Dienstag, 26. Juli 2016

Frühstück regional, oder: Fredelsloher Wilde Küche - Frühstück

Nussbrötchen, Butter, Frischkäse, Ei, Waldhimbeer- und Walderdbeermarmelade, Wildschweinleberwurst im Glas, alles aus Fredelsloh und "umzu"




Frühstück regional, oder: Fredelsloher Wilde Küche  -  Frühstück

Anlässlich des Ferienbesuches meines Sohnes in Fredelsloh präsentierte ich einmal ein Frühstück, bei dem (fast) alles aus der Gegend, oder, wie man in Bremen sagen würde, aus Fredelsloh und umzu kam: Die Brötchen wurden selbst gebacken, aus einem Hefeteig mit Dinkelmehl. Ich benutze für meine Hefeteige (Pizza, Brötchen etc.) immer einen Quark-Öl-Teig, wobei ich statt Backpulver, das normalerweise für diesen Teig benutzt wird, Hefe nehme. Dinkel wird ein Dorf weiter bei einem Biobauern angebaut, der damit eigenes Brot backt. Wenn ich, wie bei den obigen Brötchen, statt Olivenöl Butter nehme, kann ich auch die selber machen aus Bauernmilch. Nur in die Quarkbereitung muss ich mich noch (wieder) einarbeiten, dafür wird Lab verwendet. Die Körner in den Brötchen sind Walnusskerne, wir haben auf unserer Streuobstwiese auf dem Tönnieshof auch Nussbäume. Später im Jahr können in der Umgebung auch Haselnüsse gesammelt werden, dann wird das Wilde Küche – Frühstück durch Nuss-Nougat-Creme komplettiert.

Auch Butter und Frischkäse waren selbstgemacht. Aus 10 Litern Milch kann ich etwa 250 g Butter und ein Kilo Kräuterfrischkäse herstellen, in unaufwändiger Form. Die Molke, die bei der Käseproduktion entsteht, bekommt der Nachbar für seine Hühner. Von denen wiederum kommen die Eier für das Frühstück. Bei so einem Frühstück komme ich ins Erinnern: Früher hat ein Kleinbauernhof alles gehabt, ein, zwei Kühe, dito Schweine, eine Hühnerschar, dazu Kartoffelfelder, Getreide für die Tiere, Heuwiesen. Unser Nachbar der Alten Schule Fredeloh, ein „Eingeborener“, erzählt mir oft davon, dass sie so einen Hof hatten. „Wir brauchten kaum etwas kaufen“. Von der heutigen Zeit aus klingt das idyllisch, anheimelnd, doch nicht umsonst hat der Nachbar später den Hof nur noch nebenbei betrieben und ist in der Maschinenfabrik in der nächsten Stadt angeheuert. Auch war das Leben auf so einem Hof menschlich gesehen nicht immer unkompliziert, mit mehreren Generationen unter einem Dach.

Die passende Tasse dazu: "Wildfänge" (Fredelsloher Töpferware)
Anfang der siebziger Jahre, meiner Jugendzeit, war es en vogue in der Alternativbewegung, vom unverfälschten Leben auf dem Lande zu träumen. Das „Land“ schien der utopische Friedensort der Gegenwart. Auch ich wurde von diesem Virus befallen, und er ließ mich nicht mehr los. Nach einer Gärtnerlehre begab ich mich mit einer Gruppe Gleichgesinnter aufs gelobte Land. Hier stießen wir mit unseren Träumen schnell an unsere Grenzen. Zum einen waren wir als Stadtkinder den Umgang mit Tieren nicht gewohnt, und es wurde ein schweres „learning by doing“, das uns erwartete, oft zum Nachtteil der von uns gehaltenen Tiere. Zum anderen war unsere Gruppe auch so etwas wie eine Großfamilie, und auch das Leben in einer solchen will gelernt sein. Kurz, die Anfänge gestalteten sich sehr chaotisch, und ohne die gegenseitige Hilfe mit anderen Kleinbauern aus der Umgebung wären wir gründlich gescheitert.

So zeigte sich schon damals, bei der Autopsie der Utopie, dass es wohl doch nicht erstrebenswert ist, alles selbst her zu stellen, sondern sich in eine Art genossenschaftlichen Austausch mit den anderen Dörflern zu begeben. Das ist auch das, was ich hier in Fredelsloh anstrebe, nicht die Abschottung in einer vermeintlich homogenen Gruppe Menschen, die quasi „im eigenen Saft“ schmoren, sondern ein Geben und Nehmen, ein Zusammen mit anderen aus dem Dorf. Dass das hier in Fredelsloh so möglich ist, erfüllt mich mit Freude.

Zurück zum Frühstück: Die Wildschweinleberwurst aus dem Glas kommt wieder aus eigener Herstellung, die damit begann, dass ich vom Schlachter ein Kilo Wildschweinleber geschenkt bekam. Und die beiden Marmeladen wurden aus selbstgesammelten Walderdbeeren und Waldhimbeeren hergestellt. Es sind recht intensive Geschmackserlebnisse, die diese Produkte bescheren, gesamt hat es etwas Urwüchsiges, das ich sehr schätze. Für meinen Sohn hingegen ist einiges gewöhnungsbedüftig. Doch bei den Marmeladen langt er ordentlich zu. . .

Frühstückstee mit Blüten und Honig von der Liebsten
Um das Ganze abzurunden, habe ich als Getränk einen Blütentee dazu gestellt, der aus Malvenblüten aufgebrüht wurde. Die geben beim Aufbrühen eine phantastische, fast ins Türkis gehende Farbe ab. Gesüßt wird der Tee mit Honig, welcher aus den Bienenstöcken der Liebsten kommt. Meinem, unserem Traum aus der Jugendzeit, dem „unverfälschten Leben auf dem Lande“, bin ich letzlich doch recht nahe gekommen, auch wenn er sich im Ergebnis anders gestaltet, wie ich / wir früher dachten. Es ist letztlich eine sehr persönliche Utopie, die in diesem Frühstück ihren Niederschlag findet, die Lage der „Welt“ ist wesentlich komplexer, als dass sie sich mit einem Exodus aus den Städten auf das Land und mit Selbstversorgung einfach bereinigen ließe. Möge es ein Anstoß sein, sich auszutauschen. Wenn ihr mich einmal besucht, können wir uns gerne bei einem ausgiebigen Frühstück darüber unterhalten, was wohl wünschenswert wäre für Mensch und Welt. . .

Mein Sohn und ich jedenfalls gehen gleich erst einmal in den Wald, um Pilze zu sammeln. Für das Mittagessen.  

Montag, 25. Juli 2016

Die beiden Schäferjungen - Ein Märchen aus Fredelsloh

Die Einbandzeichnung des Buches "Aus Niedersachsens Märchenschatz" von Gustav Olms



Die beiden Schäferjungen  -  Ein Märchen aus Fredelsloh

Dies ist ein Märchen, das ich in dem Buch „Aus Niedersachsens Märchenschatz  -  Schöne alte Volksmärchen und Schwänke aus Niedersachsen, gesammelt und herausgegeben von Karl Henniger und Johann von Harten“ (1923) mit dem Zusatz „Aus Fredelsloh im Solling“ gefunden habe. Illustriert hat das Büchlein Gustav Olms (1864 – 1930).

Schrieben doch schon die Gebrüder Grimm, unsere vertrauten Märchenonkel: „Es wird dem Menschen von Heimatswegen ein guter Engel beigegeben, der ihn, wenn er ins Leben auszieht, unter der vertraulichen Gestalt eines Mitwandernden begleitet  . . . Diese wohltätige Begleitung ist das unerschöpfliche Gut der Märchen, Sagen und Geschichten, die uns die Vorzeit als einen frischen, lebendigen Geist nahe zu bringen suchen.“

Nun ist das Märchen von den beiden Schäferjungen eher ein Alltagsmärchen, ohne Prinzessinnen, die erlöst werden wollen, ohne Rätselfragen und ohne des Teufels Großmutter. Allenfalls eine Räuberbande kommt darin vor. Ich mag auch gar nicht so viel in diese eher drollige Geschichte hineingeheimnissen, doch beim Lesen schien mir manches als eine Parabel auf unsere traumdunklen Zeiten. Fürchten wir uns nicht auch vor unserem eigenen Schatten, und werfen ihm unsere Speisen und Löffel hin, anstatt einmal inne zu halten und ihn uns genauer anzuschauen? Versuchen wir nicht auch, das freie Schweifen von Gefühlen und Gedanken wie der Schäfersjunge die ungezogenen Schafe durch Abtöten still zu bekommen? „So, nun lauft ihr mir nicht mehr weg!“

Und wenn wir dann feststellen, dass unsere Dummheit Schaden angerichtet hat, versuchen wir nicht auch, einfach weg zu laufen? Da ist der Klügere nicht klüger als der Dumme. Und beide sind gefräßig genug, um sich in der Nacht noch unrechtmäßig ihren Teil zu holen. Nur, wenn sie dann noch Dümmeren begegnen, geht die Geschichte wenigstens gut aus. Im Märchen. In der heutigen Zeit hoffe ich dennoch, dass sich die Menschen noch einmal besinnen, und lernen, dass sich weder das Räubern lohnt, noch die Dummheit, die sich als Klugheit ausgibt, und nach Hause kommen und. . . Schafe hüten.

Auf jeden Fall zeigt dieses Märchen, dass früher auch nicht alles besser war, und Dummheit und Gefräßigkeit und Raubgier herrschten. Es sieht wohl auch heute noch so aus: „Sicher haben die Dummen oft das meiste Glück in der Welt“. Doch haben wir noch heute in Fredelsloh eine Schäferin, und die ist alles andere als dumm, und lässt ihre Schafe zusammen mit Ziegen die Kalkmagerrasen auf der Weper abweiden, so dass uns die dort ansässige seltene Flora erhalten bleibt und nicht von Gesträuch und Gestrüpp überwuchert wird. Landschaftspflege. Kein Märchen.

Vor alter Zeit lebte einmal ein Schäfer, der hatte zwei Jungen, einen dummen und einen klugen. Eines Tages hatte der Vater keine Zeit, und die beiden mussten die Schafe hüten. Als es nun gegen Mittag kam, sagte der Kluge zum Dummen: „Geh nach Haus und iss, und bring mir auch einen Topf voll Essen mit; vergiss aber den Löffel nicht!“

Der Dumme tat, wie ihm sein Bruder gesagt hatte. Es war aber Sommer, und die Sonne schien hell. Wie der Junge auf dem Herwege sich einmal umguckte, sah er seinen Schatten hinter sich; in seiner Dummheit aber glaubte er, es wäre ein schwarzer Mann, der etwas von seinem Essen abhaben wollte. „Geh weg!“ sagte deshalb der Junge und blieb ärgerlich stehen. Nun blieb der Kerl auch stehen. Als der Junge aber weiterging, war der Schwarze wieder hinter ihm. „Na, da hast du einen Löffelvoll; damit gibt dich zufrieden!“ sagte der Junge und warf seinem Schatten einen Löffelvoll Essen hin. Doch das half nichts: der Schatten blieb ihm nach wie vor auf dem Hacken. Da gab er ihm noch einen Löffelvoll, dann noch einen und so fort, bis nichts mehr im Topfe war. Und als der Kerl immer noch mitging, warf er ihm auch noch den Löffel und den Topf hin.

Als er nun zu seinem Bruder kam, fragte der nach seinem Essen. Da erzählte der Dumme, wie es ihm mit dem schwarzen Kerl ergangen wäre. „Ach“, rief der andere, „habe ich je so einen Dummerjahn gesehen! Das war ja dein Schatten. Mit dir ist´s schlimm, und mit deiner Dummheit nimmt es mal kein gutes Ende!  -  Doch du hast nun gegessen; jetzt bleib du bei den Schafen, und ich gehe hin und esse. Aber dass du mir die Schafe immer hübsch beisammen hältst und keins verlierst!“ Der Dumme versprach alles, und der andere ging.

Doch die Schafe wollten dem Jungen nicht gehorchen; bald liefen sie hierhin, bald dahin; er konnte sie nicht beisammen halten, so große Mühe er sich auch gab. Da wurde er zuletzt wütend, nahm sein Messer, schnitt den Tieren der Reihe nach den Hals ab und warf sie alle auf einen Haufen. „So“, sagte er, „nun lauft ihr mir nicht mehr weg!“

Als der Bruder wiederkam und sah, was der Bengel angerichtet hatte, erschrak er nicht schlecht. „Junge“, rief er, „was hast du gemacht? Jetzt können wir nur Reißaus nehmen; denn zu Hause dürfen wir uns nicht mehr blicken lassen. Habe ich´s nicht immer schon gesagt, dass du noch einmal was anrichten würdest! Nun ist das Unglück geschehen!“ Das sah denn auch der Dumme ein, und sie machten sich, was siehst du, was hast du, davon.

Sie gingen den ganzen Tag. Gegen Abend kamen sie auf einen Bauernhof, und weil es schon dunkel wurde, so fragen sie, ob sie dort wohl über Nacht bleiben könnten. „Ja“, sagte die Bauersfrau, „das könnte ihr; aber morgen früh müsst ihr mir dreschen helfen!“ Damit waren die beiden einverstanden. Als nun das Abendbrot aufgetragen wurde, mussten die Jungen mit an den Tisch setzen. Es gab  Erbsensuppe, und die beiden ließen sich´s gut schmecken. Doch als sie gerade im besten Zuge waren, meinte der Bauer: „Mit Erbsen kann man sich leicht den Magen überladen, und dann gibt es schwere Träume. Besser ist es, wir hören jetzt auf.“ Damit legte er den Löffel weg, und die anderen hörten auch auf. Noch ganz hungrig mussten die beiden Schäferjungen vom Tische weg auf den Heuboden, wo sie schlafen sollten.

Als sie eine Weile gelegen hatten und im Hause alles still war, sagte der Dumme zu den andern: „Ich bin aber noch so hungrig.“  -  „Ich auch“, flüsterte der Kluge. Nach ´ner Weile fing der Dumme wieder an: „Du, ich habe gesehen, wohin die Frau den Topf mit Erbsen gestellt hat. Weißt du was: Ich hole ihn her!“  -  „Ja, das tu!“ sagte der Älteste. Da schlich sich der Junge herunter und brachte auch den richtigen Topf mit den Erbsen, und die beiden aßen sich tüchtig satt.

Darauf sagte der Kluge zu seinem Bruder: „Nun können wir nur die Tür auf den Nacken nehmen und weglaufen; denn hier ist unsers Bleibens nicht länger!“  -  „Gewiss“, meinte der andere, „ich bin dabei; dreschen ist sowieso nicht mein Fall. Doch erst will ich noch einen Topf voll Erbsen mit auf den Weg nehmen; ich habe vorhin gesehen, der Stieltopf steht im Ofen und ist noch ganz voll.“ Damit schlich er sich noch einmal in die Stube und holte noch einen Topf voll Erbsen, und dann nahm er  -  da er doch alles wörtlich verstand  -  die Hecketür auf den Nacken und machte sich hinter seinem Bruder her.

Sie gingen nun immer weiter, bis sie in einen großen Wald kamen; darin war es so finster, dass sie keine Hand vor Augen sehen konnten. Sie beschlossen daher, hier über Nacht zu bleiben. In dem Walde gab es aber Räuber; deshalb sagte einer zum andern: „Lasst uns auf einen Baum steigen; denn sonst, wenn uns die Räuber finden, sind wir verloren!“ Das taten sie denn auch, und der Jüngste nahm die Tür samt dem Topf voll Erbsen mit hinauf.

Kaum hatten sie oben Platz genommen, so kamen auch richtig Räuber daher, die setzten sich gerade unter diesen Baum und fingen an, ihr Geld zu zählen. Den beiden Jungen klapperten vor Angst die Zähne im Kopfe; aber keiner rührte und regte sich. Als die Spitzbuben stundenlang sitzen blieben und keine Anstalt zum Weggehen machten, wurde dem Jüngsten zuletzt seine Last zu schwer, und er flüsterte seinem Bruder ins Ohr: „Ich kann meinen Topf nicht mehr halten; ich gieße etwas heraus.“  -  „Tu das ja nicht“, flüsterte der andere, „sonst kommen die Räuber herauf und machen uns tot!“ Doch der Dumme sagte: „Ich kann nicht mehr. Ich tu es doch!“  -  „Na, denn in Gottes Namen!“ sagte zitternd der andere. Und gleich goss der Jüngste die Brühe aus dem Topfe, dass es nur so herunter pladderte, gerade den Räubern auf die Köpfe. Die Spitzbuben waren aber so mit ihrem Gelde Beschäftigt, dass sie nicht weiter aufsahen und bloß vor sich hin sprachen: „Gott beschert uns einen warmen Regen!“

Eine Zeitlang verhielt sich der Dumme ruhig; dann fing er wieder an: „Der Topf ist noch so schwer, weißt du was, ich schütte alles heraus.“  -  „Junge“, meinte der Bruder, „tu das nicht; sonst kommen die Räuber herauf und machen uns tot!“  -  „Und ich tu es doch!“ trumpfte der Kleine auf. „Na, denn in Gottes Namen!“ sagte leise der Große. Nun schüttete der Dumme auch die Erbsen herunter. Als die den Räubern um die Köpfe tröpfelten, sagten sie: „Gott beschert uns warmen Brei!“

Eine ganze Weile war alles still; dann fing der Dumme wieder an: „Die Tür drückt mich sehr; das beste ist, ich werfe sie herunter.“  -  „Dummer Junge“, schalt der Große, „weshalb hast du sie mitgeschleppt? Nun behalt sie auch oben! Wirfst du sie hinunter, so kommen die Räuber herauf und machen uns tot!“  -  „Du hast es mir doch selber gesagt! Und ich kann sie nicht mehr halten; ich werfe sie weg.“  -  „Na, wenn du nicht hören willst“, sagte der andere, „dann wirf sie weg in drei Teufels Namen!“ Jetzt ließ der Dumme die Tür fallen, dass sie nur so im Baume herunter klabasterte. Als das die Spitzbuben hörten, ließen sie sich ins Bockshorn jagen, dass sie aufsprangen und riefen: „Der Himmel zerbricht! Der Himmel zerbricht!“ Sie liefen ohne ihr Geld davon und ließen sich auch nicht wieder blicken.

Am andern Morgen stiegen die Jungen vom Baume herunter, nahmen das Geld, das die Räuber hatten liegen lassen, und gingen wieder nach Hause zu ihrem Vater, und der war froh, dass er die Jungen wieder hatte. Noch mehr freute er sich, als sie ihm das Geld gaben; denn nun konnte er sich wieder eine Herde Schafe kaufen, mehr noch, als er gehabt hatte. So haben die Dummen oft das meiste Glück in der Welt.



Samstag, 23. Juli 2016

Mittelalterofenbrand Keramikum Fredelsloh: Fredelsloher Sagen neu erzählt

Der Mittelalterofen im Keramikum Fredelsloh



Fredelsloher Sagen neu erzählt

Der Mittelalterofen im Keramikum Fredelsloh soll vom 1. August an bestückt werden und ab dem 2. oder 3. August werden die Keramiken brennen. Die folgenden Tage und Nächte nähern wir uns wieder dem Schmelzpunkt des Fredelsloher Tons an und lassen die Feuerfüchse tanzen. Da das Feuer im Ofen Tag und Nacht unterhalten werden muss, ist der Mittelalterofenbrand auch eine Art Fest. Am Abend der ersten Nacht (also vom 2. auf den 3. 8. oder vom 3. auf den 4. 8.) werde ich eine Lesung mit Musik veranstalten, „Fredelsloher Sagen neu erzählt“.

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„Sehen sie die Kirche?“ Ich bejahte. „Es gibt da eine Geschichte aus dem früheren Klosterleben, die ich ihnen, junger Mann, gerne erzählen möchte“. Ich nickte und lauschte, und so begann er: 

Mittelalterofen, Detail
„Sie stammt aus der Zeit, als das Kloster und die Kirche noch von den Nonnen unterhalten wurde, das ist schon einige hundert Jahre her. Schon immer wurde das Tal, in dem das Kloster mit seiner Kirche gebaut war, von Unwettern heimgesucht, das ergab sich aus seiner Lage zwischen dem Hainberge, der Ahlsburg und dem Höhenzug der Weper, auf dem wir uns jetzt befinden. 

Doch damals war das nicht nur ein Gewitter, dass sich über dem Friedensort entlud, sondern, so heißt es in der alten Geschichte: `Einst entlud sich über dem Kloster Fredelsoh ein furchtbares Unwetter. Schon zwei Tage zuckten unaufhörlich die Blitze, rollte furchtbar der Donner und gossen wolkenbruchartige Regen hernieder`“

Während der alte Herr erzählte, sah ich, wie unten im Tale sich der Himmel um die Türme der Klosterkirche verdunkelte, als würde eine schwarzblaue Wolke herabsinken. „Und obgleich die frommen Klosterjungfrauen heiße Gebete gen Himmel sandten, so zeigte sich noch immer keine Hoffnung auf das Weichen des Unwetters, und den Frauen schien es, als sei die Hölle auf sie herab gekommen. Am Morgen des zweiten Tages trat eine der Nonnen, es war die jüngste von allen, vor die Äbtissin und sagte: 

`Mir träumte in der tiefen Nacht,
ich sei zum Opfer dargebracht,
mich in des Himmels Licht zu stellen,
um mich herum des Tages Nacht erhellen,
und werd´ durch diese tiefe Treue
entführt in des hohen Himmels Bläue`

Und die Nonne bat, hinaus aus den Mauern des Klosters geführt zu werden. Doch die Äbtissin wollte davon nichts wissen. Als dann die vierte Nacht anbrach, trat die Nonne wieder hervor: 

`Mir träumte in der tiefen Nacht,
ich sei zum Opfer dargebracht,
mich in des Himmels Licht zu stellen,
um mich herum des Tages Nacht erhellen,
und werd´ durch diese tiefe Treue
entführt in des hohen Himmels Bläue`

Und so harrten die frommen Frauen in den klammkalten Klostermauern eine weitere Nacht aus, singend, murmelnd, betend. Um das verdüsterte Kloster pfiffen und kreischten die Winde, rauschten die Regenfälle, zuckten die Blitze. Als auch diese dritte Nacht mehr schlecht als recht überstanden war, trat am im Morgengrauen die Nonne abermals vor die Äbtissin:

`Mir träumte in der tiefen Nacht,
ich sei zum Opfer dargebracht,
mich in des Himmels Licht zu stellen,
um mich herum des Tages Nacht erhellen,
und werd´ durch diese tiefe Treue
entführt in des hohen Himmels Bläue`

Als die Äbtissin wieder davon absah, dem Gesuch der Jungfrau nachzukommen, und die Klostertüren verschlossen hielt, da gelobte die junge Nonne bei der Jungfrau Maria selbst, sich hier und jetzt im Kloster zu entleiben. Da endlich erteilte die Äbtissin der jüngsten Schwester ihre Genehmigung zu dem Vorhaben, aber sie tat es nur mit schwerem Herzen, denn sie hielt sie besonders lieb und wert. Feierlich ward die Arme jetzt am Altar dem Himmel geweiht. Nachdem dies geschehen, führten zwei der Schwestern sie hinaus in den Klostergarten. Noch waren sie nicht weit gegangen, als auch schon ein Blitzstrahl hernieder fuhr und die Auserkorene augenblicklich tötete, während die anderen beiden unversehrt blieben. Noch ehe diese heimgekehrt waren, hatten sich auch schon die Wolken geteilt und verzogen, nach dem grausen Unwetter zeigte sich jetzt das reine, blaue, im Sonnenstrahl herrlich schimmernde Himmelszelt.“

(Die Sage ist entnommen dem Buch von Karl Scheibe „Fredelsloh. Geschichte des Dorfes und Klosters“ 1899, neu herausgegeben von Arno Schelle, Fredelsloh, ich habe sie in einigen Dingen geändert, doch der Prosa-Grundtext ist fast identisch)


Freitag, 15. Juli 2016

Strawberry Fields Forever





Strawberry Fields Forever

So hat es mich noch einmal „in die Walderdbeeren“ getrieben. Sie ist doch einfach zu lecker, diese Marmelade aus den kleinen Dingern. Beim Pflücken ist jede/r für sich und bei sich, und die Gedanken dürfen mäandern. Heute bin ich mit dem Fluss meiner Gedanken wieder einmal bei der Utopie gelandet, beziehungsweise, beim Fehlen der Utopien. Ein Freund sagte das letztens, dass die Utopien ausgestorben sind, „man“ ist jetzt „Realist“. Doch ich finde es wichtig, von der Utopie aus zu denken, sie als Richtschnur zu nehmen für das tägliche Handeln. „Ideale sind wie Sterne, man kann sie nicht erreichen, doch sie weisen einem den Weg“, das ist ein spanisches Sprichwort.

Um die Menschenwelt ist es nicht zum Besten bestellt, das ist offensichtlich. Ich schreibe hier von „Menschenwelt“, denn ich meine, nicht „die Welt“ ist schlecht. Unsere Welt ist eher schön und liebenswert. Wenn ich mir Sammeleimer und den Wanderstock nehme, und die Wege außerhalb von Fredelsloh gehe, um zu meinen „strawberry fields“ zu gelangen, darf ich mich immer wieder an der Landschaft und ihrer Vielgestaltigkeit erfreuen, werde auf dem Weg von den Ziegen begrüßt, die auf der Weper zusammen mit Schafen gehalten werden, um auf den Kalkmagerrasen für die selteneren Pflanzen das Buschwerk nieder zu halten; ich darf mich an den Blüten von Wildorchideen, Skabiosen, Hauhechel und vielen anderen erfreuen, dazwischen gaukeln die Falter, welche die Blüten besuchen; über mir, in den Büschen und Bäumen, welche den Wanderweg säumen, reifen die Früchte heran, wilde Kirschen, Mirabellen, Schlehen, und noch weiter über mir, im blauen Himmel, zieht der Milan seine Kreise.

Das alles sind Zeichen einer Welt, an deren Schönheit ich mich erfreuen kann, und wenn ich das alles erleben darf, bekomme ich ein Gefühl dafür, wie die Welt „gedacht“ ist. Nein, die „Welt“ ist nicht zu verbessern. Allenthalben das Verhalten von uns Menschen bräuchte wohl dringend eine „Verbesserung“. Wir sind gerade dabei, das, was diese Welt ausmacht, ihre Schönheit in ihrer Vielfalt um des menschlichen Eigennutzes willen zu zerstören.

Es ist nicht die „Welt“, die uns mit Kriegen gegen uns und alles überzieht, wir überziehen die Erde mit Krieg, Zerstörung, Gewalt. Und da gibt es nicht den „Zweiten Weltkrieg“ und den „Ersten“, als zeitlich begrenzte Ereignisse, die letzten paar hundert, ja, tausend Jahre, hält dieser Krieg der Menschen gegen die Welt an. Da waren die Völkerwanderungskriege und die Römerkriege, die Kämpfe, mit denen die Christianisierung einherging, da waren der dreißigjährige Krieg, der Mitteleuropa massiv entvölkerte, da waren der siebenjährige Krieg, unter dem auch meine Wahlheimat hier litt, und so weiter, und dazwischen Bauernkriege, Scharmützel, kleine und große Feldzüge, und dazwischen Ausbeutung und Kahlschlag der Natur ringsum, Grobheit und Gewalt den einfachen Menschen gegenüber und der einfachen Menschen untereinander, Hexenverbrennungen, schwarze Pädagogik, unglaublich niederdrückende Arbeitsverhältnisse der Tagelöhner auf dem Land und in den Fabriken.

Wir Menschen haben der Welt weder Schönheit noch Frieden gebracht, sondern sind immer und überall als Eroberer gekommen. Sicher, es gab (und gibt) immer auch Menschenoasen, in denen Menschen mit der Welt in Eintracht und Frieden lebten, doch dann kamen andere, wie zum Beispiel in historischer Zeit die Weißen nach Nordamerika, und die Idylle war dahin. Nein, wir Menschen sollten uns nicht in den Gedanken versteigen, die „Welt zu verbessern“. Diese gute und bessere Welt zerstören wir gerade.

Doch die Welt ist alt genug, hat seit ihrer Entstehung einiges an Katastrophen, Klimawandel und Eiszeiten überlebt, und ist immer wieder in alter Schönheit erblüht, sie wird auch uns Menschen überstehen. Denn Schönheit ist ihr inneres Wesen. Wir Menschen dürfen uns entscheiden, ob wir dazu gehören wollen, ob wir eins damit sind, oder ob wir als Eroberer kommen, und uns „die Erde untertan“ machen, um ihr unseren gewalttätigen Stempel aufzudrücken. Mit diesem Versuch, der zusehens am Scheitern ist und absehbar scheitert, stellen nur wir uns außerhalb „der Welt“.

Wenn ich nun versuche, meine Utopie in Worte zu kleiden, dann komme ich immer wieder dahin: Ich bin als menschliches Wesen eines mit der Erde und ihren Wesen, im Grunde untrennbar verbunden, als ein Teil, das aus ihr kommt und in sie geht. Ich möchte im Konsens mit allen Wesen leben, mit ihrem Werden, Sein und Vergehen, ebenso wie alle Wesen auch werden, sein, vergehen, und, wenn es denn so ist, nach Staub und Asche wieder in die Schönheit der Welt zurückkehren. Im Konsens mit allen Wesen, also auch mit uns, den Menschenwesen.

Daher kann ich keine „konkrete Utopie“ anbieten. Ich kann mich als einzelnes Wesen in meiner Eigenart, die mein Beitrag zu der unglaublichen Vielfalt der Welt ist, einbringen. Ich vermag meine Gedanken zu sagen und aufzuschreiben. Ich vermag auch einige  Wünsche anzubringen, hinsichtlich des Lebens von uns Menschen untereinander, ich verabscheue psychische und physische Gewalt zum Durchsetzen von Zielen, ich vermag nicht zu verstehen, wie einem Menschen dieses Land, dieser Wald, diese Wiese „gehören“ kann. Alles gehört sich selbst, und anderes ist eine Illusion, eine Illusion, die letztlich mit Gewalt durchgesetzt wurde.

Ich wünsche mir eine gemeinschaftliche Lebensweise von uns Menschen, in der sich jede/r nach seiner, ihrer Art entwickeln darf, und nicht durch die Egoismen anderer, vermeintlich stärkerer, doch im Grunde nur grausamer und gewalttätigerer, zu Dingen gezwungen zu werden, die wesensfremd sind. Ich weiß, dass sich solcherart Leben, gemeinschaftlich, im Konsens mit allen und allem zu handeln, eine Möglichkeit ist, die wir als Menschen ergreifen können.

Von dieser Utopie lasse ich nicht ab, sie ist die Quelle in mir, aus der mein Lebensmut sprudelt. Auch ich bin nicht unbeschadet durch die Schule dieser Gesellschaft gegangen, in der jahrhundertelang die Verletzungen und Traumata von Generation zu Generation gereicht wurden, und in jeder Generation neue hinzu kamen. Auch ich bin verletzt, ungerecht, fühle, dass die Gewalt in mir wohnt, auch wenn ich ihr kein zu hause bieten möchte. Ich kann nur durch Wissen damit umgehen. Durch das Wissen, dass das Menschsein, welches zu den heutigen schlimmen Zuständen geführt hat, auch in mir ist. Wenn ich den Ungeist benennen kann, dann vermag ich mit ihm umz gehen. Dann vermag ich ihn in mir zu bannen. Mehr ist mir nicht gegeben.

Doch eine „konkrete Utopie“ kann ich nicht anbieten. Wenn ich eine „schöne neue Welt“ zeichnen wollte, um von dieser Blaupause aus die „Welt“ zu „verändern“, dann käme ich wieder als Eroberer. Ich kann durch Äußerung meiner selbst einen Teil dazu beitragen, dass sich etwas ändert, doch den Konsens zum gemeinsamen friedlichen Miteinander können wir eben nur  -  friedlich miteinander entwickeln. Eben darum vermag ich nicht zu sagen, wie Weg und Ziel für uns alle auszusehen hat. Meine Utopie ist eine sehr persönliche Utopie.

Während in dieser Art meine Gedanken mäandern, knie ich im rotbetupften Grün meines „strawberry fields“, atme den heranwehenden Duft von Lindenblüten ein und das Aroma der Walderdbeeren, lausche dem Ruf eines vorbeiziehenden Turmfalken, fühle die Sonnenstrahlen auf dem Rücken, welche mich durch das Blätterwerk der schützenden Haselzweige erreichen; meine Fingerkuppen nehmen mehr und mehr die Farbe der Beeren an, die ich pflücke. Manchmal schlecke ich sie ab, und schmecke süß.


Donnerstag, 14. Juli 2016

Wilde Küche - Pilzextrakt

Eichhäslein im Walde. . .


Wilde Küche  -  Pilzextrakt

Zwei Fundstücke kamen zusammen  -  eines aus dem Walde, ein Eichhase, ein Pilz aus der Familie der Porlinge, und ein Vermerk in dem Buch „Pilzwanderungen  -  Eine Pilzkunde für Jedermann“ von Fritz Engel (aus dem A. Ziemsen – Verlag, Wittenberg Lutherstadt 1967) über die Herstellung von Pilzextrakt.

Der Eichhase ist eine seltene und seltsame Erscheinung: Eine große Menge Pilzhütchen wachsen aus einem dicken Strunk heraus, und er kann sehr groß werden. Mein Exemplar wog 2,75 kg, dabei hatte ich nur die Hälfte des Pilzes mit genommen. Letztes Jahr fanden wir schon an der gleichen Stelle Eichhasen, und wir ließen einen der beiden stehen. Dieser Hase ist standorttreu, und erscheint jedes Jahr wieder am gleichen Ort.

Letztes Jahr hatte ich das meiste getrocknet, und dabei fest gestellt, dass dieser Pilz ein ausgezeichneter Würzpilz ist. Auch die Weiterverarbeitung zu Pilzmehl (im oben erwähnten Buch empfohlen), erwies sich als gute Idee. Damit lassen sich wohlschmeckende Saucen und Brotaufstriche herstellen.

Heuer habe ich wieder damit begonnen, die Pilzteile zu trocknen, da las ich in den „Pilzwanderungen“ folgendes: „Pilzextrakt wird aus sauberen Pilzabfällen, Massenpilzen, geringwertigen und vor allem stark aromatischen Arten gewonnen. Die zerschnittenen und gesalzenen Pilze werden anhaltend gekocht. Der Saft wird von Zeit zu Zeit abgeschöpft. Zuletzt lässt man den Brei durch ein Tuch antropfen. Der Saft wird bis Sirupdicke eingekocht und in weithalsigen Glasflaschen, am besten mit eingeschliffenem Glasstöpsel, gut verschlossen aufbewahrt. Gewürzt wird der Saft erst vor der Verwendung. Gut aufbewahrt, halten sich Pilzmehl und Pilzextrakt unbegrenzt.“

Solcherart Rezepte machen mich neugierig, und nun hatte ich einen „stark aromatischen Massenpilz“. Vorsichtig, wie ich bin, wurde ein Teil des Pilzes in das Dörrgerät verbracht. So habe ich auf alle Fälle getrockneten Eichhasen. Die größere Menge salzte ich und setzte sie mit Wasser auf (Meiner Neigung folgend, für solche Sachen das gute Quellwasser aus dem Kapellenbrunnen in Fredelsloh zu verwenden). Ich begann gleich mit einem Fehler, hatte das Rezept zu ungenau gelesen. „Gekocht“ bedeutet für mich, in Wasser gekocht, und das tat ich denn auch. Nur war mein „Schwapp“ Wasser recht groß, und die Pilzstückchen schwammen. Das war im obigen Rezept wohl nicht so gemeint. Das verwendete Wasser muss ja auch wieder verschwinden, wenn das Ganze auf „Sirupdicke“ eingekocht werden soll. Das nächste Mal füge ich nur wenig Wasser hinzu, und lasse die Pilzstückchen eher „ausschwitzen“, Pilze verfügen ja über genug eigenes Wasser, und das geben sie beim Erhitzen ab. Daher steht in dem Rezept auch: „Der Saft wird von Zeit zu Zeit abgeschöpft“. Im Zweifelsfalle lieber etwas Wasser nachgießen.

Bei der Salzmenge ist das Rezept recht ungenau, jetzt weiß ich, dass ich zu Beginn nicht allzu sehr salzen werde, denn beim Einkochen bleibt das Salz erhalten, die Menge wird aber geringer. Kann also passieren, dass der Extrakt stark salzig ist (was als Würze für Suppen nicht unbedingt von Nachteil ist). Dann musste ich noch etwas korrigieren: Ich hatte den Pilz vor dem Kochen zu grob zerkleinert. Je kleiner die Teile sind, um so effektiver ist das Auskochen. Bei mir half der Pürierstab nach, mit dem ich die kochenden Pilze im Sud so zerkleinerte, dass die einzelnen Stücke ca. 1 cm stark waren.

„Anhaltend gekocht“, darüber durfte ich mir auch Gedanken machen. Ich weiß, dass Fonds, sei es von Knochen und Fleisch, sei es von Gemüse, sehr lange köcheln müssen. Ich ließ die Pilzteile ca. 2 ½ Stunden köcheln, wobei ich immer einmal wieder den Sud abschmeckte. Als er mir kräftig genug erschien, gab ich die Pilzmasse samt Sud durch ein Haarsieb. Den Pilzbrei drückte ich mit einem hölzernen Kochlöffel aus. Ich setzte die ausgekochten Pilzreste mit etwas Wasser erneut auf, der Neugierde halber. Doch es ließ sich nichts mehr an Geschmack gewinnen. Durch das Zufügen des Salzes zum Kochwasser des ersten Ansatzes waren die Pilze „ausgesogen“.

Nun noch der Akt des Einkochens des Sudes auf Sirupkonsistenz. Da steht das noch einmal ca. 1 – 2 Stunden auf dem Feuer. Das sind die Augenblicke, wo ich wieder über ein Sudhaus für Fredelsloh nachdenke. Eine Scheune oder ähnliches, in dem ein großer Küchenofen steht, der mit Abfallholz beschickt wird, das nicht für die Kaminöfen taugt, und das es hier reichlich gibt. Ein Gebäude dafür gibt es. Früher wurde auf den Dörfern im Solling gemeinsam Zwetschgenmus gekocht, da waren fast alle Dörfler daran beteiligt, und es war ein Fest. Auch um Apfeldicksaft und anderes, was lange auf dem Feuer stehen muss, wäre das ein Gewinn. Außerdem kann man im Backofen währenddessen Brot und Kuchen backen.

Zurück zum eigenen Herd. Zu Anfang dachte ich „Sirupkonsistenz  - das wird nie was!“ Erst kurz vor Schluss dickt es an, und ab da muss ich gut aufpassen, dass nichts anbrennt, also immer wieder rühren. Bis das dann wirklich eine Art Sirup geworden ist, blieb kaum noch etwas übrig. Ein kleines halbes Glas voll wurde es, ich hätte doch den gesamten Pilz dafür nehmen sollen.

Und das Ergebnis? Eine sehr intensive Würzpaste, die bei mir leider etwas zu salzig geriet. Sie erinnert in Farbe, Aroma und Konsistenz an die Hefeextraktpasten, die ich von früher her so gut kenne, und die damals in keinem „Szene“- Haushalt fehlten. Das zeigt denn auch in etwa die Richtung an, wie das Extrakt zu verwenden ist, zur aromatischen Anreicherung von Suppen und Saucen.

Hefe besteht auch aus Pilzen, so dass diese Geschmacksähnlichkeit wohl kein Zufall ist. Im oben genannten Büchlein heißt es: „Ihren gesundheitsfördernden Wert und ihren einzigartigen Geschmack verdanken Pilzgerichte und Speisen, denen Pilze zugesetzt sind, vor allem der Glutaminsäure, einen in der Medizin und in der Nahrungsmittelindustrie hochgeschätztem Geschmacksstoff. Pilze sind das Nahrungsmittel, das die meiste Glutaminsäure enthält²  ( ² Urania, Jahrg. 23, Heft 8, August 1960)“ Was von den anderen Wirkstoffen des Eichhasen, er ist ein Vitalpilz, und wird in der traditionellen chinesischen Medizin verwendet, im Extrakt noch vorhanden ist, weiß ich nicht.

Fazit: Eine recht aufwändige Methode, doch wenn es große Mengen an Pilzen gibt, lohnt es sich durchaus, diese Mengen so zu verwenden. Ansonsten trockne ich für Saucen die Pilze lieber.

Dienstag, 12. Juli 2016

Wilde Küche im Glas

Wildschweinleberwurst im Glas

Wilde Küche im Glas

Manchmal geschieht Unvorhergesehenes, und dann verläuft der Tag etwas anders als gedacht. So auch heute. Da bekam ich vom Dorfschlachter ein Kilo Leber vom Wildschwein geschenkt. Für ihn lohnt sich die Verarbeitung einer so geringen Menge nicht. Und ich freute mich, denn jetzt kam die Gelegenheit, einmal Kindheitserinnerungen zu frönen, und wie weiland meine Großmutter Leberwurst im Glas zu produzieren. Ich esse ja gerne Leberwurst, nur leider selten, denn nicht immer ist für mich Fleisch nach meinen Qualitätsansprüchen an die Haltung und die Schlachtung der Tiere zu bekommen.
Also, das hatte ich denn: Das Kilo Wildschweinleber, dazu noch etwa 500 g mageres Rindfleisch. Nun stand in allen Leberwurst im Glas - Rezepten, dass die Leber und das Fleisch in Wurstbrühe gekocht werden solle. Woher nehmen und nicht stehlen? Zum Glück hatte ich noch Rinderfond in Gläsern von einer Schlachtaktion in Grimmerfeld letztes Jahr. dort wurde ein Weiderind geschlachtet, und ich bekam für meine Hilfe beim Zerteilen unter anderem eine erkleckliche Menge Fleischknochen, die ich zu Fond verarbeitete. Und: Ich hatte den Fond nicht entfettet, so dass ich jetzt auch etwas Fett zu der Wurstmasse geben konnte.

Ich hab eine Zwiebel und zwei Zehen Knoblauch fein geschnitten und in etwas Fond angedünstet, dann mit dem restlichen Fond und etwas Wasser abgelöscht und das kleingeschnittene Fleisch und die kleingeschnittene Leber da hinein gegeben und darauf geachtet, dass die Temperatur nicht zu hoch ist, 85° ist für die Leber ideal, sonst kann es passieren, dass sie zu hart wird.

Nach ca. 10 Minuten war die Leber gegart. Da ich keinen Fleischwolf habe, kam sie zusammen mit dem Fleisch, dem Knoblauch und der Zwiebel in die Küchenmaschine und wurde zu einer Paste verarbeitet. An Gewürzen gab ich etwas Salz, Majoran und Muskat dazu, aber nur so viel, dass nichts durchschmeckt. Abgerundet soll es sein, mehr nicht. Ist die Masse zu trocken und zu krümeling, kann ich etwas von der Brühe dazu tun.

Meine Großmutter hatte ihre Leberwurst in 1 Liter Weckgläsern eingemacht, doch das ist mir zu unhandlich und zu viel auf einmal. Ich habe also 230 ml Marmeladengläser genommen, die mit der weiten Öffnung oben. Beim Abfüllen achtete ich darauf, dass mindestens 1 – 2 cm Platz unter dem Deckel war, denn beim Erwärmen dehnt sich das Fett aus, und es kann beim Einwecken geschehen, dass das Glas platzt. Den Deckel habe ich fest angedrückt, denn beim Einwecken sollen die Gläser ganz unter Wasser sein. Wenn die Gläser nicht richtig schließen, tritt Wasser ein, was nicht passieren sollte. So werden die Gläser dann 90 Minuten im kochenden Wasser eingeweckt. Fertig.

Insgesamt wurden das neun Gläser, doch eines hat nicht richtig geschlossen, und wurde als Probierglas herumgereicht. Dann bekamen meine Nachbarn jeweils eines, und selbstverständlich auf Fritz, unser Fleischer. Auf seine Meinung zu meinem ersten Wurstversuch bin ich gespannt. So habe ich noch viere meiner Schätzchen, ein Glas wird so lange im Keller stehen, bis mein Sohn wieder zu Besuch ist. Und die anderen? Mal schauen. . .  Mittwoch ist zum Beispiel wieder unser Männerfrühstück. . .

Pemmican

Neben Leberwurst gibt es noch eine Rezeptur, die ich gerne einmal ausprobieren möchte, als Indianerseele möchte ich einmal Pemmican selbst herstellen. Der Chippewa-Heiler Sun Bear gibt folgende Rezeptur als die historische generelle an:

Rohes Fleisch (Rind oder Wildbret) wird in lange dünne Streifen geschnitten und vier bis fünf Tage lang auf Rostplattformen luftgetrocknet. Bei feuchtem Wetter ist es notwendig, unter der Rostplattform ein Feuer zu unterhalten, was zu einer leichten Räucherung führt. Feuchtigkeit muss unter allen Umständen vom Fleisch ferngehalten werden  -  deshalb wird das Fleisch während der Nacht entsprechend abgedeckt. Die Fleischstreifen dürfen sich während des ganzen Trocknungsprozesses nicht berühren. Erst wenn dieses „Jerkey-Fleisch“ durch und durch getrocknet ist, kann man es ehr lange aufbewahren. Es enthält alle wertvollen Inhalts- und Nährstoffe.

Pemmican wird hergestellt, indem man das Trockenfleisch (etwa 2,5 Kilo) zu Pulver zermahlt und diesem Fleischmehl etwa 250 Gramm braunen Rohzucker (auch wohl stark eingedickten Ahornzuckersirup) und etwa 500 Gramm Trockenfrüchte (Johannisbeeren, Rosinen, Waldbeeren, eventuell auch Korinthen) zufügt. Das Ganze wird sorgfältig vermischt und anschließend mit 1500 Gramm vorsichtig geschmolzenem Talg (desselben Tiere, von dem das Fleisch stammt) zu einem Teig geknetet.

Der Pemmican wird in Rohhautbeuteln luftdicht verpackt. Er hält sich viele Monate lang, kann roh, aber auch gebraten gegessen werden. Weiße fügten dem Pemmicanteig häufig noch Salz hinzu, von dem Indianer wenig halten.

Aus: Heinz J. Stammel  -  Die Apotheke Mannitous  -  Das Heilwissen der Indianer

Vielleicht mache ich meine nächste Wurst im Glas einmal süß? Das mit den trockenen Beeren klingt gut, finde ich. . . Zum Beispiel habe ich heute Amelanchier (Felsenbirne) - Beeren gesammelt, zum Dörren. Sind getrocknet sehr süß und lecker. 


Montag, 11. Juli 2016

Fünferlei Kräuter

Eisenkraut, Odermennig, Echter Steinklee, Apfelminze in der Küche der Alten Schule Fredelsloh (Auf dem Tisch Doros Blüten und Kräuter ausgebreitet)




Fünferlei Kräuter

Nun habe ich sie beisammen, meine Lieblingskräuter: Bachminze, Mädesüß, Odermennig, Johanniskraut und zu meiner großen Freude das Eisenkraut dazu. Schon im ersten Jahr meines Hierseins im schönen Dorf Fredelsloh fand ich in der Umgebung eine Pflanze der Verbena officinalis, wie das Eisenkraut botanisch genannt wird. Dann war es verschwunden, nun habe ich an einem anderen Ort es wieder entdeckt. Sei bedankt. . . Selbstverständlich habe ich nicht die ganze Pflanze herausgerupft, sondern mir nur ein paar blühende Stängel mit genommen.

Eisenkraut
Jetzt kann ich meinen Fünfkräutertee für den Winter zusammen stellen. Die Bachminze mit ihrem Aroma empfinde ich als klärend für Seele, Geist und Atmosphäre. Das macht sich schon beim Trocknen der Kräuterbüschel bemerkbar. Zusammen mit dem Mädesüß und dem Eisenkraut zählt sie zu den „Druidenpflanzen“, sie wurden von diesen verehrt und genutzt. Das Mädesüß gibt dem Tee eine duftige Note, da ich davon fast nur die Blüten sammle. Es gilt als eine Art „Naturaspirin“, doch darum geht es mir nicht als Zusatz für meine Teemischung.

Ich habe meinen eigenen Zugang zu den Kräutern, und Aufzählungen von Inhaltsstoffen langweiligen mich. Ich bin kein Heiler, der für andere Menschen die Kräuter erntet, es geht mir um mein eigenes Wohlbefinden, und so sammle ich die Kräuter, mit denen ich mich wohl fühle. Auch vom Odermennig, der ebenso wie das Mädesüß zur Familie der Rosengewächse gehört, nehme ich das blühende Kraut, mit wenig Blattwerk daran. Der Odermennig mit seinen kleinen gelben Blüten riecht schon etwas herber, bitterer. Er stärkt den Körper über die Leber, mit der unser Leben erhalten wird.

Das Johanniskraut, Hypericum perforatum,  ist eigentlich ein Johanniskraut, denn es gibt derer mehrere, die zu Johanni, zur Sommersonnenwende, zum Räuchern genutzt werden. Auch Artemisia vulgaris, der Beifuß, gehört dazu. Doch Sammeln für meinen Tee tu ich den nicht, er ist mir zu bitter. Allenfalls zum Räuchern trockne ich mir ein paar Zweige. Das gelbblühende Johanniskraut hingegen ist mir sehr wertvoll. Es ist ganz Sonne, und es bringt Sonne ins Herz, und Sommerlicht. Das ist für die dunkle Jahreszeit passend. Es „photosesibilsiert“ die Haut, und während einer Johanniskrautteekur sollte man sich nicht zu sehr der Sonne aussetzen, da man leichter einen Sonnenbrand bekommen kann.

Nun noch das Eisenkraut. Die wissenschaftliche Medizin nutzt es nicht mehr, doch früher hatte es einen hohen Rang im Arzneischatz, worauf schon der botanische Artname „officinalis“ hinweist. Im Offizium der Apotheke wurden früher die Kräuter über den Tresen gereicht. Es ist für mich ein unspezifisches Stärkungsmittel, früher wurde es in der Gesundungsphase nach schweren Krankheiten verabreicht.

Odermennig
Wie schon erwähnt, sind das meine fünf mir liebsten Kräuter, ich habe zu jeder Art eine eigene Beziehung. Sie sind eher zu mir gekommen, als ich zu ihnen. Am längsten begleitet mich das Johanniskraut, welches ich schon lange Zeit jedes Jahr wieder sammele. Einmal sah ich in dieser Pflanze wahrlich die Elfen tanzen. Eine Aura von Hellig- und Heiligkeit hatte sie um sich. Ausgerechnet in der Nähe des Bremer Flughafens fand ich diesen Elfentanzplatz.

Der Odermennig kam zu mir als eine Karte, die ich aus einem Kartenset mit den Bachblüten zog. „Agrimony“. Nun wächst er in meiner neuen Wahlheimat in den Hügeln ringsum, und ich darf ihn sammeln. Mädesüß und Bachminze habe ich für mich entdeckt, als ich mein KleinHäuschen in einer Kleingartenanlage am Rande von Bremen zur Verfügung hatte. Sie wuchsen dort in und an den Gräben ringsum. Bachminzebüschel habe ich auch gerne einfach nur im Zimmer hängen. Sie vertreiben „böse Geister“, ebenso wie das Johanniskraut. Nun kommt noch das Eisenkraut hinzu.

Ich habe noch eine zweite Teemischung, den „Tee der Landschaft und der Jahreszeiten“, da kommt hinein, was das Jahr so mit sich bringt: Es beginnt im Vorfrühling mit den Märzveilchen, dann kommen Schlüsselblumen hinzu, Minzen verschiedener Art aus dem Garten, Melisse, Zitronenkatzenminze, Thymian und Quendel, Kornblumen- und Malvenblüten, und später im Jahr getrocknete Apfelschalen, die bei der Herstellung von Apfelmus anfallen. Daraus entsteht eine Art „Tagestee“, während ich den Fünfkräutertee eher für besondere Zeiten vorbehalte.

Für spezifische Heilzwecke habe ich dann noch Kamilleblüten und Salbei aus dem Garten getrocknet, letzteren auch zum Räuchern. Leider habe ich dieses Jahr einmal wieder die Ernte der Weißdornblüten verpasst, sonst habe ich die auch im Repertoire, ebenso wie Lindenblüten. Diese Tees werden jedes Jahr erneuert.

Odermennig und Mädesüß
Das für mich wichtigste jedoch ist, dass ich mich meinen Kräutern annähere, sie „zu mir nehme“, und es müssen nicht die eurigen sein. Jede/r hat die Kräuter für sich, die ihm oder ihr behagen. Ich weise bei meinen Kräuterwanderungen immer wieder auf diesen Punkt hin. Das Wissen um die Inhaltstoffe nutzt uns im Umgang mit Kräutern nur wenig. Sicher ist es gut, die für mich giftigen Pflanzen zu kennen, doch damit hat es sich auch. Das Gelb des Johanniskrautes weist auf die Sonne hin, das Gelb der Blüten des Odermennig auf die gelbe Galle, wenn ich hingegen die Blüten des Johanniskrautes zerreibe zwischen den Fingern, bekomme ich eine purpurrote Farbe. Purpur als Farbe ist die Farbe der Herrscher gewesen, so zeigt mir diese Pflanze in ihrer Gestalt, in ihren Unformungsprozessen, wobei sie mir hilft. Das Luftige, Duftige des Mädesüß hat einen Bezug zu den Lungen, und das etwas steife, starre der Gestalt des Eisenkrautes zeigt die Zähigkeit zum Leben, die es unterstützt. Die Bachminze wiederum hat etwas freundliches, venusisches, etwas anmutiges in ihrer Duftgestalt. Das alles „nehme ich zu mir“, wenn ich mich diesen Pflanzen anvertraue.

Zuguterletzt möchte ich den Chippewa-Heiler Sun Bear zitieren: „Das einzige, was die Menschen wird schützen können, ist eine Annäherung an das Land und die Ausgewogenheit mit den Naturkräften. Es gibt überall Kräuter innerhalb eines Umkreises von achtzig Kilometern gegen nahezu jede Erkrankung, die vorkommen kann. Wenn die Zeit kommt, dass man Kräuter nicht mehr über weite Entfernungen erhalten kann, wird es gut sein, jene zu kennen, die in der Umgebung wachsen.  . . .  Kräuter wirken sowohl auf unsere geistige als auch auf unsere körperliche Verfassung ein. In alten Zeiten gaben Medizinmänner nicht immer dasselbe Kraut für dieselbe Erkrankung, auch wenn es so aussah, als ob es sich um die gleichen Symptome handelte.  . . .  Die meisten Leute werden sich darauf besinnen müssen, wirkliche Erfahrung zu sammeln und die Lehren zu beachten, wie ein Kraut tatsächlich wirkt. . . . Aber wenn man in harmonische Ausgewogenheit zurückkehrt und Pflanzen wieder zu schätzen beginnt und sie in guter Art und Weise verwendet, dann werden sie euch auch wieder dienen.  (Zitiert nach Heinz J. Stammel  -  Die Apotheke Manitous – Das Heilwissen der Indianer)

Und welches sind „Deine“ Kräuter?



Dienstag, 5. Juli 2016

Landschaft mit Pilz

Beim Durchstreifen des Waldes auf Pilzpirsch lohnt es durchaus, nicht nur die heißbegehrten Pfifferlinge und Steinpilze im Blick zu haben, sondern hier und da einmal genauer hinzuschauen. Wie das Foto zeigt, gibt es Märchenlandschaften zu entdecken. . .

(Der Pilz ist ein Scheidenstreifling, wahrscheinlich Amanita fulva. Ein anderer Name für diesen Pilz ist „Plisseeröckchen“)