Donnerstag, 10. Oktober 2019

Pilzspaziergänge im Solling

Pilzlandschaft mit Grünblättrigen Schwefelköpfen, Nebelkappen und anderen

Nach einem trockenen Jahr 2018 und einen trockenen Sommer 2019 kam mit dem Herbst auch der Regen und mit dem Regen auch die Pilze. Nun macht es wieder Spaß, durch die Sollingwälder zu streifen, um nach den Pilzen zu schauen, zu Staunen was da an vielgestaltigen Geschöpfen aus dem Waldboden drängt, und selbstverständlich auch zu Sammeln, denn ein leckeres Pilzgericht ist nicht zu verachten. 

Einiges für mich Neues durfte ich entdecken, neu für mich, zum Einen da vorher noch nie gesehen, aber auch neu, da vorher nicht beachtet, da der Pilzblick zu sehr am Verwertbaren haftete. Das ist eigentlich schade, denn gerade die Entdeckungsreisen in die Pilzwelt ohne Utilitarismus machen die Pilzspaziergänge erst richtig spannend. Einiges von den Fundstücken des frühen Herbstes möchte ich hier zeigen. 

Um Pilze zu finden, braucht man oft das Dorf gar nicht zu verlassen, die Gesellen auf dem Foto links wurden nahe einer Blockhütte in Nadelstreu gefunden. Es handelt sich um Büschelige oder Gesellige Raslinge, Lyophyllum descastes,die gerne in der Nähe menschlicher Behausungen wachsen, an Zäunen und ähnlichen Standorten. Sie sind übrigens essbar, auch wenn wir sie nicht probiert haben.






An ähnlichen Standorten wie der gesellige Rasling kann auch der Spitzschuppige Schirmling (oder auch: Spitzschuppiger Stachelschirmling), Echinoderma asperum, vorkommen. Diese Exemplare habe ich am Rande eines Buchenwaldes gefunden. Dieser Schirmling ist übrigens giftig und soll üble Magen-Darm-Probleme verursachen. 









Weiter im Buchenwald wurden diese Gesellen gefunden, die recht neutral, aber pilzig-mehlig dufteten. Durch Nachfragen in einer Pilzbestimmungs-Gruppe im Internet erfuhr ich, dass es sich um den Brandigen Ritterling, Tricholoma ustale, handelt. Leider ist auch dieser Pilz giftig, wenn auch nicht so stark wie der Spitzschuppige Schirmling. Auch er enthält ein Magen-Darm-Gift. 




 
Ebenfalls nach Mehl, aber stärker und mit einer Gurkenkomponente, riecht der Mehlräsling, Clitopilus prunulus. Er kommt in Mischwäldern vor, ich fand dieses (und andere) Exemplare am Rande eines Weges im Fichtenwald. Er ist essbar, doch sollte man sehr vorsichtig im Umgang mit ihm sein, denn es gibt stark giftige weiße Trichterlinge, die ihm sehr ähnlich sind. Der Mehlräsling ist, besonders in Verbindung mit Pfefferröhrlingen und Fliegenpilzen ein Steinpilzanzeiger, laut einem Internetforum für Pilze sogar der Steinpilzanzeiger!

Hier häben wir dann den zweiten im Bunde der Pilze, die gerne zusammen mit Steinpilzen wachsen: Der Pfefferröhrling, Chalciporus piperatus. Diesen (und mehr davon) fand ich am Rande eines Fichtenwaldes, zusammen mit Mehlräslingen und Fliegenpilzen. Der Pfefferröhrling ist essbar, aber pfeffrig scharf, er lässt sich als Würzpilz in Mischpilzgerichten verwenden. Es ist ein kleiner Pilz mit rotbraunem Hut. 





 
Der dritte im Bunde der Steinpilzanzeiger (sofern er im Mischwald oder wie dieser im Fichtenwald wächst und nicht unter Birken): der wohl meistfotografierte Star unserer Pilzflora, der Fliegenpilz, Amanita muscaria, das "Männlein im Walde". Es hat sich herum gesprochen, dass er giftig ist, und einiges andere mehr. . . 




Und da sind sie endlich, nach so vielen Anzeigern: die Fichtensteinpilze (Boletus edulis). Für mich perönlich fast zu schade zum Frischverzehr, ich trockne sie meistens, denn durch den Trockenvorgang gewinnen sie an Aroma und können so fast jede deftige Sauce bereichern. 






Auch im Fichtenwald gefunden, wo er gerne wächst: der Schiefknollige Anisegerling, Acaricus essettei. Woher er seinen Namen hat ist auf dem Foto klar ersichtlich. Diese schiefe Knolle ist auch ein sehr wichtiges Erkennungsmerkmal dieses Pilzes,der beim Ernten immer heraus gedreht werden sollte, um die Knolle zu sehen. In Fichtenwäldern kommen nämlich auch Kegelhütige Knollenblätterpilze (Amanita virosa) vor, die auch einen weißlichen Hut haben. Ich selber habe diese tödlich giftigen Pilze schon in unmittelbarer Nähe zu den Anisegerlingen gefunden. Letztere gilben übrigens, nicht nur an der Stielbasis, wie der leicht giftige Karbolegerling, sondern auch am Stiel selber und am Hut, außerdem duften sie mild nach Anis. Der Knollenblätterpilz eher nach Rettich. 

Auch nach Rettich riechend: Der Rosa Rettichhelmling, Mycena rosea, ein hübscher kleiner Pilz mit kräftig rosafarbenem Hut, der leicht giftig ist (er enthält das Pilzgift Muscarin, das auch im Risspilz und im Fliegenpilz zu finden ist) und in Mischwäldern recht häufig zu sehen ist. 






Nun noch ein Pilz für´s Auge: Der Halskrausen - Erdstern, Geastrum triplex, nicht giftig, nicht essbar, ergo: Ungenießbar. 










Ein echter Pilzkobold ist die Herbstlorchel, Helvella crispa. Ein zerbrechliches Gebilde, das in einigen Pilzbüchern als essbar, in anderen als leicht giftig und in noch anderen als ungenießbar beschrieben wird. Wie dem auch sei, ich sammle sie nicht sondern erfreue mich lieber an den bizarren Formen dieser Pilze. 











Zum Abschluss noch den Langstieligen Knoblauchschwindling, Mycentinis alliaceus. Er riecht, wie der Name schon andeutet, knoblauchähnlich und die Hüte können gesammelt und als Würze verwendet werden. Auch das nur in sehr geringen Mengen, da dieser Pilz eine leichte Magen-Darm-Giftigkeit aufweist. Ich selber lasse hn daher lieber stehen und erfreue mich an seinem Anblick. Wenn ich Knoblauch für ein Pilzgericht wünsche, dann nehme ich lieber gleich die Knoblauchzehen. . .

All dies ist nur ein kleiner Eindruck all der Pilze die im Solling und rund um Fredelsloh wachsen. Die Vielfalt ist hier einzigartig, was auch an den verschiedenen Habitaten in der Umgebung des Dorfes liegt: Da ist der Solling selber mit seinen Fichten- und Mischwäldern auf Rotsandstein, da ist die Weper und der Hainberg mit Kalkuntergrund, da sind Auwälder, Wiesen und Weiden und Kalkmagerrasen. Es ist immer interessant durch die Gegenden hier zu schweifen, sowohl als Kräuter- als auch als Pilzliebhaberin oder -haber. 

Samstag, 10. August 2019

Sternschnuppennächte



Nun nähern wir uns wieder dem Höhepunkt der Sternschnuppennächte des Perseidenstromes, der in der Nacht vom 12. zum 13. August zu erwarten ist. Vor Jahren durfte ich diesem Ereignis in einer einsamen Nacht auf einem Hügel in der Nähe von Worpswede beiwohnen. (Ungefähr nach der dreizehnten Sternschnuppe hatte ich keine Wünsche mehr übrig und stand einfach nur noch staunend da. . .) In dieser Nacht entstand das folgende Gedicht:

Sommers Mitte (Sternfahrt)

An den Hängen wiegen sich duftende Beeren in samtenen Winden,
   lavendelmild liegt der Segen des Sommers über den Gärten,
      träge hingegeben die Falter über den satten Blüten
         und im Lächeln der Lärchen wogen die Schritte.

Als das Vergessen sich lichtete
   trat aus dem Schatten heraus eine Welt,
      warm und hellsichtig, nicht schlafwandlerisch, nicht träumend,
wissend und wissend. Ganz nahe trat eine äußere Seele heran.

Auf den Hügeln die geheimen Zeichen durften gelesen werden,
   die Engel der Landschaft wurden gesprächig, und als die Nacht kam,
      kam sie als ein freundlicher Schimmer
und zwischen den Wolken fielen die Wunschsterne.

Alles Verlangen verlöschte, und der erste Stern brachte
   den Segen, die Gespenster aus dem Dunkel der Vergangenheit
      schüttelten ihre Häupter und tanzten zurück
in ihre eigenen Welten. Stille und Schönheit war.

Der zweite Stern brachte den fröhlichen Abschied,
   und war die Zwillingsseele nächtens noch ferne,
      die wüstene Löwin im Pendel der Liebe,
so blitzte in den Himmeln ein freundliches Antlitz.

So streiften Stern um Stern das Himmelsgewölbe,
   so wurde Wunsch um Wunsch in die Erfüllung geboren,
      und am Ende der Nacht öffnete sich ein Tor
und alle Pfade verlöschten im Garten.

Das Bild ist von der 2017 verstorbenen Fredelsloher Künstlerin Andrea Rausch. Dank an die Hedi-Kupfer-Stiftung Fredelsloh als Nachlassverwalterin, dass ich die Bilder weiterhin für meine Blogs und Videos nutzen darf.

Montag, 20. Mai 2019

"Texte und Töne in Fredelsloh" Programm 1. Halbjahr 2019


Ein Hinweis in eigener Sache: Redaktionelle Artikel, Gedichte, Rezepte etc. vom Dingefinder erscheinen vorerst auf meinem Blog "Die anderen Seiten":




Texte und Töne in Fredelsloh
Programm 1. Halbjahr 2019


Gemeinsam mit der Klosterkirche Fredelsloh wollen wir vom Bildungswerk Leben und Umwelt BLU e. V. Alte Schule Fredelsloh ein Kulturprogramm gestalten, das zeigt, dass Kultur auf dem Dorf vielgestaltig, bunt und ansprechend sein kann. Höhepunkt ist jedes Jahr unser Sommerfest, das dieses Jahr zum zweiten Male stattfindet. 



Sommerfest „Texte und Töne in Fredelsloh“ 21. bis 23. Juni:


Freitag, 21. 6. 19:30 Uhr Glockenborn: Dingefinder & Freundinnen & Freunde:  "Geschichten und Lieder" , anschließend Offene Bühne.

Der Dingefinder aus Fredelsloh mit seinem neuen Programm: Vertonte Geschichten und Lieder nach Motiven seiner Wahlheimat am Rande des Sollings. Träumereien vom Blaubeerwald, von der Weper und der Schlangenkönigin, von Nachbarn. Dazu neu vertont Gedichte von Jakob Haringer, Klabund und anderen. Und zum Abschluss heißt es wieder:
„Ich bin so froh (in Fredelsloh)!“

Mit Unterstützung von Erd Ling Judith (Gitarre, Gesang, Didgeridoo) und anderen.


      


Samstag 22. 6., 15:00 Uhr Klosterkirche Fredelsloh Gitarrenkonzert mit Abbas Mashayekh., Johann Sebastian Bach und klassische Spanische Gitarrenmusik

Samstag, 22. 6., 19:30 Uhr Glockenborn: Markus Kiefer und Dorit Meyer-Catell: : „Villon und Margot“, anschließend offene Bühne. . . 

Über ein halbes Jahrtausend ist er nun tot: der Gauner, Stadtstreicher, Magister der Philosophie, Dichter Francois Villon  Ein Weg von der Freiheit zur Gelagenschaft, von der Liebe zum Zynismus, vom Genie zum Wahnsinn, von der Poesie zum Galgen, von Margot.zur . . .Margot. . .   

 Eine Hommage

         


Sonntag 23. 6., 16:00 Uhr Klosterkirche, Westteil: Literarische Andacht mit Musik.

17:00 Uhr Klosterkirche,
Abschlusskonzert des Sommerfestes, Thema „Heimat(en)“

Erd Ling Judith (Didgeridoo, Gesang), Jörg Krüger (Querflöte, Stimme), Abbas Mashayekh (Oud)

Der Veranstaltungsort Glockenborn liegt zwischen Fredelsloh und Lutterbeck. Zu den Veranstaltungen dort dürfen gerne Speisen (erfahrungsgemäß werden die Abende lang. . .) und Getränke mit gebracht werden. Eine Grillmöglichkeit ist vorhanden. 

Mittwoch, 20. Februar 2019

Waldgang im Februar (Kaliyuga)

           



Waldgang im Februar (Kaliyuga)


So fern vom Himmelreich,
so dunkel, bleiern, eisern ist sie, diese Zeit,
und wir so tief verstrickt in Winterkälte, selbst an den Sonnentagen.
Keine Antwort erhalten wir auf unsre Kinderfragen,
und selbst, wenn eine käme, wären wir bereit,
sie zu ertragen?

Im Walde, der das Frühjahr noch erwartet,
während ich allein auf diesen Wegen schreite,
beginnen kleine Vögel mit einem zaghaft angestimmten Frühlingslied.
Mein Herz zieht mit den Wolken in die Weite
und weiß noch nichts von dem, was Tod und Leben unterschied.

Verzeiht, ich bin so unbedeutend.
Im Astgewirr des Waldes lacht ein Grünspecht
keckernd über meine Worte.
Doch ist grad Friede um mich, ich bin am rechten Orte,
und so sacht, wie eine Ringelnatter sich am Bache häutend,
so geh ich ein in diesen kurzen Friedensaugenblick.
Und bin jetzt eins. Es ist ein in sich stilles Glück.

Zu geben hab ich kaum etwas.
Ihr Schwestern, Brüder, glaubet mir, es wacht
ein stiller Himmel auch über euch. So vieles ist so unbedeutend.
Noch ist der Wald im Vorbereiten
auf einen neuen Frühling, der bald folgt. Und heut:
Ich hab die Einsamkeiten
meiner wirren Lebensbahnen nie bereut.

Manchmal bin ich ganz. Und ganz in mir.
Wie eine Gloriole wirft ein Sonnenstrahl
durch kahle Baumeswipfel Glanz um mich.
Ich hatte niemals eine Wahl:
als dieses Kind geboren ward, o, wie war es schwach.
Und doch so stark zugleich.

Meine Kindheit verlief in Düsternis,
doch war ich stark genug, das zu überleben.
Es fließen plappernd stille
Quellen leis aus mir, sie sagen:
Du überlebst nur durch Vergeben.

Ein Eichelhäher kreischt mich wach,
er zeigt, ich schreite fremd durch sein Revier,
und eine Vogelfeder segelt aus dem Wipfeldach
quer über meinen Weg. Kein Zeichen, eine Mahnung nur.
Dass ich nicht wieder mich verlier.

Ich werd wohl niemals ganz verstehen,
warum und wann das Leid in diese Welt einbrach.
Ich wünsche, du könntest es mit meinen Augen sehen,
wie schön und friedenvoll alles in sich ruht.
Dann können wir uns ganz hinein begeben
in all das Werden und Vergehen,
so, wie es jedes andre Erdenwesen tut.
Dann wird auch uns ein kurzer Augenblick gespendet sein,
und wir zögen friedvoll in etwas Größ´res als wir selber ein.

Tag ist. Nacht ist. Und Wechsel am Rande der Gestade.
Ich geh jetzt weiter tief in das Tal.
Ich könnte alle tausend Träume träumen,
und doch ist mir davon nicht einer greifbar nah.
Die Bäume, Vögel, Wesen sagen: „Du hast doch eine Wahl:

Du selber bist es, du selber grenzt dich aus
von alle dem, was um dich lebt.
Nur selten spüren du dann: Du hast kein Zuhaus.
„Zuhaus“, das klingt so klein und so banal.
Doch wenn dein Herz verwundet ist,
wird alle Welt dir fremd und kahl.“

Es duftet um mich Ewigkeit.
Ich bin bereit.
„Wozu?“
„Dir immer wieder zu vergeben.
Du!“

Text & Konzeption Dingefinder Jörg Krüger, das Video enthält Bilder der 2017 verstorbenen Fredelsloher Künstlerin Andrea Rausch, dank an die Hedi-Kupfer-Stiftung Fredelsloh als Nachlassverwalterin, für die Genehmigung, diese zu nutzen. . . . und Dank an den Wald im Naturpark Solling-Vogeler bei Fredelsloh, der mich zu diesem Werk inspiriert hat.