Igitt! Prinzipien!
„Das
sind meine Prinzipien.
Wenn sie ihnen nicht passen,
ich habe auch andere.“
Groucho Marx
„Wir sagen Igitt! wenn wir ´Oh Gott!´
nicht aussprechen wollen.“ Auf diesen kleinen Satz, den ich ungefähr
wiedergebe, stieß ich beim Durchblättern
eines Buches am Morgen. Es war dieses flüchtige Durchblättern, ziellos, und es
war ein Buch aus einem Stapel anderer, ich suchte mir eine Lektüre für einige
ruhige Stunden an diesem Morgen. Etwas zum Entspannen, die Zeit zu überbrücken.
Es war ein Montagmorgen, und ich kam einmal wieder nicht in den Tag und in die
Woche hinein. In solchen Situationen versuche ich ruhig zu bleiben und mir
etwas Ablenkung zu verschaffen, sofern es meine Zeit zulässt. An diesem Morgen
war nichts wirklich Dringliches auf dem Plan. Der Besuch bei einer nahen
Baumschule wurde aus verschiedenen Gründen auf den Folgetag verschoben, und
dass noch eine Kiste Biopfirsiche, welche ich geschenkt bekam, neben anderen
Früchten der Verarbeitung harrten, war auch nicht von der Notwendigkeit, dass
es sofort geschehen müsste.
So durchblätterte ich Buch um Buch,
aus der Bücherkiste einer Mitbewohnerin, auf der Suche nach etwas, das mich
reizte. Doch ich sollte an diesem Morgen unlesend bleiben. Aus dem ganzen
Bücherstapel blieb als einziges die Erinnerung an diesen Satz hängen.
Es gab Zeiten, da hätte ich in Zeiten
der Motivationslosigkeit immer etwas gefunden, dass ich mir vor Augen hätte
halten können, entweder ein Buch, oder eine Illustrierte, oder das
Umherschweifen in den Weiten des Internets. Zur Not eben auch das unermüdliche
Spielen von „Spider solitär“, die Variante mit den vier Farben. Doch es ist
wohl so, Gewohnheiten ändern sich. Nichts davon sprach mich an diesem
Montagmorgen an, so, wie es schon oft geschehen war in den letzten Wochen und
Monaten.
Was nicht heißt, dass ich weniger
gerne lese als früher. Ich lese nur einfach anders. Schon aus dem Grunde, dass
mich weniger Lektüre zu fesseln vermag. An diesem Morgen blieb mir dann doch
nichts anderes übrig, als dass ich mich dem Abwasch und dem Kochen von
Wildbirnengelee (mit Ingwer) widmen durfte. Alles andere war langweiliger als
die Langeweile selbst. Und wie das meist so ist, hat man erst einmal begonnen
mit dem Tagewerk, dann kommt der Spaß auf dem Fuße.
In der blauen Waschschüssel hockte
einmal wieder eine große schwarzbraune Wolfsspinne, ein stattliches Exemplar,
weiß der Deubel, wie die dort hinein gekommen ist. „Igitt“ dachte ich und
komplementierte das Tierchen aus dem geöffneten Küchenfenster in den Garten. Da
hatte ich dann etwas zum Nachdenken bei den einfachen manuellen Tätigkeiten.
Hallte doch der im Buch erblätterte Spruch in meinem Inneren nach: „Igitt“ sagt,
wer „Oh Gott!“ nicht auszusprechen mag. Dieses Wort kommt aus einer Zeit, in
dem das Wort „Gott“ noch einen heiligen Namen markierte, etwas dass nur sakral
und nicht unbedacht ausgesprochen werden durfte. In dieser Scheu lag ein
Prinzip, und wie das oft ist mit Prinzipien, wenn sie etwas Instinktives unterdrücken
sollen, dann suchen sie sich Wege, um doch noch dem Instinkt seinen Ausdruck finden
zu lassen.
Es ist in etwa so, wie mit dem Rabbi,
der einkaufen ging: „Ich hätte gerne etwas von dem Fisch dort!“ - „Das
ist kein Fisch, das ist Schinken!“
- „Ich wollte nicht den Namen von
dem Fisch wissen, ich wollte ihn kaufen!“
Wie ist das denn so mit meinen
Prinzipien? Immer, wenn ich welche für mich selber postulieren wollte, sei es
im Bereich der Ernährung, sei es im Planen der Tages- und Arbeitsabläufe, sei
es in Bezug auf das Rauchen, nun ja, letztlich brachen sich die liebgewordenen
Gewohnheiten doch wieder Bahn. „Igitt!“ Solange, bis ich damit auf hörte, mich
selber unter Druck zu setzen. Und siehe da: Statt zum Buch, zu irgendeinem
Buch, nur um irgendwelche kleinen schwarzen Buchstaben vor Augen zu haben,
greife ich zum Putzschwamm und zum Kochlöffel. Wie einfach das doch letztlich
ist, so ohne Prinzipien.
- Die anderen Seiten II / 6 -
Bei der "Wolfsspinne" handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um eine "Hausspinne", Tegenaria atrica, die zur Gattung der Winkelspinnen gehört. Sie werden ziemlich groß, sehen zwar erschreckend aus, tun uns jedoch reineweg sonst gar nichts. Man nähere sich ihnen schön langsam in Zeitlupe mit einem Glas, das man dann schnell und gezielt über sie stülpt, schiebt ein Stück festes Papier drunter und kann sie dann in aller Ruhe im Geländer aus dem Haus befördern.
AntwortenLöschenDanke für die Aufklärung. "Hausspinne", allein das Wort klingt schon viel freundlicher,
AntwortenLöschenliebe Grüße, Dingefinder Jörg