Donnerstag, 8. Dezember 2022

Die Stillen in den Landen

 

               


Es sind die Stillen in den Landen,
sagt nicht, dass deren Furcht unbegründet sei,
nur weil sie nicht laut sind.

Es sind die Stillen in den Landen,
die Gärten wollen gepflegt sein,
die Bäume wollen gepflanzt werden,
die Früchte geerntet,
das Brot gebacken, die Felder bestellt.

Die Bedürftigen wollen versorgt sein,
die Stillen fragen nicht
nach der Herkunft.
Sie tun das Not-wendige.

Es sind die Stillen in den Landen,
derer Landen sind Mutterländer.

Es sind die Stillen in den Landen.
Sie tun das Not-wendige.
Aber die Lauten, die Lauten,
sie werden gehört.

Sie töten mit Worten
sie töten mit Waffen,
Gewalt ruft nach Gewalt,
Gewalt schreit nach Gewalt,
Gewalt, Gewalt,
das Echo: Gewalt.

Wer aber baut die Wohnstätten,
pflanzt die Bäume, erntet die Früchte,
pflegt die Gärten, backt das Brot,
bestellt die Felder, versorgt
die Bedürftigen, ohne
nach der Herkunft zu fragen?

Es sind die Stillen in den Landen.

Dieses Gedicht schrieb ich im Frühjahr dieses Jahres. Es ist unter anderem auch meiner Ratlosigkeit ob des Krieges in der Ukraine geschuldet. Ungefähr zur gleichen Zeit schrieb ich folgendes auf Facebook: 

"Ideale sind wie Sterne, man kann sie nicht erreichen, doch sie weisen uns den Weg" (Sprichwort aus Spanien). Zur Situation in der Ukraine: Ich gestehe mir persönlich sowohl eine Ratlosigkeit als auch eine Machtlosigkeit ein. Das muss ich aushalten (können). Ich selber werde garantiert nicht zur Waffe greifen, um andere Menschen zu töten. Auch nicht zu meiner eigenen Selbstverteidigung. Doch das ist erst einmal meine persönliche Entscheidung. Ich wüsste nicht, was ich den Menschen raten sollte, die jetzt in der Ukraine sich mit Waffen gegen eine aggressive Soldateska verteidigen. Wie gesagt, ich bin da einfach nur rat- und auch machtlos. Ich schaue mit Erstaunen auf die Vielen, die jetzt so selbstgewiss von sich geben, was da zu tun wäre. Wo haben sie diese Selbstgewissheit her? Gibt es da wirklich keine Zweifel? Ich verzweifel an den Zweifelsfreien. Ich kann mich nur auf das Naheliegende konzentrieren, und das bedeutet gerade, dass ich mich mit um die (mittlerweile 16 Personen) kümmere, die hier im Dorf gestrandet sind, aus Flucht vor dem Krieg. Doch eines vermag ich sicher zu sagen: Gegen die jetzt einsetzende Militarisierung der Sprache, der Heroisierung auch des Widerstandes gegen die Kriegsarmee, gegen die Heldenmythenbildung, ja, auch des ukrainischen Präsidenten, der meine Hochachtung hat, werde ich mich positionieren."

Zu den Stillen zu gehören heißt nicht, keine Stimme zu haben. Einer der eher Stillen war Walther Eidlitz, und er schrieb angesichts des Weltkrieges (dass es erst der erste war, wusste er da noch nicht) folgendes Gedicht: 


Walther Eidlitz wurde am 28. August 1892 in Wien geboren, er starb am 28. August 1976 in Vaxholm in Schweden. Er schrieb Lyrik, Erzählungen und Theaterstücke. Später widmete er sich dem Studium der Geistesgeschichte Indiens.

Das obige Gedicht tauchte in einer Ausgabe von Franz Pfempferts Zeitschrift Die Aktion von 1917 auf, gefolgt von der Rubrik Verse vom Schlachtfeld.

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