Sonntag, 21. Mai 2023

Ponderosa auf der Fensterbank und andere Blütenträume

 



Ponderosa auf der Fensterbank und andere Blütenträume

Ponderosa? Da war doch was? Ja, in meiner Kindheit saß Sonntags die ganze Familie vor dem Fernseher und wir schauten (in schwarz-weiß) „Bonanza“, die Westernserie um die Familie Cartwright, lauter Männer, deren Farm Ponderosa hieß. (Wenn ich daran denke, habe ich sofort wieder die Titelmelodie im Ohr).

Doch diese Ponderosa ist hier nicht gemeint, sondern eine Zitronensorte, von der ich eine Pflanze besitze, und die ausgerechnet diesen Sortennamen trägt, Cirtus x lemon „Ponderosa“. Es ist eine wirklich robuste Sorte mit großen Früchten, die einen milden Zitronengeschmack haben. Diese Sorte hat den Vorteil, dass sie sich ganzjährig auf dem Fensterbrett hält. Also eine echte Zimmerzitrone. Nun blüht sie wieder und verteilt ihren Blütenduft in der Küche der Alten Schule. Was mich wiederum an etwas erinnert, nämlich an die Zeit, in der ich auf Teneriffa wohnte, und wo wir abends oft unter einem Orangenbaum saßen, der gerade blühte und mit dem betörenden Duft die Dämmerung veredelte. Ich habe mir diese Sorte angeschafft, um dem Traum von eigenen Zitronen zur Selbstversorgung näher zu kommen.
Und kleine Früchte angesetzt hat die Pflanze auch schon. Das lässt hoffen. Die Blätter dieser Sorte lassen sich übrigens auch verwenden, sie sind aromatisch, und es wurde früher daraus ein Petitgrain-Oel gewonnen.

Nicht nur drinnen, auch draußen blüht es allenthalben. Unterhalb der Klosterkirche wurden in den Rasen seitens der Stadt Moringen kleine Inseln mit Zwiebelgewächsen gepflanzt. Eine Idee, die ich unbedingt nachahmenswert finde. Unter den nun blühenden Pflanzen befinden sich zwei Favoriten meinerseits, die ich auch für nächstes Jahr in unserem Zaubergarten pflanzen möchte.

Zum einen ist das die Camassia quamash, die essbare Prärielilie. Diese Prärielilie kommt ursprünglich im westlichen Nordamerika vor. Der Name Quamash stammt aus der Sprache der Nez Perce, und bedeutet etwa „essbare Zwiebel“. Die Zwiebeln dieser Prärielilie wurden von den Angehörigen des genannten Volkes gesammelt und dienten der Ernährung. Dazu wurden sie gedörrt, geröstet, gedünstet oder gekocht, wie etwa bei den Cree und Blackfoot, vor allem aber bei den Küsten-Salish-Stämmen. Getrocknet ließen sie sich lange aufbewahren und dienten als Wintervorrat. Die Zwiebeln können allerdings auch roh gegessen werden. Getrocknet und gemahlen dienten sie außerdem als Bindemittel für Teige.

Zum anderen ist es die Weiße oder auch Poeten-Narzisse, Narcissus poeticus, meine Lieblingsnarzisse, schon alleine wegen des Namens. Aber auch wegen ihres sehr feinen Duftes. Vor allem im Aubrac im französischen Zentralmassiv werden die weißen Blüten wildwachsender Narzissen abgeerntet und zur Parfümherstellung verwendet. Ich möchte mich jedoch „nur“ einfach an ihrem Duft erfreuen.



Gestern führte mich mein Weg dann noch weiter hinaus, denn der Weißdorn (Crataegus) blüht gerade, und ich wollte meinen Jahresvorrat der Blüten sammeln. Gerade heuer, nach meiner letztjährigen Herzoperation (Mitralklappen-Rekonstruktion) brauche ich eine Herzstärkung, und dafür ist Weißdornblütentee das Mittel der Wahl. Zweigriffeliger und Eingriffeliger Weißdorn steigern einerseits die Kontraktionskraft des Herzens, man spricht hier von einem positiv inotropen Effekt, andererseits erweitern diese Weißdornarten die Gefäße, insbesondere Herzkranzgefäße, und verbessern so die Sauerstoffversorgung des Herzmuskels. Hier ist die Anwendung in der Phytotherapie wissenschaftlich untersucht und beglaubigt worden.

Allerdings muss Weißdornblütentee kurmäßig angewendet werden, um den gewünschten Effekt zu bekommen, das heißt: Über mindestens sechs Wochen morgens und abends jeweils eine Tasse von diesem Tee. Es lohnt, Weißdornblüten selbst zu sammeln, gerade hier in der Gegend kommt er in Mengen vor. Früher wurden Weißdornhecken zur Umfriedung von Weiden angepflanzt, und an einigen Stellen ist das hier noch sichtbar. 

Eine befreundete Apothekerin erzählt mir einmal, dass Weißdornblüten für Tee teilweise geerntet werden, indem kurz vor dem Verblühen Planen unter die Sträucher gelegt werden, und die Äste dann geschüttelt. Das so gewonnene Erntegut hat immer noch genügend Inhaltsstoffe, dass es dem Arzneimittelvorschriften in den Apotheken genügt. Doch wenn ich jetzt die gerade aufgeblühten sammele, ist die Qualität ungleich höher, was sich nicht nur auf die Inhaltsstoffe positiv auswirkt, sondern auch auf das Aroma. Weißdornblüten haben ohnehin eine etwas „fischige“ Beinote in ihrem Duft, diese tritt bei den schonend geernteten Sammelgut nicht so hervor. Von meiner Liebsten bekam ich noch den Tipp, dem Tee Zitronenmelisse beizumischen, die ja auch herzwirksam ist. Das macht Sinn, denke ich, auch wegen des Aromas. Eine Kräuterkundige aus Polen erzählte mir, dass man den Tee aus den Blüten mit Rapshonig süßen solle, denn dieser würde die Herzwirksamkeit unterstützen. Das gebe ich hier einfach einmal so weiter.

Mit den Weißdornblüten ist auch eine Kindheitserinnerung meinerseits verbunden: Meine Großmutter war passionierte Kräutersammlerin, und Weißdorn wurde von ihr jedes Jahr gesammelt. Getrocknet wurden die Blüten ausgebreitet auf dem Dachboden, das war noch einer dieser nicht totisolierten Dachböden, einfach Dachpfannen auf die Dachlatten geschichtet, an einigen Stellen schaute sogar die Sonne durch die Ritzen. Das ideale Klima zum Trocknen von Kräutern, luftig und warm. Wenn ich Weißdorn rieche, erscheinen sofort die Bilder von diesem Dachboden vor meinem inneren Auge, ich bin wieder im Kinderreich von Wärme und Duft gefangen, schließlich war ich jede Sommerferien bei meinen Großeltern. Das olfaktorische Gedächtnis ist übrigens das beständigste.

Dieses Jahr habe ich zum Experimentieren für den Garten eine Pflanze einer anderen Crataegusart erstanden, C. mexicana. In Mexico, wo diese Art beheimatet ist, wird sie wegen ihrer großen, essbaren Früchte angebaut, die dort unter dem Namen Tejocote, Manzanita oder Tejocotera bekannt sind. Die Früchte sind etwa so groß wie Kirschen, gelb in der Farbe, und werden roh oder gekocht gegessen. Das ist ein Experiment für mich, die Art ist sicher frosthart bis -17 Grad, inwieweit darüber hinaus, wird sich zeigen. Das von mir erworbene Exemplar ist für ein Spalier an einer warmen Hauswand gedacht, so könnte das klappen, bin gespannt. Jung braucht sie auf jeden Fall Winterschutz. Die Früchte dieser Art sollen übrigens auch herzwirksam sein.

Zuguterletzt noch ein weiteres Rosengewächs, zu denen auch die Crataegus gehören, das hier wild vorkommt: Der Kleine Wiesenknopf, Sanguisorbe minor, auch Pimpinelle genannt. Um hier die Verwandtschaft zu den anderen Rosengewächsen zu entdecken, muss man schon genauer hinschauen. Die kleinen Blüten auf den kugeligen Blütenständen sind nämlich vierzählig, normalerweise haben Rosengewächse fünf Blütenblätter. Eine Ausnahme davon ist die Blutwurz, der Tormentill, Potentilla erecta, die hier in der Gegend auch wild vorkommt. Die gelben Blüten dieser fingerkrautverwandten sind auch vierzählig.

Die Blätter und die jungen Triebe des Wiesenknopfes haben ein angenehmes Gurkenaroma und können als Wildsalat gesammelt werden. Doch auf den Kalkmagerrasen hier in der Umgebung sind die Pflänzchen so klein und zäh, dass sich ein Sammeln kaum lohnt (zumal hier Naturschutzgebiete sind). Also lieber im eigenen Garten anbauen. Dort wird das Kraut größer und zarter, so dass es sich leicht ernten lässt, unter anderem als Bestandteil der Frankfurter Grünen Sauce.

Als Schlusswort noch ein paar Verse aus eigener Feder:

Kennst du das Land wo die Zitronen blühn?
Vielleicht ist es mein Zimmergarten.
Ich kann dort alles, auch Petersilie, ziehn,
Nur keine Diplomaten.

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