenn ich die Antwort weiß, wird mir der Schatz zuteil. 

Welche der Varianten mir auch begegnen, wenn ich auf Schatzsuche bin, im Grunde läuft alles auf eines heraus: "Vergiss das Beste nicht!"





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