Dienstag, 26. Juli 2016

Frühstück regional, oder: Fredelsloher Wilde Küche - Frühstück

Nussbrötchen, Butter, Frischkäse, Ei, Waldhimbeer- und Walderdbeermarmelade, Wildschweinleberwurst im Glas, alles aus Fredelsloh und "umzu"




Frühstück regional, oder: Fredelsloher Wilde Küche  -  Frühstück

Anlässlich des Ferienbesuches meines Sohnes in Fredelsloh präsentierte ich einmal ein Frühstück, bei dem (fast) alles aus der Gegend, oder, wie man in Bremen sagen würde, aus Fredelsloh und umzu kam: Die Brötchen wurden selbst gebacken, aus einem Hefeteig mit Dinkelmehl. Ich benutze für meine Hefeteige (Pizza, Brötchen etc.) immer einen Quark-Öl-Teig, wobei ich statt Backpulver, das normalerweise für diesen Teig benutzt wird, Hefe nehme. Dinkel wird ein Dorf weiter bei einem Biobauern angebaut, der damit eigenes Brot backt. Wenn ich, wie bei den obigen Brötchen, statt Olivenöl Butter nehme, kann ich auch die selber machen aus Bauernmilch. Nur in die Quarkbereitung muss ich mich noch (wieder) einarbeiten, dafür wird Lab verwendet. Die Körner in den Brötchen sind Walnusskerne, wir haben auf unserer Streuobstwiese auf dem Tönnieshof auch Nussbäume. Später im Jahr können in der Umgebung auch Haselnüsse gesammelt werden, dann wird das Wilde Küche – Frühstück durch Nuss-Nougat-Creme komplettiert.

Auch Butter und Frischkäse waren selbstgemacht. Aus 10 Litern Milch kann ich etwa 250 g Butter und ein Kilo Kräuterfrischkäse herstellen, in unaufwändiger Form. Die Molke, die bei der Käseproduktion entsteht, bekommt der Nachbar für seine Hühner. Von denen wiederum kommen die Eier für das Frühstück. Bei so einem Frühstück komme ich ins Erinnern: Früher hat ein Kleinbauernhof alles gehabt, ein, zwei Kühe, dito Schweine, eine Hühnerschar, dazu Kartoffelfelder, Getreide für die Tiere, Heuwiesen. Unser Nachbar der Alten Schule Fredeloh, ein „Eingeborener“, erzählt mir oft davon, dass sie so einen Hof hatten. „Wir brauchten kaum etwas kaufen“. Von der heutigen Zeit aus klingt das idyllisch, anheimelnd, doch nicht umsonst hat der Nachbar später den Hof nur noch nebenbei betrieben und ist in der Maschinenfabrik in der nächsten Stadt angeheuert. Auch war das Leben auf so einem Hof menschlich gesehen nicht immer unkompliziert, mit mehreren Generationen unter einem Dach.

Die passende Tasse dazu: "Wildfänge" (Fredelsloher Töpferware)
Anfang der siebziger Jahre, meiner Jugendzeit, war es en vogue in der Alternativbewegung, vom unverfälschten Leben auf dem Lande zu träumen. Das „Land“ schien der utopische Friedensort der Gegenwart. Auch ich wurde von diesem Virus befallen, und er ließ mich nicht mehr los. Nach einer Gärtnerlehre begab ich mich mit einer Gruppe Gleichgesinnter aufs gelobte Land. Hier stießen wir mit unseren Träumen schnell an unsere Grenzen. Zum einen waren wir als Stadtkinder den Umgang mit Tieren nicht gewohnt, und es wurde ein schweres „learning by doing“, das uns erwartete, oft zum Nachtteil der von uns gehaltenen Tiere. Zum anderen war unsere Gruppe auch so etwas wie eine Großfamilie, und auch das Leben in einer solchen will gelernt sein. Kurz, die Anfänge gestalteten sich sehr chaotisch, und ohne die gegenseitige Hilfe mit anderen Kleinbauern aus der Umgebung wären wir gründlich gescheitert.

So zeigte sich schon damals, bei der Autopsie der Utopie, dass es wohl doch nicht erstrebenswert ist, alles selbst her zu stellen, sondern sich in eine Art genossenschaftlichen Austausch mit den anderen Dörflern zu begeben. Das ist auch das, was ich hier in Fredelsloh anstrebe, nicht die Abschottung in einer vermeintlich homogenen Gruppe Menschen, die quasi „im eigenen Saft“ schmoren, sondern ein Geben und Nehmen, ein Zusammen mit anderen aus dem Dorf. Dass das hier in Fredelsloh so möglich ist, erfüllt mich mit Freude.

Zurück zum Frühstück: Die Wildschweinleberwurst aus dem Glas kommt wieder aus eigener Herstellung, die damit begann, dass ich vom Schlachter ein Kilo Wildschweinleber geschenkt bekam. Und die beiden Marmeladen wurden aus selbstgesammelten Walderdbeeren und Waldhimbeeren hergestellt. Es sind recht intensive Geschmackserlebnisse, die diese Produkte bescheren, gesamt hat es etwas Urwüchsiges, das ich sehr schätze. Für meinen Sohn hingegen ist einiges gewöhnungsbedüftig. Doch bei den Marmeladen langt er ordentlich zu. . .

Frühstückstee mit Blüten und Honig von der Liebsten
Um das Ganze abzurunden, habe ich als Getränk einen Blütentee dazu gestellt, der aus Malvenblüten aufgebrüht wurde. Die geben beim Aufbrühen eine phantastische, fast ins Türkis gehende Farbe ab. Gesüßt wird der Tee mit Honig, welcher aus den Bienenstöcken der Liebsten kommt. Meinem, unserem Traum aus der Jugendzeit, dem „unverfälschten Leben auf dem Lande“, bin ich letzlich doch recht nahe gekommen, auch wenn er sich im Ergebnis anders gestaltet, wie ich / wir früher dachten. Es ist letztlich eine sehr persönliche Utopie, die in diesem Frühstück ihren Niederschlag findet, die Lage der „Welt“ ist wesentlich komplexer, als dass sie sich mit einem Exodus aus den Städten auf das Land und mit Selbstversorgung einfach bereinigen ließe. Möge es ein Anstoß sein, sich auszutauschen. Wenn ihr mich einmal besucht, können wir uns gerne bei einem ausgiebigen Frühstück darüber unterhalten, was wohl wünschenswert wäre für Mensch und Welt. . .

Mein Sohn und ich jedenfalls gehen gleich erst einmal in den Wald, um Pilze zu sammeln. Für das Mittagessen.  

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