Montag, 18. März 2013

Aus meinem Gartentagebuch

Nun ist noch einmal der Winter da, und möchte nicht gehen. So habe ich denn heute mein Gartentagebuch aus dem Jahre 2010 herausgekramt und etwas darin geblättert. War in dem Jahr der Winter doch weit bis in den April aktiv. Da hatte der Gärtner viel Zeit, sich so seine Gedanken zu machen. 


 
Ich empfinde Gärtnern wortwörtlich als einen intensiven Kommunikationsprozess mit Pflanzen, Boden, Umgebung. So, wie unsere Körperzellen z. B. in einer chemischen Sprache miteinander kommunizieren.


Die Sprache, in der ich mit meinen Mitwesen im Garten kommuniziere, bezieht alle Sinne mit ein: Düfte, Geräusche, Texturen, die ich fühlen kann, Färbungen der Pflanzen sprechen mit mir. Alles lässt sich für mich übersetzen, wenn ich die Sinne öffne und lerne, den verschiedenen Sprachen "zuzuhören".

Es ist immer wieder bedrückend zu sehen, wie Gärten "den Bach runtergehen", "verwildern", wenn die ursprünglichen Besitzer und Besitzerinnen diesen aufgeben oder wenn sie sterben. Die Seele des Gartens besteht aus beidem: den Menschen und ihrer Umgebung. Der Garten ist nicht nur Spiegel seiner Gestalterinnen und Gestalter, er und sie sind eines. So empfinde ich es.






Vorgestern hatte ich die Kohlpflänzchen gepflanzt, Schnur ziehen, mit dem 50-cm-Maßstab die erste Reihe auslegen, pflanzen, Schnur ziehen, die zweite Reihe auf Lücke auslegen, pflanzen, Schnur ziehen. . .

Diese einfachen Arbeiten sind Erdung und Meditation für mich, nicht umsonst (und wie weise!) werden sie in der deutschen Sprache ein-tönig genannt. Was alles in einem Ton verborgen sein kan, lernte ich in den Obertonseminaren, ein Kosmos an Klängen tut sich auf, wird der eine Ton in einer bestimmten Weise gesungen. . . Manchmal (wenn ich ganz für mich bin), richte ich mich von der Arbeit auf und singe meine ein-tönige Weise, und die Atmosphäre um mich her wird klarer, durchlässiger, und dann beschleicht mich das Gefühl, von Irgendwaswerwem belauscht zu werden. . . und dieses Irgendwaswerwem freut sich. . .

. . . Schnur ziehen, dritte Reihe auf Lücke legen, pflanzen. . .



Es ist schon beeindruckend, wie produktiv der Garten ist! Wenn ich nicht so blöd wäre, und ihm abverlangen würde das zu produzieren, was ich meine zu brauchen, dann hätte ich im Überfluss: Melde, Franzosenkraut, Echte Kamille, Vogelmiere, Postelein, Hirtentäschel, Saatmohn, Ackerspörgel und anderes. Dafür ist Spinat heuer eine Saatgut-Fehlinvestition. Erst war es so lange kalt, dass er im Keimstadium lange stockte, und jetzt wurde es kurzerhand so warm, dass er gleich schoss, selbst so eine schossfeste Sorte wie "Matador". Der Spinat kann nur noch als Mulchmaterial geerntet werden. Melde ist wirklich ein leckeres, spinatähnliches Gemüse, als "Guter Heinrich" wurde es früher sogar angebaut. Sie schmeckt zwar etwas anders als Spinat (ein Oxalsäuregehalt), aber ich muss sie ja auch nicht statt Spinat essen, sondern als Meldegemüse. Ähnlich ist es mit vielem, was der Garten mir freiwillig schenkt, und das ich unwillig entferne. Vielleicht sollte ich meine Küche zum Teil dem Garten anpassen. . .


Ich bleibe trotz aller Versuche der kaschierenden Sprachregelung bei dem schönen deutschen Wort Unkraut. Eine Pflanze, die dort wächst, wo ich sie in meinem Garten nicht haben möchte, ist bei mir Unkraut. Alternativbezeichnungen? Beikraut? Nein - wenn es ein Beikraut wäre, würde ich es wachsen lassen, zum Beispiel sind der Gundermann und die Taubnessel in meinem Garten Beikräuter der Johannisbeeren und es Rhababers. Im Möhrenbeet sind sie Unkraut. Wildkraut? Nein - Das Johanniskraut, die Kamille, der Klatschmohn und die Kornblumen in meinem Garten sind Wildkräuter, die ich bewusst und wissentlich in meinem Garten ansiedle, während der Winterpostelein, aus einer Baumschule eingeschleppt, an vielen Stellen unerwünschtes Unkraut ist. Giersch ist dort, wo er bei uns wächst, unter und vor einer Stechpalme, kein Unkraut, sondern ein beliebtes Wildkraut für Heiltees und für die Küche.

Ich habe mich immer über die Gärtner amüsiert, die von Beikräutern sprechen, political correct, und diese dann mit "Basta" wegspritzen. (Solche Gärtner und Bauern gibt es wirklich, und nicht zu knapp).

Da bin ich doch lieber un-korrekt, sage Un-kraut und benutze solche Mordinstrumente wie Hacke und Grabegabel.





Gestern war endlich einmal ein Gartentag, der seinen Namen verdiente. Ich durfte beim Unkrautjäten mir viele Gedanken machen, zum Beispiel, wie produktiv das Fleckchen Erde ist, welches ich bewirtschafte. Es ist schon erstaunlich, was da alles wächst und in welcher Geschwindigkeit, wenn es denn darf. Und ich sitze dann stundenlang da, und entferne die ganze Pracht wieder, zugunsten einiger störrischer Gewächse, wie die Möhren, die immer noch beleidigt sind über den Witterungsverlauf in diesem Jahr. Ein bisschen fühle ich mich dann so, wie die besorgten Eltern, die ihrem Kind sagen: Toll, was Du alles machst und kannst, aber Musiker hat doch keine Zukunft, werde lieber Bauingenieur.

In unseren Breiten würde irgendwann Wald entstehen, wenn ich denn zuließe, und die wilden Kräuter bereiten den Boden darauf vor, dass das irgendwann geschehen könnte. Das kann eine Sicht auf die Dinge sein. Die andere wäre, dass die invasiven kleinen Biester möglichst schnell eine ökologische Nische besetzen, bevor es andere tun. Sie wachsen einfach alles zu, weil sie die schnellsten sind und die "breitesten Schultern" haben.



Fotos: Frederike Herrlich

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