Donnerstag, 6. April 2023

Gründonnerstagssuppe oder, in Fredelsloh: "Sieben Stärken"

 

"Geesseln"


Ich bin dem Donnerstag heut grün
und lass den Frühling in die Suppe ziehn,
vom Grünen neunerlei
ist heut dabei,
als da wären
Zahn vom Löwen, Lauch vom Bären,
Stöckel Lieb und Gundermann,
Giersch und Petersilie dann,
Scharbock, Nessel brenn und Nessel taub,
und ich glaub,
das bekommt uns allen wohl.
Endlich einmal keinen Winterkohl.

Gründonnerstag durfte man (in Lauenförde) früher nicht essen, was man wollte. Man aß wohl ruhig Fleisch, fastete also nicht, hielt aber streng darauf, daß man dazu „was Grünes“ aß. Sogar sieben Sorten Grün mußten es sein: Scharbock, Kümmelkohl, Braunkohl, Sauerkraut (Ampfer), Geesseln (Giersch, Geisfuß) und Kresse. Das Gericht hieß in Fredelsloh „Sieben Stärken“. (Aus: Tchiff Tchaff, toho; Geschichten und Sagen aus dem Sollinger Walde, von Heinrich Sohnrey; Berlin 1929)

Die sieben Kräuter sind bis auf eine Ausnahme recht einfach zu identifizieren, wobei der Braunkohl wohl die dunkel gefärbte Spielart des Grünkohls sein müsste. Dieser wurde im Frühjahr, wenn die Blätter nach den Frösten im Winter abgeerntet waren, als "Sprossenkohl" beerntet. Die Strunken trieben nämlich Blütentriebe, die zart und fast süßlich munden, und ausschauen wie Minibrokkoli.

Mit "Kresse" kann durchaus die Brunnenkresse gemeint sein, die auch heute noch in einigen Bächen der Gegend wild vorkommt. Oder aber das Barbarakraut, auch Barbarakresse oder Winterkresse genannt. Botanischer Name ist Barbarea vulgaris. Auch diese Pflanze habe ich schon wildwachsend in der Umgebung von Fredelsloh gefunden.

Einzig der Kümmelkohl erschließt sich mir nicht. Zwar gibt es den Röhrkohl (Triglochin maritima), der auch Kümmelkohl genannt wird, da er einen ausgeprägten Kümmelgeschmack haben soll, doch der kommt eher im hohen Norden vor, als salzliebende Wattenpflanze. Dort wird er im Frühjahr auch gesammelt und verzehrt, zum Beispiel im Land Wursten und bei Wremen.

Dann wurde ich noch fündig im 1795 im Schwickertschen Verlag zu Leipzig erschienenen und von Ludwig Wilhelm Gilbert verfassten Reiseführer für Deutschland: "Die Weiber spinnen indeß Wollengarn für die Osteroder (Osterode im Harz) Fabriken, sammeln mit ihren Kindern, des Frühjahrs auf den Wiesen allerhand wohlschmeckende Kohlkräuter, des Sommers sogenannten Kümmelkohl, den sie unter Tannen aussäen, und im Herbste die treftlichen Erdbeeren, Himbeeren, Heidelbeeren und Kronsbeeren auf den benachbarten Bergen, alles zum Verkauf nach Osterode und Klausthal. Dabey betreiben sie Viehzucht, die wegen der trefflichen Bergweiden vorzüglich, und der Hauptnahrungszweig Lerbachs ist; auch einen jährlich sich erweiternden Garten- und Gemüsebau."

Soweit dazu.

Nachtrag: Auch auf Facebook haben wir über den Kümmelkohl gerätselt.

M. W.: "Das Grün von Wiesenkümmel kann nicht gemeint sein?"

"Das wäre eine Option. Es kämen da noch weitere Doldenblüter wie der Wiesenkerbel infrage. Doch hat keiner von denen den deutschen Namen "Kümmelkohl"

M. W.: "In Franken heißt so was „das Kraut vom Kümmel“ also das Grünzeug von den Pflanzen. Es gibt auch das Kraut von Karotten, Ich weiß es aber nicht, das sind nur Gedanken-Spaziergänge."

"Ja, das ist richtig, "Kohl" und "Kraut" wurden oft gleichgesetzt, und der "Krautgarten" der Bäuerin war der Kohlgarten. (Kommt auch noch beim "Sauerkraut" zum Tragen). Und anders herum gibt es das auch: Es gibt den Rainkohl (Lapsana communis), der ein Korbblüter ist und die Kohl-Gänsedistel (Sonchus oleraceus), auch ein Korbblüter, der im Mittelalter sogar als Gemüsepflanze angebaut worden ist. Da wird mit "Kohl" einfach essbares Kraut benannt."


Eine Gründonnerstagssuppe zu kochen ist eigentlich keine hohe (Koch-) Kunst. Am einfachsten: Eine kräftige Gemüsebrühe zubereiten, die durch Grünkernschrot, der mitkochen darf, sämig ist. Zum Schluss werden die frisch gehackten neunerlei (oder, wie in Fredelsloh siebenerlei) Kräuter dazugegeben, sie sollen nicht mitkochen. Dazu ein deftiges Bauernbrot reichen.

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