Mittwoch, 12. Juni 2013

Mauerritzenexkursion

Als ich gestern einmal wieder am Straßenbahndepot in Gröpelingen vorbei kam und den Bewuchs unterhalb eines Lichtmastes sah, musste ich unweigerlich schmunzeln. Um den Stahlmast herum hatte sich ein wunderhübscher kleiner Garten gebildet, es wachsen dort der blaublühende Natternkopf, die gelbblühende wilde Rauke, der Rotklee zusammen mit anderen Pflanzen in trauter Eintracht. 

Was mich bei dem Anblick schmunzeln ließ war die Erinnerung an eine "Mauerritzenexkursion", wie ich sie nannte, und die ich vor Jahren für die VHS Bremen veranstaltete. Es ging darum, einmal zu schauen, was sich so in Fugenspalten, auf Abbruchmauern und in Mauerritzen alles so an Pflanzen ansammelt. Treffpunkt war die Endhaltestelle Gröpelingen, besagtes Depot. Als wir uns dort trafen, zwölf Personen, wurden wir als erstes unterhalb eines Lichtmastes eben eine ähnliche Zusammenstellung wie oben gewahr. Nur, dass da statt des Natternkopfes eine prächtige violett blühende Phönizische Königskerze wuchs.

Da standen nun zwölf Menschen um einen Peitschenmast mitten zwischen den an- und abfahrenden Straßenbahnen und schauten konzentriert nach auf den Boden. Die erstaunten Gesichter der Fahrgäste in den Bahnen waren köstlich. Noch Jahre später traf ich die eine oder den anderen Teilnehmer dieser Exlursion, und wir mussten bei der Erinnerung immer noch lächeln.

Finden taten wir dann im Voranschreiten einiges: Andenbeere und Tomate, wohl aus herabgefallenen Früchten gekeimt, Hirse, die sicher aus Vogelfutter stammte, auf der Mauer eines Fabrikgebäudes wuchs eine fruchtende Johannisbeere. Die machte ihrer Familienzugehörigkeit zu den Steinbrechgewächsen alle Ehre.

Lernen konnten wir, dass viele unserer Nahrungspflanzen eigentlich Kulturfolger sind, Ruderalpflanzen, die gerne in der Nähe menschlicher Siedlungen wachsen und sich zur Weiterzüchtung geradezu anbieten. "Kürbisblüten auf dem Abfallhaufen  -  Anfang der Gärten" nennt es lapidar der amerikanische Dichter Gary Snyder. 


Um einen weiteren Lichtmast gestern dann noch folgendes Bild: Mäusegerste und Rotklee in trauter Eintracht, so, als hätte der unbekannte Sämann in einem Buch für ackergerechte Mischkultur gelesen. Man kann an den Pflanzenzusammenstellungen solch kleiner Zufallsgärten einiges lernen. Oft ist es eine ausgeglichene Mischung aus Gräsern und Zweikeimblättrigen, von letzteren immer auch Leguminosen wie der Klee, welche Stickstoff aus der Luft sammeln. Das wäre dann wiederum die Blaupause für die indianischen Beete der "drei Schwestern": Mais, Bohnen und Kürbisse.

Ich denke, dass diese Dreiteiligkeit Sinn macht, sind doch unsere Gemüsegärten eine Art Kunststeppe. Da hat wohl jedes Element eine gewisse Bedeutung im Gefüge und im Aufbau der Fruchtbarkeit. Unbewusst wird das ja nachgeahmt durch Mulchen mit Stroh: Da werden Mineralien, welche Getreide, sprich: Gräser, sammeln, dem Boden wieder zu gefügt. Wenn ich die Geschehnisse in ihrer Geamtheit betrachte, nicht die einzelnen Pflanzenarten jede für sich, dann komme ich den Geheimnissen des Gartens gewiss näher. Der Garten ist ein Organismus und jedes seiner Bestandteile hat eine oder mehrere Funktionen. 

Ich selber habe durch die Beobachtungen von Pflanzengesellschaften an Naturstandorten viel gelernt im Bezug auf Mischkulturen im Garten. Und dieses Jahr werde ich in meinem Gemüsegarten wieder Gräser ansiedeln. Wintergetreide, Roggen und vielleicht auch Weizen, welche ich nach der Getreideumpflanzmethode kultiviere. Dazu später mehr. 


Den Natternkopf Echium vulgare mit seinem klarem Blau hatte ich übrigens schon einmal kultiviert, und auch in Tontöpfen als Zierpflanze auf dem Markt verkauft. Eine Kundin "beschwerte" sich augenzwinkernd noch Jahre später darüber, was für ein zählebiges Unkraut sie sich damit in den Garten geholt hätte. Die Wurzeln trieben immer wieder aus, und dann versamte der sich auch. Gut, bei mir im jetzigen Garten wird er wohl nicht fortkommen, denn schweren, nassen Lehmboden mag er gar nicht. Es wird also Zeit für ein Schuttbeet hier, um ihn zusammen mit Klatschmohn, Kamille, Johanniskraut, Odermennig und anderen Steppenbewohnern anzusiedeln. Die hübschen blauen Blüten sammle ich gerne für meinen Tee der Landschaft und der Jahreszeiten. Sie geben der Mischung farblich eine ansprechende Note.

2 Kommentare:

  1. eine violett blühende Phönizische Königskerze würde ich ja auch sehr gerne mal antreffen :-)
    und zu den 3 Schwestern, die sind nicht nur für den Boden usw. sehr gut sondern auch als Nahrung ergänzen sie sich wunderbar und versorgen den Menschen sehr gesund und Nährstoffreich ausgeglichen :-)

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  2. :-)

    Die Phönizische Königskerze ist, verglichen mit den gelben, eher eine kleine Pflanze, das Exemplar, welches wir bewunderten war etwa kniehoch (meine langen Beine gerechnet). Es ist eine Blume, um näher hinzuschauen, wie so häufig bei den nicht so auffälligen Blüten.

    Ja, ich denke, dass das, was gut zusammenwächst, auch gut zusammen der Ernährung dient. Ich selber versuche es hier jetzt mit Winterroggen, Felderbsen (Trockenerbsen) oder Ackerbohnen und Blattpflanzen für Salat als meine "Drei Schwestern".

    Ein Indianerbeet haben wir im Gemeinschaftsgarten angelegt. Das wird dieses Wochenende bepflanzt. (Heuer ist alles etwas später. . .)

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