Montag, 22. Mai 2023

Knabenkräuter


Etwas später in diesem Jahr, dem kühlen Frühjahr geschuldet, blühen jetzt die Knabenkräuter und andere Orchideen wieder. Die Knabenkräuter haben ihren Namen wegen der paarigen Wurzelknollen und deren Ähnlichkeit mit den männlichen Genitalien. Die unterirdischen Überdauerungsorgane können bei einigen Arten bis zu 20 Zentimeter Länge erreichen. Jährlich wird eine neue Knolle gebildet, während die alte abstirbt.

Die vollsaftigen Knollen wurden früher geerntet und zu Salep verarbeitet. Frisch geerntet schmecken die Knollen bitter, doch wenn sie gekocht und danach getrocknet werden, verliert sich das. Gemahlen wurde daraus auch bei uns ein stärkendes Getränk zubereitet, das, wen wunderts, im Ruf stand, die männliche Zeugungskraft zu befeuern. Eine medizinische Wirkung besitzt der Trank jedoch nicht. Gepulvert geben Salepknollen mit dem 40- bis 50-fachen Gewicht kochenden Wassers eine steife Gallerte. In der Türkei wird Salep zur Herstellung von Speiseeis und Milchprodukten benutzt. In Deutschland sind alle Orchiedeenarten streng geschützt und dürfen nicht gesammelt werden.

Die bei uns heimischen Erdorchideen haben so ihre speziellen Ansprüche an das Habitat. Viele Arten kommen nur auf Kalkmagerrasen vor, die wir hier in der Umgebung auf dem Hainberg und auf der Weper haben. Und die Knabenkräuter brauchen für die Keimung der staubfeinen Samen spezielle Pilze, mit denen sie in Symbiose leben.

Während Allerweltskräuter wie Bennessel oder Giersch fast überall gedeihen, brauchen die Habitate der Erdorchideen oft eine besondere Pflege. Hier werden die Kalkmagerrasen von Schafen und Ziegen beweidet, so wird verhindert, dass die Standorte verbuschen und die seltenen Pflanzen, die dort wachsen, nach und nach verdrängt werden. Vielleicht eine Analogie zu unseren modernen Gesellschaften: Es gibt Minderheiten, die eines besonderen Schutzes bedürfen, und wir tun als Gemeinschaft gut daran, diesen auch zu gewähren. Dafür werden wir dann mit Blüten von anrührender Schönheit und Raffinesse belohnt.

Hier in der Umgebung gibt es jetzt wieder einiges zu bestaunen, neben dem oben gezeigten Männlichen Knabenkraut (Orchis mascula) in der rosa Form, auch dieses hier, das Dreizähnige Knabenkraut, Neotinea tridentata:



Auch unter den Seltenheiten gibt es wiederum Minderheiten. Von der Orchis mascula, dem männlichen Knabenkraut, gibt es eine weißblühende Form, die O. mascula albiflora. In der Regel sind die Blüten dieser Art purpurfarben oder Farbvariationen mit rosa Blüten. Weiße Exemplare können in praktisch allen größeren Populationen gefunden werden, jedoch tritt diese Form in einem Verhältnis von etwa 3/1000 auf.



Kein Knabenkraut, doch auch eine Orchidee: Die Fliegenragwurz (Orchis insectifera). Auch sie trägt an der Basis zwei Knöllchen. Interessant jedoch die Befruchtung: Die Blüten ähneln Insekten, als typische Bestäuber gelten die Männchen einer Grabwespenart (Agrogorytes mytaceus). Diese werden sowohl durch die Form der Blüte, doch mehr noch durch die Aussendung von Pheromonen (Sexuallockstoffe) angelockt. Bei den Versuchen, die vermeintlichen Weibchen zu begatten, wird der Pollen übertragen. Dass männliche Wesen, wenn sie erst einmal im Begattungsmodus sind, auf allerlei hereinfallen, ist anscheinend nicht nur auf menschliche Männer beschränkt.



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