Sonntag, 28. Oktober 2012

Eintönig



Äpfel der Sorte "Ontario"


                                      Die fünferlei Farben machen der Menschen Augen blind.
                                      Die fünferlei Töne machen der Menschen Ohren taub.
                                      Die fünferlei Würzen machen der Menschen Gaumen schal.
                                      Rennen und jagen machen der Menschen Herzen toll.
                                      Seltene Güter machen der Menschen Wandel wirr.

                                     Laotse, Tao te king (Übersetzung Richard Wilhelm)


Die Ernte der herbstlichen Früchte

Gestern war es soweit. Rauhreif über den Wiesen und Beeten, ein zartweißer Morgen. Der erste Nachtfrost des Herbstes.

Zeit, die späten Äpfel zu ernten. Wir haben einen Apfelbaum, der Sorte "Ontario". Die Äpfel dieser Sorte werden so lange wie möglich am Baum belassen, das heißt, zum ersten leichten Frost wird geerntet. Die Früchte sind dann pflückreif, dick, mehr grün als rot, wie mit einem leichten Wachsfilm überzogen. Durch Lagern werden sie genussreif, so ab Dezember. Dafür können sie sich bei guter Lagerung bis in den Mai hinein halten.

Unser Baum trug dieses Jahr reichlich. Alle makellosen Früchte wurden gestern Stück für Stück von Hand geerntet und in flache hölzerne Lagerkisten gelegt, einzeln, so dass sie sich nicht berühren. Pro Kiste eine Lage, und die Kisten wurden dann im Lagerraum, der kühl aber frostfrei ist, gestapelt.

Es sind genügend Äpfel, dass wir uns für längere Zeit keine kaufen müssen. Das heißt, diesen Winter wird unsere Apfelsorte "Ontario" heißen. Nun gibt es eine große Fülle verschiedener Apfelsorten, einmal die mehr gängigen in den Supermarktregalen, dann die weiteren auf dem Wochen- und Bauernmarkt.

Es gab Zeiten, da hatte jede Region ihre Sorten, was sich teilweise noch in Sortennamen wie "Finkenwerder Herbstprinz" niederschlägt. Wir haben für den Winter eben diesen Apfel, und wir haben uns errechnet, dass unsere Vorräte ein viertel Jahr reichen, wenn wir jeden Tag einen Apfel verzehren.

Das ist nun sehr eintönig. Immer nur diese eine Sorte. Unvorstellbar für die verwöhnten Gaumen der modernen Menschen. Für die Menschen früherer Zeiten war das so. doch die waren halt eintönig.

Doch die Supermarktäpfel mit ihrem Sortenreichtum schmecken trotz der verschiedenen Namen alle ähnlich. Denn es wurde wissenschaftlich errechnet, was der Durchschnittsbürger an die Säure und Süße, an Form, Farbe und Knackigkeit für Ansprüche an "seinen" Apfel erwartet. Die Sorten, welche diesem Durchschnitt am nahesten kommen, verkaufen sich am besten, und daher werden die von den Supermarktleitern geordert. So kommt es, dass sie sich alle ähnlich sind, die vielen verschiedenen Apfelsorten.


In der Lagerkiste


Nun sprach ich mit einer Freundin darüber, ob es uns wohl eintönig werden würde mit unserem Apfel pro Tag. Und wir kamen darin überein, dass jeder Apfel immer anders schmeckt, abhängig davon, welche Laune ich gerade habe; was ich vorher gegessen habe (als Kind habe ich um die Weihnachtszeit oft das Phänomen erlebt, dass Äpfel auf Schokolade ganz "eigen" schmecken), ob der Apfel des morgens aus dem kalten Lager kommt oder aufgewärmt aus der Obstschale in der Küche.

Dazu kommt noch, dass sich die Konsistenz und der Geschmack mit der Zeit im Lager verändern. Das heißt, der "Ontario" vom Dezember ist ein anderer als der im Februar oder April. Wir beginnen uns auf das Erfahren der "Eintönigkeit" zu freuen. . .
(Und ein paar ganz dicke Exemplare sind schon vorgesehen für die winterlichen Bratäpfel, und wenn es uns denn mal gar zu über ist, haben wir auch noch Apfelmus von den Sommeräpfeln im Lager. . .)

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