Samstag, 22. Januar 2022

Empfehlung: Aus Dingefinders Lesebuch

 

Winter und Lockdown, eigentlich genau die richtige Mischung, um einmal wieder in Ruhe zu lesen. So habe denn auch ich reagiert, und in meinem Blog "Dingefinders Lesebuch" ganz viele schöne Gedichte eingestellt (der link dahin folgt unten). 

Seit Anfang dieses Jahres sind dort Gedichte zu finden von:  Karl Henckell, Fritz Mangold, Alfred Mombert, Walter Rheiner, Maria Eichhorn-Fischer, Jakob van Hoddis, Hellmuth Wetzel, Ernst Toller, Heinrich Lautensack, Lessie Sachs, Max Herrmann-Neiße, Isaac Schreyer, Hans Schiebelhuth, Ernst Balcke, Georg Heym, Emmy Hennings, Franziska Stoecklin, Else Lasker-Schüler, Hans Ehrenbaum-Degele, Leo Sternberg, Victor Wittner, Maria Stona, Elsa von Freytag-Loringhoven, Joseph Willomitzer, Anna Louisa Karsch, Rosa Mayreder, Bruno Frank, Gertrud Kolmar, Jakob Loewenberg, Margarete Eloesser, Gertrud Epstein, Marianne Dora Rein, Albin Zollinger, Ernst Blass, Marie Luise Weissmann, HaHu Baley (das sind Hans Leybold und Hugo Ball), Friedrich Adler, Alfred Wolfenstein, René Schickele, Konrad Weichberger. 

Die meisten der Gedichte sind aus der Zeit zwischen 1895 und 1945, von deutschsprachigen Autorinnen und Autoren. Dieses halbe Jahrhundert war eines der einschneidensten unserer Geschichte, und das spiegelt sich auch in den Texten wieder. Es sind einige bekannte Namen dabei, doch auch viele unbekannt(er)e. Viele, deren Werke verbrannt wurden 1933, und die drohen, immernoch dem Vergessen anheim zu fallen, was sehr schade wäre. Zu vielen der Dichterinnen und Dichter gibt es denn auch ausfführlichere Infomationen, und, wo ich es für nötig erachtete, weiterführende links. 

Die Auswahl der Gedichte ist streng subjektiv und folgt dem, was ich persönlich gerne lese. Doch denke ich, dass für jede und jeden etwas dabei ist, die Lyrik lieben und schätzen. Außerdem habe ich versucht, zu den Werken adäquate Bilder zu finden. Das Einstellen von Gedichten auf diesem Blog wird fortgesetzt, das war mein guter Vorsatz für dieses Jahr. Viel Spaß beim Stöbern und Lesen wünscht Dingefinder Jörg. 

Hier noch das Gedicht, welches zu dem Bild oben von Michael Peter Ancher (1849 - 1927) gehört. Und, wie versprochen, der link zum Blog: 

http://dingefinders-lesebuch.blogspot.com/


 

 

Samstag, 1. Januar 2022

Frohes Neues, oder: Jetzt kommen wieder die goldenen Zwanziger

 

            

 

Auf ein Neues in ein neues Jahr. Da möchte ich mich doch einmal wieder melden, dieses Mal mit einem neuen Lied von mir. Ansonsten: Ich wünsche Euch allen ein gutes neues Jahr, auf dass wir uns bald wieder treffen können, in der Gemeinschaftsküche in der Alten Schule Fredelsloh, bei Texte und Töne und bei anderen Gelegenheiten. Toi toi toi


Jetzt kommen wieder die goldenen Zwanziger

Jetzt kommen wieder die goldenen Zwanziger
die letzten sind gerade hundert Jahre vorbei,
Tanz und Sekt und Koks im Ballhaussaal
bis zum dritten Hahnenschrei.

Jetzt kommen wieder die goldenen Zwanziger,
die letzten hatten wir vor hundert Jahren schon,
nach Krieg und Krise, Abdankung, dann Republik
und ein bisschen Inflation.

Jetzt kommen wieder die goldenen Zwanziger,
doch denkt daran, was dann geschieht,
nach den letzten, den letzten, den letzten dann
sangen sie folgendes Lied:

„Es holt der Franz das Fräuln Marie
Zu einer Überlandpartie.
Doch sie steht verweint in der Küchel.
»Herr Franz, ham's schon ghört?
's is aus mit der Erd!«

So schluchzt sie ins patschnasse Tüchel.
Der Franz aber lacht:
»Was mir das schon macht?
Ich weiß mir dazu ein Sprüchel!
Ob ich auch das kleine Cafe
In Hernais nimmer seh –
Sag ich trotzdem ganz lustig ade!«

Gehn ma halt ein bisserl unter,
Mit Tsching-tsching in Viererreihn
Immer lustig, fesch und munter,
Gar so arg kann's ja net sein.
Erstens kann uns eh nix gschehen,
Zweitens ist das Untergehen
's einzige, was der kleine Mann
Heutzutag sich leisten kann.“

Was kommen mag, ich weiß es nicht,
ich habe nicht die Gabe der Prophetie,
die Erde kommt zwar ohne Menschen aus,
doch wir Menschen nicht ohne sie.


Der Text ist von mir, bis auf die Teile in "Gänsefüßchen", die sind von dem österreichischen Dichter Jura Soyfer, aus "Der Weltuntergang", sein erstes Stück, das im Frühsommer 1936 uraufgeführt wurde.

Jura Soyfer wurde am 8. Dezember 1912 in Charkow, Ukraine, geboren und starb am 16. Februar 1939 im KZ Buchenwald an Typhus. Er ist einer der bedeutendsten politischen Schriftsteller Österreichs in den 1930er Jahren.