Eine Milchkanne mit Henkel und Deckel,
ein Haken, um diese Kanne am Hosengürtel zu befestigen, damit beide Hände für
das Sammeln der Beeren frei bleiben: Da werden Kindheitserinnerungen wach,
Erinnerungen an Waldhimbeeren, die rot aus dem Sommerlaub leuchten,
Erinnerungen an schwarzglänzende Brombeeren und an von Stacheln zerkratzte
Beine, die in kurzen Hosen stecken. So war es immer in den Sommerferien:
Entweder ging es „in die Pilze“, oder es ging „in die Beeren“.
Nun sind die Beine und die Hosenbeine
länger und die Haare grauer, doch noch immer geht es „in die Pilze“ und „in die
Beeren“. Dieses mal nicht in die Himbeeren, diese Saison ist verpasst, die
wenigen, die noch duftend an den Ranken hängen, sind für den Mund.
Doch in der Grünanlage vor der
Klosterkirche von Fredelsloh steht ein Riesenbusch, ein Heister, der
Felsenbirne, voll mit reifen Früchten. Und, oh Wunder!, noch haben die Vögel
diese Leckerei nicht entdeckt (zwei Tage später sollte das anders sein, und es
war nichts mehr zu holen). Also am Morgen, ausgerüstet wie oben beschrieben,
geht es zum Pflücken.
„Felsenbirne“, wer wohl auf diesen
Namen für diese Früchte der Sträucher der Gattung Amelanchier gekommen ist? In Ostfriesland, wo ich eine Zeit lebte,
wuchsen sie wild und wurden von den Einheimischen „Korinthen“ genannt (und
gesammelt). Doch meistens werden die blaubereiften kleinen Früchte für giftig
gehalten, zur Freude desjenigen, der es besser weiß, bleiben sie so doch von
Menschenhand ungepflückt.
Die Felsenbirnen gehören zu der großen
Familie der Rosengewächse, die uns so viele Nutz- und Heilpflanzen spendet.
Allen voran die Rosen selber, diese Duftwunder, dann eine ganze Palette an
Stein- und Kernobst: Äpfel, Birnen, Pflaumen, Aprikosem, Pfirsiche, Kirschen,
Mirabellen, Mispeln, Quitten, dann die Beeren: Erd-, Him- und Brombeeren,
Aronia, Eberesche (Vogelbeeren), Elsbeeren, und schließlich noch eine große
Palette an Heilpflanzen: Odermennig, dieses wunderbare Leberheilkraut, Mädesüß,
als Naturaspirin (das Medikament hat seinen Namen von der botanischen
Bezeichnung für das Mädesüß: Spirea),
der Frauenmantel, unentbehrlich in der Frauenheilkunde (und zum Goldmachen),
der Weißdorn, dessen Blüten ein Herztonikum ergeben, und der unscheinbare
Tormentill, die Blutwurzel, deren Pulver sofort jede Blutung stillt.
All diese Wunder gehören in die große
Familie der Rosengewächse, diese dem Menschen so zugewandte Pflanzenfamilie.
Während ich beim Pflücken der Blaubeeren ähnelnden kleinen Früchte darüber
nachsinne, füllt sich die am Hosengürtel hängende Milchkanne.
In der Küche dann werden sie zu
Marmelade verarbeitet, dieses Mal nicht mit Zucker sondern mit von der Liebsten
geschleuderten Honig aus der Frühjahrsernte. Schließlich hat sie zwei
Bienenvölker und hat reichlich. Der Honig wird im Wasserbad verflüssigt und den
Beeren beigegeben, mit etwas Vanille und Apfelpektin wird das dann zu Marmelade
aufgekocht und in Gläser abgefüllt. Das Ergebnis ist ein sehr mild schmeckender
Fruchtaufstrich. Da es (wegen der Vögel) nicht zu einem zweiten Sammelgang
kommt, muss ich es dieses Jahr einmal dabei bewenden lassen. Nächstes Jahr
möchte ich die Beeren wieder, ohne Süßzusatz, zu Fruchmus einkochen, das ist
dann noch leckerer.
Am Morgen darauf der erste Waldgang
zur Pfifferlingstelle in diesem Jahr. Und siehe da: Die ersten Dottergelben
Kobolde lugen aus dem Moos. Es reicht für eine erste Pfifferlingmahlzeit. Wo
diese Sammelstelle wäre, wurde ich gefragt. Nun, die Wälder rund um Fredelsloh
sind weitläufig. Wer suchet der findet (vielleicht). Ich aber verrate in dieser
Hinsicht nichts.
Auf dem Rückweg wird noch ein
Kräuterbündel gesammelt, Odermennig und Mädesüß blühen gerade. Die Kräuter
dürfen trocknen und sind dann willkommener Tee.
Für die erste Waldpilzmahlzeit des Jahres |
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