Ein Salat für den Winter
Mein liebster Wintersalat ist der Feldsalat, und der am liebsten aus dem Freiland, doch den gibt es so gut wie nicht mehr zu kaufen. Mit ein bisschen Glück kommt der aus einem unbeheizten Gewächshaus. Das hellgrüne Zeug, das in Berührung mit einem Dressing in sich zusammenfällt, kaufe ich nicht.
Die nächste Alternative wären Endivien, oder Radicchio, beide sehr fest und verhältnismäßig bitter. Endiviensalat hält es sogar aus, mit warmen Speckstückchen, die zusammen mit Zwiebeln in Öl angebraten wurden, übergossen zu werden.
Angeboten wird auch Romansalat, eigentlich sind das recht mächtige, lockere Köpfe, von Struktur und Geschmack kräftiger als andere Salate, die in Österreich sogar wie Spinat oder Grünkohl gekocht werden. Eine andere Variante wären die Kasseler Strünkchen, eine alte Sorte, von der die Blütenstiele geerntet und zubereitet werden. Die habe ich noch nicht auf Märkten gesehen. Die großen Köpfe des Romansalates werden auch selten angeboten, in Supermärkten zu finden sind meistens die Salatherzen, die frischgrüner und zarter sind und nicht so bitter.
Ermangelns anderem kaufte ich letztere für einen Wintersalat. Verlockend waren auch Granatäpfel (aus der Türkei), dabei verhältnismäßig bezahlbar. So kamen davon zwei in den Einkaufskorb.
Zuhause angekommen rupfe ich zwei von den Salatherzen auseinander, ich mach das lieber mit den Händen, statt mit einem Messer. Dann kam einer der beiden Granatäpfel dran. Die können übrigens eine rechte Sauerei in der Küche auslösen, und Granatapfelsaft geht aus der Wäsche kaum wieder heraus. Also wird er in der Spüle zerteilt: Als erstes um den Strunk herum ein wenig einschneiden, der lässt sich dann relativ einfach wie ein Deckel abnehmen. Darunter sind die sechs Kammern erkennbar. Zwischen jeweils zwei Kammern mit Granatapfelkernen ist ein weißes Häutchen. An diesem schneiden wir bis zum Boden entlang. Aber nur die Schale des Granatapfels und nicht in die Frucht hinein. An den Schnittlinien kann man jetzt den Granatapfel aufbrechen und erhält so einzelne Sektoren mit den roten Kernen. Die brauche ich jetzt nur noch vorsichtig herauslösen (wirklich vorsichtig, dass sie nicht spritzen). Die Kerne mit dem Fruchtfleisch kommen zum Salat in die Schüssel.
So haben wir das frische (herzliche) Grün und das aktivierende Rot zusammen. Hellen wir das ganze etwas auf, auch um dem Ganzen eine italienische Note zu geben. Dafür rasple ich von einem Stück Grana padano zwei drei Handvoll Späne.
Zum Dressing: Dafür benötige ich zwei sehr fein gewürfelte Schalotten, einen Teelöffel Senf, ein Esslöffel Orangenmarmelade (oder mehr, nach Belieben), einen Schuss Essig, ich hab einen Holunderblütenessig genommen, etwas Salz, das alles wird mit einer Gabel fein verrührt, dann kommt Öl dazu. Zuerst hatte ich vor, ein mildes Olivenöl zu nehmen, doch schließlich entschied ich mich für das etwas neutralere Distelöl. Das Dressing kommt etwa eine halbe Stunde vor dem Servieren mit den Zutaten für den Salat vermischt.
In der Zwischenzeit habe ich noch Walnusskerne in eine Pfanne gegeben, sie kurz angeröstet und dann Ahornsirup dazu, den so lange erhitzt, bis er karamellisierte und die Nusskerne umschloss. Diese mischte ich dann noch unter. Damit wäre ein Salat fertig, der fröhlich stimmt. Auch an grauen Tagen.
Er trägt mit dem Romansalat, der ja auch Römersalat genannt wird, und seinen Ursprung in den Mittelmeerländern hat, mit dem Grand padano und den Orangen in der Marmelade für das Dressing etwas von mediteraner Leichtigkeit in den Winter; unterstützt durch die Granatapfelkerne, einem Obst, das zuerst in Jordanien und Persien angebaut wurde. Auch die Schalotten für das Dressing haben südöstliche Herkunft, ihr Herkunftsgebiet liegt bei Usbekistan / Tadschikistan / Afghanistan. Der Ahornsirup mit dem ich die Walnüsse karamelisiere wiederum stammt aus Kanada, und er wurde von den Irokesen entdeckt, wie die Legende geht: „Der Überlieferung nach soll einem Jäger der Irokesen bei der Heimkehr der süße und aromatische Duft über der Kochstelle aufgefallen sein. Seine Frau hatte offenbar Regenwasser aus einem ausgehöhlten Stamm unterhalb eines Ahornbaumes verwendet. Als auch die Speise süß schmeckte, erkannte man den Zusammenhang. Fortan hackten die Irokesen ihre Tomahawks in die Rinde der Ahornbäume und fingen den herausrinnenden Saft auf. Sie legten erhitzte Steine (Kochsteine) in den Saft und erzeugten so den dickflüssigen Sirup.“ (Wiki) Hier vereinigen sich dann zwei Kontinente: Plinius berichtet in seiner Naturalis historia, dass die Griechen den Walnussbaum im 7. bis 5. Jahrhundert vor Christus nach Europa brachten. Nach Deutschland gelang sie vermutlich erst durch die Römer.
Auch der Senf für das Dressing wurde durch die Römer hier etabliert, doch entstammt er ursprünglich dem Industal. Und die Färberdistel, aus deren Samen das Öl für das Dressing gewonnen wird? Die Färberdistel kommt heute nirgends mehr ursprünglich vor; sie ist ein Neophyt in Süd-, Mittel- und Osteuropa, in Nordafrika, auf Madeira und den Kanaren, in Syrien, im Libanon, in Armenien und China, in Nord- und Südamerika und in Australien. Ihr Ursprungsgebiet die Türkei und der Iran.
Damit auch das originär Heimische nicht zu kurz kommt, wurde das Dressing mit Holunderblütenessig verfeinert. Die Walnüsse haben wir übrigens hier in der Umgebung gesammelt.
So vereint dieser Salat einige Jahrhunderte Kultivierungsgeschichte und gleichzeitig eine Vielzahl von Kulturen und Herkünften. Mit jedem Mundvoll vereinen wir uns mit verschiedenen Regionen dieser Welt.
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