Ich grüße
die Morgenröte,
nun ist es
Nacht, und so wie es Nacht um mich ist, ist es auch Nacht in mir. Kellernacht,
und ich weiß es nicht, woher sie kommt, diese Traurigkeit, welche mich besucht
in dieser Tiefe.
Draußen
steht der Mond als geöffnete Schale am Himmel, und wie Perlen die Sterne,
welche sich in diese Schale senken. Das ferne Rauschen der Stadt fast wie das
Rauschen eines fernen Meeres, und ich ahne den Strand und den Geruch von Salz
in der Luft und das Singen des Windes im Seegras.
Dann
taucht vor meinem inneren Auge Aurora auf, wie sie in ihrem Purpurmantel auf
Zehenspitzen ihr Schlafgemach verlässt um unter den funkelnden Sternen zu
wandeln, und ob aller Traurigkeit muss ich lächeln, und mir wird es leichter
ums Herz und frühlingshafter.
So werde
ich denn auch hinausgehen und den Garten in der Nacht besuchen und die Sterne
schauen, und einjeder wird sein mir ein Augenstern, und in jedem schaue ich
Auroras Antlitz, das liebliche. (Und in der Ferne das Rauschen lässt erahnen
den großen Gesang).
Wanderer
Ich grüße
die Morgenröte
„Wenn wir uns unter Sternen finden,
vom Abend in die Nacht zu geh´n,
um uns mit allem zu verbinden:
Das Leben ist zum Sterben schön.“
Schon
lange rumorte der letzte Vers dieses Vierzeilers in meinem Kopfe herum. Nun
hast Du ihn hervor gelockt, wie die Sonne die Frühjahrsblüten hervor lockt.
Soviel Zärtlichkeit im Wünschen, so viele goldene Perlen im gemeinsamen Band,
so sanfte Berührungen wie ein warmer Windhauch.
Ich werde
jetzt in den Tag gehen mit der Erinnerung an Frühjahrsduft und Duft von
Pfirsichhaut, dort wo Haare und Stirne sich treffen, ist dieser Duft geboren.
Und wie ein Nachtfalter Meilen und Abermeilen diesen Duft erahnt, so erahne
auch ich ihn, denn in der Ewigkeit vermag es keine Ferne zu geben.
Wanderer
Ich grüße
die Morgenröte
So war
denn heute in der Frühe noch Rauhreif über den Gärten. Noch hat der Frühling
nicht die milde Kraft und Wärme. Noch täuscht eine strahlende Sonne am Tag über
die untergründige Kühle. Ist es nicht auch so mit unserer Zeit?
Sind nicht
allerorten die bunten Plakate zu schauen, vor denen die Armen die Pfandflaschen
heimlich aus den Papierkörben der Stadt fischen?
Doch
jenseits von Täuschung und Schein, jenseits von Werden und Vergehen gibt es die
heilige Gegenwart. „Der Weise träumt´, er wär ein Schmetterling. Oder träumte
der Schmetterling den Weisen?“, so schrieb der Dichter.
Manchmal
lege ich ab die Hülle, manchmal streife ich mir gar den Elfenmantel vom Leibe,
um in aller Unschuld vor der Sonne oder unter den Sternen mein Lied Dir zu
singen.
„Manchmal bin ich nur ein Sänger,
doch was wollte ich denn mehr?
Ich bin dann wie ein Schmetterling,
außen bunt und innen leer.“
Wanderer
An die
Morgenröte
Es sind
die warmen Tage in den Gärten, die mich davon abhielten, aufzusehen. Es sind
Menschen gekommen, Frauen, Männer und auch Kinder, und sie wollten die Beete
bebauen, und sie wollten handeln, Hand in Hand. Und so ließ ich alle Pforten
öffnen, dass der Frühling beginnen könne und wir die Fruchtbäume pflanzen und
die Saaten säen.
Siehe, Du
Schöne, so bin ich glücklich, denn die Insel belebt sich mit lachenden
Menschen, und bald werden wieder die Apfelbäume blühen in meinem Avalon und die
Nebel sich lichten. Es kommt alles an seinen Platz und ich an den meinen.
Bist Du
der Fluss, so bin ich wohl Tropfen und Träne, sich in Dir zu verlieren und mit
Dir sich in den Ozean zu weiten. Und auch ich werde meine Tanzschuhe aus dem
Schrank holen und sie putzen und glänzen lassen, und dann werde ich sie über
die Füße streifen und meinen bunten Rock mit den tausend Taschen anziehen und
Dich bei Schulter und Hüfte fassen, und dann werden wir wie der Wind über den
Dächern des Schnoors tanzen. Und wenn die Nacht anbricht, werden wir uns in die
sanft geöffnete Schale des Mondes legen, und er wird unsere Barke unter den
Sternen sein.
Wanderer
Ich grüße
die Morgenröte
Ja, es ist
still auf meiner Insel. Still in dem Sinne, dass die Geräusche der fernen
Zivilisation die Insel nicht erreichen. Hier spielt ein anderes Orchester. Es
beginnt des morgens mit dem Singen der Vögel, der Amseln, der Buchfinken, der
Zeisige, der Stieglitze und was weiß ich noch alles. Darüber das Kreischen der
Möwen, das Krächzen der Dohlen, dazwischen das Keckern der Austernfischer, das
„Kiuwitt“ des Kiebitzes, dazu das Lachen des Grünspechtes,. Das schwillt am
Morgen an, und ich lausche verzückt, und dann gleitet das Singen wieder in eine
greifbare Stille. Bis mit dem Flöten der Singdrossel der nächste Satz der
Symphonie der Insel angestimmt wird.
Im
Frühsommer kommen noch Kuckuck und Teichrohrsänger und die Unken, Kröten und
Frösche hinzu, und die gesamte Komposition verliert sich ins Phantastische.
Dann verlasse ich meinen Turm so oft ich es vermag und wandle in einer
Landschaft der Klänge, Laute und Töne.
Manchmal
ist es mit den Bögen um Kerne der Sache doch so wie bei diesem Betrunkenen, der
sich Runde um Runde mit den Händen den Weg um die Litfassäule ertastet, um
schließlich mit den Worten: „Eingemauert!“ erschöpft und verzweifelt zu Boden
zu sinken. Wer weiß schon, wie viele Türme nach hinten offen sind?
„Das Leben ist ein
Wagnis.
Ein Brückenbau ins
Ungewisse.“
Wanderer
Liebste
Morgenröte,
spanne
Dein Seil von Turmspitze zu Turmspitze, von Wetterhahn zu Wetterhahn, über
Meere so weit, über alle Ufer hinweg. Gestern kam ein Austernfischer zu mir und
erzählte mir vom Frühling. Dann ging er fort und kam mit einer wundervoll rosa
Herzmuschel im Schnabel zurück. Die legte er sanft in die Schale meiner Hände.
Auch die
Wolken des Himmels sprechen in freundlichen Chiffren, und in den Baumkronen der
hohen Pappeln das Gewisper flüstert von wohligen Wogen. So wird es wohl sein,
denn selbst die an die Ufer getragenen Wellen wünschen uns Mondbadende in
Empfang zu nehmen.
Ich werde
ins KleinHäuschen gehen und den Tisch Dir decken, ich werde die rotkarierte
Decke auflegen und das Geschirr mit den fein gezeichneten Rosenblüten darauf
stellen und die Becher mit den ziselierten Blattranken. Auf dem großen
Lindenholzbrett dann das duftende Brot, welches aus meinem mit Treibholz
beheizten Ofen kommt, gewürzt mit Koriander; dazu Butter und fester Käse und in
den Bechern roter Wein, der nach den Küsten des Südens schmeckt.
Ich werde
meine Violine wieder hervorholen, und sie nach der fernen Flöte stimmen, und
wenn die Insel schläft, werden wir zart unser gemeinsames Lied anstimmen, und
die Rosen der Nacht duften dazu und die Nachtigall wird unser Lied mit hohem
Gesang begleiten.
Dann
werden wir Schweigen und Schauen lernen, und uns die Zeit nehmen, die es
braucht,
ich denke,
so wird es sein,
Wanderer
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