Nussbrötchen, Butter, Frischkäse, Ei, Waldhimbeer- und Walderdbeermarmelade, Wildschweinleberwurst im Glas, alles aus Fredelsloh und "umzu" |
Frühstück
regional, oder: Fredelsloher Wilde Küche - Frühstück
Anlässlich
des Ferienbesuches meines Sohnes in Fredelsloh präsentierte ich einmal ein
Frühstück, bei dem (fast) alles aus der Gegend, oder, wie man in Bremen sagen
würde, aus Fredelsloh und umzu kam: Die Brötchen wurden selbst gebacken, aus
einem Hefeteig mit Dinkelmehl. Ich benutze für meine Hefeteige (Pizza, Brötchen
etc.) immer einen Quark-Öl-Teig, wobei ich statt Backpulver, das normalerweise
für diesen Teig benutzt wird, Hefe nehme. Dinkel wird ein Dorf weiter bei einem
Biobauern angebaut, der damit eigenes Brot backt. Wenn ich, wie bei den obigen
Brötchen, statt Olivenöl Butter nehme, kann ich auch die selber machen aus
Bauernmilch. Nur in die Quarkbereitung muss ich mich noch (wieder) einarbeiten,
dafür wird Lab verwendet. Die Körner in den Brötchen sind Walnusskerne, wir
haben auf unserer Streuobstwiese auf dem Tönnieshof auch Nussbäume. Später im
Jahr können in der Umgebung auch Haselnüsse gesammelt werden, dann wird das
Wilde Küche – Frühstück durch Nuss-Nougat-Creme komplettiert.
Auch Butter
und Frischkäse waren selbstgemacht. Aus 10 Litern Milch kann ich etwa 250 g
Butter und ein Kilo Kräuterfrischkäse herstellen, in unaufwändiger Form. Die
Molke, die bei der Käseproduktion entsteht, bekommt der Nachbar für seine
Hühner. Von denen wiederum kommen die Eier für das Frühstück. Bei so einem
Frühstück komme ich ins Erinnern: Früher hat ein Kleinbauernhof alles gehabt, ein,
zwei Kühe, dito Schweine, eine Hühnerschar, dazu Kartoffelfelder, Getreide für
die Tiere, Heuwiesen. Unser Nachbar der Alten Schule Fredeloh, ein
„Eingeborener“, erzählt mir oft davon, dass sie so einen Hof hatten. „Wir
brauchten kaum etwas kaufen“. Von der heutigen Zeit aus klingt das idyllisch,
anheimelnd, doch nicht umsonst hat der Nachbar später den Hof nur noch nebenbei
betrieben und ist in der Maschinenfabrik in der nächsten Stadt angeheuert. Auch
war das Leben auf so einem Hof menschlich gesehen nicht immer unkompliziert,
mit mehreren Generationen unter einem Dach.
Die passende Tasse dazu: "Wildfänge" (Fredelsloher Töpferware) |
Anfang der
siebziger Jahre, meiner Jugendzeit, war es en vogue in der Alternativbewegung,
vom unverfälschten Leben auf dem Lande zu träumen. Das „Land“ schien der
utopische Friedensort der Gegenwart. Auch ich wurde von diesem Virus befallen,
und er ließ mich nicht mehr los. Nach einer Gärtnerlehre begab ich mich mit
einer Gruppe Gleichgesinnter aufs gelobte Land. Hier stießen wir mit unseren
Träumen schnell an unsere Grenzen. Zum einen waren wir als Stadtkinder den
Umgang mit Tieren nicht gewohnt, und es wurde ein schweres „learning by doing“,
das uns erwartete, oft zum Nachtteil der von uns gehaltenen Tiere. Zum anderen war
unsere Gruppe auch so etwas wie eine Großfamilie, und auch das Leben in einer
solchen will gelernt sein. Kurz, die Anfänge gestalteten sich sehr chaotisch,
und ohne die gegenseitige Hilfe mit anderen Kleinbauern aus der Umgebung wären
wir gründlich gescheitert.
So zeigte
sich schon damals, bei der Autopsie der Utopie, dass es wohl doch nicht
erstrebenswert ist, alles selbst her zu stellen, sondern sich in eine Art
genossenschaftlichen Austausch mit den anderen Dörflern zu begeben. Das ist
auch das, was ich hier in Fredelsloh anstrebe, nicht die Abschottung in einer
vermeintlich homogenen Gruppe Menschen, die quasi „im eigenen Saft“ schmoren,
sondern ein Geben und Nehmen, ein Zusammen mit anderen aus dem Dorf. Dass das
hier in Fredelsloh so möglich ist, erfüllt mich mit Freude.
Zurück zum
Frühstück: Die Wildschweinleberwurst aus dem Glas kommt wieder aus eigener
Herstellung, die damit begann, dass ich vom Schlachter ein Kilo
Wildschweinleber geschenkt bekam. Und die beiden Marmeladen wurden aus
selbstgesammelten Walderdbeeren und Waldhimbeeren hergestellt. Es sind recht
intensive Geschmackserlebnisse, die diese Produkte bescheren, gesamt hat es
etwas Urwüchsiges, das ich sehr schätze. Für meinen Sohn hingegen ist einiges
gewöhnungsbedüftig. Doch bei den Marmeladen langt er ordentlich zu. . .
Frühstückstee mit Blüten und Honig von der Liebsten |
Um das
Ganze abzurunden, habe ich als Getränk einen Blütentee dazu gestellt, der aus
Malvenblüten aufgebrüht wurde. Die geben beim Aufbrühen eine phantastische,
fast ins Türkis gehende Farbe ab. Gesüßt wird der Tee mit Honig, welcher aus
den Bienenstöcken der Liebsten kommt. Meinem, unserem Traum aus der Jugendzeit,
dem „unverfälschten Leben auf dem Lande“, bin ich letzlich doch recht nahe
gekommen, auch wenn er sich im Ergebnis anders gestaltet, wie ich / wir früher
dachten. Es ist letztlich eine sehr persönliche Utopie, die in diesem Frühstück
ihren Niederschlag findet, die Lage der „Welt“ ist wesentlich komplexer, als
dass sie sich mit einem Exodus aus den Städten auf das Land und mit
Selbstversorgung einfach bereinigen ließe. Möge es ein Anstoß sein, sich
auszutauschen. Wenn ihr mich einmal besucht, können wir uns gerne bei einem
ausgiebigen Frühstück darüber unterhalten, was wohl wünschenswert wäre für
Mensch und Welt. . .
Mein Sohn
und ich jedenfalls gehen gleich erst einmal in den Wald, um Pilze zu sammeln.
Für das Mittagessen.
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