Samstag, 17. Dezember 2022

HerbstLese: Eigenes und anderes

In puncto Lyrik habe ich (neben anderem) zwei Überzeugungen: Zum einen, dass Lyrik laut gesprochen werden will, um sich zu entfalten, zum anderen, dass Lyrik und Musik gut zusammen gehen. Schon der Begriff Lyrik, aus dem altgriechischen kommend, besagt es: "Die zum Spiel der Lyra gehörende Dichtung" (neben der Epik und der Dramatik die dritte literarische Gattung)

Diesen Herbst habe ich die Zeit genutzt, vier Gedichte einzusprechen, Klänge und Bilder dazu zu finden und das alles zu Videos zusammen zu fügen. So ist die kleine Serie von drei Filmchen mit dem Titel HerbstLese entstanden. 

Nicht nur eigene Gedichte wurden dabei interpretiert, sondern auch jeweils eines von Dagmar Herrmann aus Bremen und von Amina Anja Amelal. 

Letztere habe ich übrigens für das nächste Jahr zu einer Lesung (mit Musik) hier in Fredelsloh eingeladen, und sie hat zugesagt. Dass das ganze nicht nur virtuell geschieht. . .

Euch allen einen geruhsamen vierten Advent und besinnliche Tage des Restherbstes. Ich hoffe, dass meine Videos dazu beitragen. Die gesprochenen Texte sind jeweils unter den Videos zum Nachlesen zu finden. 


           



            



            

Montag, 12. Dezember 2022

Blütenspaziergang rund um Fredelsloh

 

             

Impressionen in und um Fredelsloh, die zweite: Blütenspaziergang durch das Jahr. Die Umgebung von Fredelsloh birgt verschiedene Landschaften: Felder und Weiden, den Solling mit seinen ausgiebigen Wäldern, die Kalkmagerrasen auf der Weper und dem Hainberg, um einige zu nennen. 

So vielfältig wie die Landschaft ist auch die Flora. Ich möchte einige Pflanzen in Blüte vorstellen, vom Allerweltsgewächs wie den Löwenzahn bis hin zu so aparten Seltenheiten wie die Fliegenragwurz oder die Türkenbundlilie. Viele der Pflanzen wachsen in ausgewiesenen Naturschutzgebieten, viele stehen unter Naturschutz. Schützenswert sind eigentlich alle. 

Die Fotos sind von mir, auf meinen Streifzügen durch die Umgebung entstanden. Die Musik im Video sind Auszüge aus den sechs Stücken für Flöte und Piano von Fikret Amirov


Sonntag, 11. Dezember 2022

Impressionen in und um Fredelsloh


               

Nach dem Sichten der Bilder dieses Jahres: 

Ich möchte meine Wahlheimat Fredelsloh vorstellen, gesehen mit den Augen eines Dingefinders, denn es gibt viele kleine und große Dinge hier und in der Umgebung zu entdecken. Das Dorf selbst, rund um die Klosterkirche gelegen, ist eine und mehrere Entdeckungen wert, die Umgebung allemal: Weper, Hainberg, Ahlsburg, Solling. Vielgestaltige Landschaft. 

Was ich hier an seltenen Pflanzen, Pilzen, Insekten, Lurchen entdecken durfte ist wahrhaft entzückend. Um das alles vorstellen zu wollen, reicht ein Video gar nicht aus. 

Es ist auch eine Reise durch das Jahr, von Winter zu Herbst. Und eine Rückschau für mich, da dieses Jahr 2022 in Kürze endet. 

Worte habe ich keine gewählt, ich wollte die Bilder nicht stören. 


Donnerstag, 8. Dezember 2022

Die Stillen in den Landen

 

               


Es sind die Stillen in den Landen,
sagt nicht, dass deren Furcht unbegründet sei,
nur weil sie nicht laut sind.

Es sind die Stillen in den Landen,
die Gärten wollen gepflegt sein,
die Bäume wollen gepflanzt werden,
die Früchte geerntet,
das Brot gebacken, die Felder bestellt.

Die Bedürftigen wollen versorgt sein,
die Stillen fragen nicht
nach der Herkunft.
Sie tun das Not-wendige.

Es sind die Stillen in den Landen,
derer Landen sind Mutterländer.

Es sind die Stillen in den Landen.
Sie tun das Not-wendige.
Aber die Lauten, die Lauten,
sie werden gehört.

Sie töten mit Worten
sie töten mit Waffen,
Gewalt ruft nach Gewalt,
Gewalt schreit nach Gewalt,
Gewalt, Gewalt,
das Echo: Gewalt.

Wer aber baut die Wohnstätten,
pflanzt die Bäume, erntet die Früchte,
pflegt die Gärten, backt das Brot,
bestellt die Felder, versorgt
die Bedürftigen, ohne
nach der Herkunft zu fragen?

Es sind die Stillen in den Landen.

Dieses Gedicht schrieb ich im Frühjahr dieses Jahres. Es ist unter anderem auch meiner Ratlosigkeit ob des Krieges in der Ukraine geschuldet. Ungefähr zur gleichen Zeit schrieb ich folgendes auf Facebook: 

"Ideale sind wie Sterne, man kann sie nicht erreichen, doch sie weisen uns den Weg" (Sprichwort aus Spanien). Zur Situation in der Ukraine: Ich gestehe mir persönlich sowohl eine Ratlosigkeit als auch eine Machtlosigkeit ein. Das muss ich aushalten (können). Ich selber werde garantiert nicht zur Waffe greifen, um andere Menschen zu töten. Auch nicht zu meiner eigenen Selbstverteidigung. Doch das ist erst einmal meine persönliche Entscheidung. Ich wüsste nicht, was ich den Menschen raten sollte, die jetzt in der Ukraine sich mit Waffen gegen eine aggressive Soldateska verteidigen. Wie gesagt, ich bin da einfach nur rat- und auch machtlos. Ich schaue mit Erstaunen auf die Vielen, die jetzt so selbstgewiss von sich geben, was da zu tun wäre. Wo haben sie diese Selbstgewissheit her? Gibt es da wirklich keine Zweifel? Ich verzweifel an den Zweifelsfreien. Ich kann mich nur auf das Naheliegende konzentrieren, und das bedeutet gerade, dass ich mich mit um die (mittlerweile 16 Personen) kümmere, die hier im Dorf gestrandet sind, aus Flucht vor dem Krieg. Doch eines vermag ich sicher zu sagen: Gegen die jetzt einsetzende Militarisierung der Sprache, der Heroisierung auch des Widerstandes gegen die Kriegsarmee, gegen die Heldenmythenbildung, ja, auch des ukrainischen Präsidenten, der meine Hochachtung hat, werde ich mich positionieren."

Zu den Stillen zu gehören heißt nicht, keine Stimme zu haben. Einer der eher Stillen war Walther Eidlitz, und er schrieb angesichts des Weltkrieges (dass es erst der erste war, wusste er da noch nicht) folgendes Gedicht: 


Walther Eidlitz wurde am 28. August 1892 in Wien geboren, er starb am 28. August 1976 in Vaxholm in Schweden. Er schrieb Lyrik, Erzählungen und Theaterstücke. Später widmete er sich dem Studium der Geistesgeschichte Indiens.

Das obige Gedicht tauchte in einer Ausgabe von Franz Pfempferts Zeitschrift Die Aktion von 1917 auf, gefolgt von der Rubrik Verse vom Schlachtfeld.

Mittwoch, 7. Dezember 2022

Eine etwas aus dem Rahmen gefallene Rückmeldung

 


Ich melde mich einmal zurück nach einer langen Pause. Das Jahr 2022 hatte schon seinen eigenen Charakter. En gros und en detail. Kaum dachte ich, es könne wieder vorwärts gehen, nach den Lockdowns der Coronazeit, kam die Nachricht am 24. Februar, dass Russland die Ukraine angriff. Zu beiden, Corona und Ukrainekrieg, möchte ich mich im Augenblick nicht äußern, zu letzterem nur soviel: Schon im März dieses Jahres trafen bei uns in der Alten Schule Fredelsloh die ersten Flüchtlinge aus der Ukraine ein, die letzten blieben bis Oktober, bis sie endlich eine Wohnung fanden.

Die Gemeinschaftsküche mussten wir pausieren lassen, und auch Lesungen und Konzerte konnte ich dieses Jahr nicht organisieren. Letzteres auch aus Gesundheitsgründen, im August dieses Jahres musste ich mich einer Herzoperation unterziehen (Mitralklappenrekonstruktion), und noch bin ich in der Rekonvaleszenz. Auch die Arbeit im Zaubergarten am Kapellenbrunnen ruht noch. 

Doch so langsam finde ich mich in das Leben zurück, in der Alten Schule wird donnerstags wieder geschnibbelt und gekocht, ich mache mir Gedanken über die Pflanzen- und Saatgutbestellung und auch über Veranstaltungen, die ich im nächsten Jahr wieder anbieten möchte. 

Zu letzterem: Da ist vieles noch nicht spruchreif, doch werden wir unter dem Titel "Texte und Töne in Fredelsloh" wieder Lesungen (mit Musik) anbieten, ich denke, dass es ab etwa Mitte Februar damit losgeht. Ich habe auch erste Kontakte zu Künstlerinnen und Künstlern aufgenommen. 

Auch einen festen Wochentermin plane ich, auch ab Mitte Februar, jeden Dienstag Abend in der Alten Schule in der Bibliothek, ab 19:00 Uhr. "Ich spreche mich frei" wird es heißen an diesem Abend. Menschen, die Lyrik schreiben, können dann in einem geschütztem Rahmen ihre eigenen Gedichte vortragen. Auf Wunsch auch musikalisch begleitet. Ich persönlich halte das laut sprechen von Gedichten für das Schreiben als sehr hilfreich, um im eigenen Schreiben voran zu kommen. 

Selbstverständlich tauschen wir uns dann auch über die gesprochenen Gedichte aus. Für die ganz mutigen dann wird es ein oder zweimal im Jahr die Möglichkeit geben, die Gedichte öffentlich vorzutragen. Auch wenn ich das noch extra bewerben werde, gibt es ab jetzt die Möglichkeit für Interessierte sich bei mir schon anzumelden dafür, via Mail bei dingefinder@gmx.de

Genaueres wird hier noch eingestellt, jetzt ist ja erst einmal Adventszeit, und da ist der Kopf bei vielen mit anderen Dingen gefüllt. In der Hoffnung, dass am gestrigen Nikolaustag nicht nur der Kopf sondern auch die Stiefel gefüllt waren, grüße ich alle ganz herzlich, mehr wollte ich eigentlich hier und heute sowieso nicht machen. Und da es heute auch ums Gedichteschreiben ging, gibt es hier auch noch eines, 

liebe Grüße und eine besinnliche Weihnachtszeit wünscht Dingefinder Jörg



Samstag, 22. Januar 2022

Empfehlung: Aus Dingefinders Lesebuch

 

Winter und Lockdown, eigentlich genau die richtige Mischung, um einmal wieder in Ruhe zu lesen. So habe denn auch ich reagiert, und in meinem Blog "Dingefinders Lesebuch" ganz viele schöne Gedichte eingestellt (der link dahin folgt unten). 

Seit Anfang dieses Jahres sind dort Gedichte zu finden von:  Karl Henckell, Fritz Mangold, Alfred Mombert, Walter Rheiner, Maria Eichhorn-Fischer, Jakob van Hoddis, Hellmuth Wetzel, Ernst Toller, Heinrich Lautensack, Lessie Sachs, Max Herrmann-Neiße, Isaac Schreyer, Hans Schiebelhuth, Ernst Balcke, Georg Heym, Emmy Hennings, Franziska Stoecklin, Else Lasker-Schüler, Hans Ehrenbaum-Degele, Leo Sternberg, Victor Wittner, Maria Stona, Elsa von Freytag-Loringhoven, Joseph Willomitzer, Anna Louisa Karsch, Rosa Mayreder, Bruno Frank, Gertrud Kolmar, Jakob Loewenberg, Margarete Eloesser, Gertrud Epstein, Marianne Dora Rein, Albin Zollinger, Ernst Blass, Marie Luise Weissmann, HaHu Baley (das sind Hans Leybold und Hugo Ball), Friedrich Adler, Alfred Wolfenstein, René Schickele, Konrad Weichberger. 

Die meisten der Gedichte sind aus der Zeit zwischen 1895 und 1945, von deutschsprachigen Autorinnen und Autoren. Dieses halbe Jahrhundert war eines der einschneidensten unserer Geschichte, und das spiegelt sich auch in den Texten wieder. Es sind einige bekannte Namen dabei, doch auch viele unbekannt(er)e. Viele, deren Werke verbrannt wurden 1933, und die drohen, immernoch dem Vergessen anheim zu fallen, was sehr schade wäre. Zu vielen der Dichterinnen und Dichter gibt es denn auch ausfführlichere Infomationen, und, wo ich es für nötig erachtete, weiterführende links. 

Die Auswahl der Gedichte ist streng subjektiv und folgt dem, was ich persönlich gerne lese. Doch denke ich, dass für jede und jeden etwas dabei ist, die Lyrik lieben und schätzen. Außerdem habe ich versucht, zu den Werken adäquate Bilder zu finden. Das Einstellen von Gedichten auf diesem Blog wird fortgesetzt, das war mein guter Vorsatz für dieses Jahr. Viel Spaß beim Stöbern und Lesen wünscht Dingefinder Jörg. 

Hier noch das Gedicht, welches zu dem Bild oben von Michael Peter Ancher (1849 - 1927) gehört. Und, wie versprochen, der link zum Blog: 

http://dingefinders-lesebuch.blogspot.com/


 

 

Samstag, 1. Januar 2022

Frohes Neues, oder: Jetzt kommen wieder die goldenen Zwanziger

 

            

 

Auf ein Neues in ein neues Jahr. Da möchte ich mich doch einmal wieder melden, dieses Mal mit einem neuen Lied von mir. Ansonsten: Ich wünsche Euch allen ein gutes neues Jahr, auf dass wir uns bald wieder treffen können, in der Gemeinschaftsküche in der Alten Schule Fredelsloh, bei Texte und Töne und bei anderen Gelegenheiten. Toi toi toi


Jetzt kommen wieder die goldenen Zwanziger

Jetzt kommen wieder die goldenen Zwanziger
die letzten sind gerade hundert Jahre vorbei,
Tanz und Sekt und Koks im Ballhaussaal
bis zum dritten Hahnenschrei.

Jetzt kommen wieder die goldenen Zwanziger,
die letzten hatten wir vor hundert Jahren schon,
nach Krieg und Krise, Abdankung, dann Republik
und ein bisschen Inflation.

Jetzt kommen wieder die goldenen Zwanziger,
doch denkt daran, was dann geschieht,
nach den letzten, den letzten, den letzten dann
sangen sie folgendes Lied:

„Es holt der Franz das Fräuln Marie
Zu einer Überlandpartie.
Doch sie steht verweint in der Küchel.
»Herr Franz, ham's schon ghört?
's is aus mit der Erd!«

So schluchzt sie ins patschnasse Tüchel.
Der Franz aber lacht:
»Was mir das schon macht?
Ich weiß mir dazu ein Sprüchel!
Ob ich auch das kleine Cafe
In Hernais nimmer seh –
Sag ich trotzdem ganz lustig ade!«

Gehn ma halt ein bisserl unter,
Mit Tsching-tsching in Viererreihn
Immer lustig, fesch und munter,
Gar so arg kann's ja net sein.
Erstens kann uns eh nix gschehen,
Zweitens ist das Untergehen
's einzige, was der kleine Mann
Heutzutag sich leisten kann.“

Was kommen mag, ich weiß es nicht,
ich habe nicht die Gabe der Prophetie,
die Erde kommt zwar ohne Menschen aus,
doch wir Menschen nicht ohne sie.


Der Text ist von mir, bis auf die Teile in "Gänsefüßchen", die sind von dem österreichischen Dichter Jura Soyfer, aus "Der Weltuntergang", sein erstes Stück, das im Frühsommer 1936 uraufgeführt wurde.

Jura Soyfer wurde am 8. Dezember 1912 in Charkow, Ukraine, geboren und starb am 16. Februar 1939 im KZ Buchenwald an Typhus. Er ist einer der bedeutendsten politischen Schriftsteller Österreichs in den 1930er Jahren.