Undeutlich erinnere ich mich noch an
diese Jesu-Geschichte aus dem Konfirmandenunterricht: Es ging um das Zahlen von
Steuern, und um Jesus´ Haltung dazu. Er ließ sich eine Münze geben, drehte sie
auf die Kopfseite und ließ sie herumreichen mit der Frage dazu, welches
Konterfei dort abgebildet sei. Der Kopf des Kaisers sei zu sehen: „Also gebt
dem Kaiser, was des Kaisers ist.“
Eine der vielen Jesu-Geschichten, die
mich in ihrer Schlichtheit beeindruckten. Mehr als das „Auf dem Wasser gehen“
oder die Wiedererweckung des Lazarus. Dass Jesus vom Gelde einigermaßen
unabhängig war, hatte er ja schon darin bewiesen, dass er die Speisung der
Fünftausend arrangierte. Wie groß seine Unabhängigkeit wirklich war, zeigte mir dieser kleine Satz: „Gebt dem
Kaiser, was des Kaisers ist.“
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"Die Welt" - Welche Welt? |
„Mein Reich ist nicht von dieser
Welt“, sicher, dieser Satz kann auf das Himmelreich, das, je nachdem,
paradiesische oder höllische Jenseits verweisen. Doch hat das Wörtchen „Welt“ noch
eine zweite Bedeutung als die der „Welt an sich“, also dem Universum, dem All
und Alles. Letzterem zu entsagen hieße, aus der Welt flüchten, heim in des
Vaters Schoß. Wie solle das gehen, wo wir doch aus der Mutter Schoß geboren
sind?
Die andere Bedeutung des Wortes Welt
ist die der weltlichen Mächte in ihrem gesamten Umfang, die Mächte des
Feudalismus, die Kaiser und Könige, die Herzoge, Grafen, Barone und ihre
Vasallen; dazu noch die Welt der Städte mit dem ihnen eigenen dazugehörigen
Leben . Diese gilt es für mich zu verlassen, und dazu gehört: „Gebt dem Kaiser,
was des Kaisers ist.“
Die andere Welt ist die schöne Welt,
dieser blaue, grüne Planet, unsere Mutter Erde. Sie ist weiblich, und sie ist
nicht „Fraw Welt“, die es zu verlassen gilt. Sie ist die Heimat, zu der wir
gerne zurück kehren, auch wenn sie temporär uns unwirtlich erscheint, da die
„weltliche Welt“ zu sehr von ihr Besitz ergriffen hat. Die für mich zu
verlassende Welt ist die, welche ich zurück gebe, da sie „des Kaisers“ ist.
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Nun befindet sich auf unseren Münzen
nicht mehr das Antlitz des Kaisers, doch es steht „Deutschland“ darauf. Dahin
also gebe ich das zurück, was mir nicht gehört. Im Geldkreislauf bin ich diesem
imaginären Gebilde verhaftet, und so nehme ich mit einem Anteil der zu mir
kommenden Materie daran teil: Dem Gelde. Nun kann ich mich davon nicht ganz
lösen, bin ich doch Teil sowohl dieser als auch jener Welt. Doch eines vermag
ich zu tun: Dem Staate (dem Kaiser) dass zu geben, was des Staates ist. Mich
aus der Magie des Geldes lösen, und mich der Magie der „anderen Welt“ zuwenden.
Diesem schönen, blauen, grünen Planeten, der Mutter Erde, auch wenn diese Welt
tief verwundet ist.
Dieses vermag ich nicht „draußen“, in
der Welt, denn dort bin ich zu vielfältig verstrickt. Die wenigsten wissen,
dass die Welt auch eine Innenseite hat, die zu ihr gehört wie der Schatten zum
Licht. „Das ist meines!“, sagte ich. „Schließe die Augen, und alles was du dann
siehst, ist deines“, antwortete der Freund scherzhaft darauf. Nun, nicht nur
die Acidheads wissen, was alles
hinter den geschlossenen Augenlidern stattfinden kann, und was somit „meines“
ist. Ein großes, quasi immaterielles Reich erwartet uns dort. Ein Reich der
Gefühle, Gedanken, Bilder, Träume, alle Liebe findet zum Beispiel dort statt,
auch alle Wahrnehmung der Qualität im Gegensatze zur materiellen Quantität.
Selbst wenn die Augen geöffnet sind,
ist die qualitative Seite von Welt und Leben wahrnehmbar, auch wenn es dann
schwieriger ist. Der Augenschein stellt sich oft vor die Filigranität der qualitativen
Wahrnehmung. Nicht umsonst schließen Genießerinnen und Genießer oft die Augen,
wenn sie Wein verköstigen, wenn sie der Musik lauschen, wenn sie die oder den
Liebste/n sanft berühren.
Des Kaisers Welt ist die da draußen,
die unbeseelte Goldwelt, wo in den Gold- und in andere Räusche gekommen werden
kann, und wo den Indianern Glasperlen „angedreht“ werden, zum Tausch gegen das
Gold. Nun, ich habe es bei meinem Sohn gesehen: Jedes Kind (auch ich großes
Kind) ist fasziniert von wunderschönen, in allen Farben funkelnden Glasperlen,
und durchaus bereit, dagegen das Gold, „Götterdreck“, wie die Indianer es
nannten, weg zu geben. Gegen die Schönheit der Glasperlen ist die Schönheit des
Goldes eher eine imaginäre, die auf der Vorstellung des Wertes beruht, mithin
auf Magie, auf „Rausch“. „Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder. . .“, auch so
ein Heiligenwort. Es ließe sich ergänzen mit: „. . . dann werdet ihr nicht Gold
gegen Glasperlen tauschen“. (Und zum Kamel werden, welches am Nadelöhr
verzweifeln muss, während das Dingefinderkind sich an einem bunten Kiesel
erfreut. Diese Freude ist ganz innerlich).
Je mehr ich damit beginne, mich von
dem zu lösen, was des Kaisers (oder Deutschlands) ist, dem Gelde, um so mehr
beginne ich mich der anderen Welt zu zuwenden. „Sichlösen“ findet nicht in der
materiellen Welt statt, dort brauche ich die Münze des Landes, in dem ich
wohne. Ich werde weiterhin tauschen mittels des Tauschmittels Geld, da ich
nicht vermag, alles Lebensnotwendige und alles Schöne, welches ich um mich
wissen möchte, selbst herzustellen. Das ist auch gar nicht mein Begehr, bin ich
als Mensch doch ein soziales Wesen. Doch wenn ich es vermag, mich im Inneren,
in meinem Reiche der Liebe und der Qualität, der Träume und Bilder, mich davon
zu lösen, wenn ich die magische Bindung kappe, dann, ja dann löse ich einen
Teil meiner Verstrickung mit Kaiser und Staat. Ich werde weniger beherrschbar.
Ich verliere die Beherrschung. Ich bin ein Verlorener den Herrschenden.
Unabhängigkeitserklärung
Manche
Revolutionen beginnen leise.
Ich
erkläre mich selbst zu meinem eigenen Staat.
Ich
lebe auf meine eigene Weise
Und
ziehe keinen neuen Stacheldraht.
Ich
fürchte nicht, mich quer zu stellen
Zu
den Geistern der Zeit.
Das
Werden der Welt verläuft in Wellen.
Ich
halte mich für die nächste bereit.
Kennst
Du das Land, wo die Zitronen blühn?
Vielleicht
ist es mein Wintergarten.
Ich
kann dort alles, auch Petersilie ziehn.
Nur
keine Diplomaten.
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„Fraw Welt, ich muss entsagen, es ist Zeit“, sang Walther
von der Vogelweide. Die „Fraw Welt“, der hier entsagt wird, ist die Frau mit
der verführerischen Vorderseite, glänzende, nardenduftende Hure Babylon; doch
ihre Rückseite ist Moder, Grauen und Zerfall
- „Fraw Welt“, das ist die Frau,
der sich der Mann mit Geilheit nähert, jedoch: „Nach dem Beischlaf ist jedes
Lebewesen traurig“.
Doch möchte ich diese Geilheit nicht mit Sinnlichkeit zu
verwechseln. Die Bindung an die Frau, nicht an die „Fraw Welt“, sondern an die
reale Frau, welche in der Gegenwart bei mir liegt in ihrer Nacktheit und
lustvollen Hingabe, ist Liebe. Liebe, einerlei und unabhängig von der Dauer der
Begegnung, sei es die eine selige Nacht, sei es für längere, lange Zeit. Die
Gegenwart weiß davon nichts, ebenso wenig wie die Liebe. „Drum prüfe, wer sich
ewig bindet“? Es gibt nur ein Ewiges: Die heilige Gegenwart. Darum prüfe ich:
Ist Liebe und Respekt darin? Dann gibt es kein trauriges Ende nach dem
Beischlaf. Es gibt Intimität.
Am Rande bemerkt: Wo ist „Herr Welt“? -
„Herr Welt, ich muss entsagen, es ist Zeit“. Ich muss entsagen den
Vaterländern, den Stechschrittmännern, den männertümelnden Soldatenhorden.
„Mein Reich ist nicht von dieser Welt“. Der Dichter in mir mag die
Muttersprache lieber als die Vaterländer.
Wenn ich mich innerlich nicht mehr beherrschen lasse,
dann verliere ich sie, die Beherrschung.
Gebet
Göttin, lass den Wohlgeschmack der reifen
Früchte
meine Askese sein,
trage die Süße Deiner ambrosischen
Kräutersäfte
in jedes Glied meines Körpers.
Wie erfreue ich mich der Zärtlichkeit
und Wärme Deiner Töchter, Göttin,
Hand auf Haut, Haut an Haut. Wie liebe und
genieße ich
all Deine irdischen Ausformungen.
Deine freigiebige Welt so wunderbar
eingerichtet, Göttin,
die Morgenklänge der Amsel, das überwältigende
Gelb
löwenzahntragender Frühjahrswiesen,
das Salz der schwingenden Meereswellen,
das satte Gesicht des Säuglings.
Wer sich in die Himmel sehnt, den halte nicht,
Göttin.
Die blasphemischen Priester der dreiunddreißig
Himmel
und die Verächter der Erde und ihrer Gunst:
Sollen die doch dahinziehen,
wenn sie Deine Gaben nicht schätzen.
Sollen sie ihre Astral- und Kausal- und was
weiß ich -Körper nehmen
und die ihnen zugeordneten Gefilde beziehen.
Ich aber will hier unten mit meiner Geliebten
und meinen Kindern
die strahlende Lust des Lebens feiern, im Kreise
der Freunde,
in der wärmenden Sonne des Sommerabends
und lachend und selig Deine Gaben genießen,
Göttin.
Soll mein Genuss meine Anbetung sein!
- Die anderen Seiten II / 4 -
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