Dienstag, 24. März 2015

Texte und Töne in Fredelsloh

 Freundinnen und Freunde sind etwas Schönes. Besonders, wenn sie mich und uns hier besuchen kommen. Und auch noch etwas mitbringen.

Am 9. April kommt Ana Lopez nach Fredelsloh um mit mir um 19:30 in der Alten Schule eine wunderbare Lesung zu gestalten. Das Meer, die Heimat und die Heimatlosigkeit werden unsere Themen sein, und wir werden nicht nur sprechen sondern auch klingen. 





                                                Verhinderte Poetin

                                 Manchmal sind Verse auf meinen Lippen,
                                 doch das Essen steht noch nicht auf dem Tisch.

                                 Manchmal sehe ich innere Bilder,
                                 wie sich die Dinge von innen nach aussen entfalten,
                                 schreiben will ich sie.

                                 Es sagt dazu mein Stift:
                                 Zeit nun für den Bericht.

                                 Und in der Zeit verflüchten sie ins unbekannte Morgen.

                                 Manchmal sind meine Worte wie Zaubersprache,
                                 aber wer will heute schon Zaubersprache hör´n?

                                 Manchmal denke ich mir die Welt besonders.
                                 Ich betrachte von ganz weit unten
                                 und von ganz weit oben;

                                 dann packt mich der Mut
                                 und meine Schreibader
                                 füllt sich mit Blut.





Am 10. Mai kommt dann Barbara Naziri ins Töpferdorf. Sie und ich werden mit einer Lesung des Jahrestages der Bücherverbrennung 1933 gedenken. Auf die einzig richtige Weise: Dass wir Gedichte dieser Dichterinnen und Dichter lesen, deren Bücher verbrannt wurden. Wir werden Gertrud Kolmar, Erich Mühsam, Ernst Toller und viele andere zu Gehör bringen. Zwischendurch gibt es Klänge auf Gitarre und Querflöte. Beginn ist 18:30. Wir treffen und im Café Klett






Barbara Naziri, Autorin, Dichterin und Herausgeberin, geb. in eine multikulturelle Familie, deren Spuren man von Israel über den Iran, die Krim bis nach Skandinavien verfolgen kann. Soziales Engagement hat für sie Priorität. Bereits in den 1980er und 1990er Jahren engagierte sie sich auf dem Gebiet der kulturellen und gesellschaftlichen, besonders aber der sozialen Konflikte ausländischer Mitbürger. So war sie Mitbegründerin des Hamburger Flüchtlingsrats sowie des deutsch-ausländischen Vereins AGDAZ und der Menschenrechtsinitiative IMUDI. Unter dem Pseudonym Maryam Djoun schrieb sie, ’Der Granatapfelbaum’ (Kinderbuch über ein iranisches Flüchtlingsschicksal und Anfang der 1990er Jahre Schullektüre) sowie ’Leben im Kalten Paradies’, das kritische Fragen zum Ausländergesetz und einer immer mehr wachsenden Parallelgesellschaft stellt. Als Menschenrechtsaktivistin unterstützt sie regelmäßig die Gruppe Madaran-e Irani. Sie veröffentlichte als Mitautorin Gedichte und Kurzgeschichten in mehreren Anthologien, ihre Geschichte ’Lam, der Kindersoldat’ wurde in der Zeitschrift MediaMania als bester Beitrag veröffentlicht zum Thema Krieg und Terror. Mitautorin in „Vielfalt – Bereicherung oder Bedrohung“ zum Thema multikulturelle Gesellschaft (Ed. Tandem – Salzburg). Herausgeberin von ’antastbar – die Würde des Menschen’ (Geschichten zur Menschenwürde – Dr. Ronald Henss Verlag). Ihr autobiografischer, mitunter recht abenteuerlicher und informativer Roman über den Iran „Grüner Himmel über schwarzen Tulpen“, erschien 2011 im Christel-Göttert-Verlag. Über sich selbst sagt die Autorin: Wäre ich eine Pflanze, würde ich mich so beschreiben: jiddische Wurzeln in persischer Erde mit Blütestandort Norddeutschland



Am Samstag, 16. 5. sind wir wieder im Café Klett in Fredelsloh.  Da stellen Anna Markova und Gennady Kuznetsov ihr Frühlingsprogramm vor. 

Um 20:00 Uhr wird ein bunter Maienabend beginnen. . .

Alle Veranstaltungen basieren auf freier Spende. Danke auch an das Bildungswerk Leben und Umwelt e. V., dass es uns so tatkräftig unterstützt.


 
Frühling, Liebe, Musik

„Musisch-lyrisch ein Genuss“ Südwest Presse

Dieses stimmungsvolle musikalisch-lyrische Frühlingsprogramm bietet Ernsthaftes und Unterhaltsames von Komponisten wie J. S. Bach, Niccolò Paganini, Jacques Féréol Mazas, Eugène-Auguste Ysaÿe u.a., sowie von Dichtern wie J. von Eichendorff, C. Brentano, H. Heine, T. Storm, E. Mörike, W. Busch, Chr. Morgenstern, D. von Liliencron u.a. Die weißrussische Ausnahmegeigerin Anna Markova übernimmt in diesem Programm recht ungewöhnliche Rollen als Improvisatorin, Rezitatorin und Sängerin. Ihr zur Seite steht der russische Dichter, Übersetzer und Liebhaber der klassischen deutschen und russischen Dichtung Gennady Kuznetsov, der Gedichte und Lieder auf Deutsch und Russisch vorträgt sowie Anna Markova auf der Gitarre begleitet.

Donnerstag, 26. Februar 2015

Fundstücke: Der Näher und die Nähe. . .


Nun ist es in Kürze so weit: Der Holzboden meiner zukünftigen Behausung ist geschliffen, grundiert und gewachst, so dass meine "neuen" Möbel Einzug nehmen können. Ich durfte mir bei einer Haushaltsauflösung dies und das aussuchen, eine schöne alte Kommode war darunter, Tisch und Stühle aus warmen Holz, und ein Bauernbett wurde mir auch offeriert. Doch das liebeste Fundstück ist mir eine alte Singer-Nähmaschine, mit Tretbrett und Schwungrad, die in einem Schränkchen verschwinden kann. Nicht nur, dass sie schön ist, gefällt mir, sondern auch, dass alle Kleinigkeiten dabei sind, wie Rollen und Rädchen, Ersatznadeln und so weiter. eben das, was oft fehlt. Nun bin ich nicht so der "Näher", das letzte Mal, als ich mich darin versuchte, ist mittlerweile fünfundzwanzig Jahre her, und da nähte ich mir von Hand eine Lederhose. Nicht fashionabel, doch originell. Doch eine Nachbarin hat mir zugesagt, mich in diese Kunst einzuweisen. Und weil mein gutes Stück eine "Singer" ist, singe ich Christian Morgensterns Gedicht von der Nähe beim Nähen:

 

       Die Nähe


Die Nähe ging verträumt umher. . .
Sie kam nie zu den Dingen selber.
Ihr Antlitz wurde gelb und gelber,
und ihren Leib ergriff die Zehr.

Doch eines Nachts, derweil sie schlief,
da trat wer an ihr Bette hin
und sprach: „Steh auf, mein Kind, ich bin
der kategorische Komparativ!

Ich werde dich zum Näher steigern,
ja, wenn du willst, zur Näherin!“ –
Die Nähe, ohne sich zu weigern,
sie nahm auch dies als Schicksal hin.

Als Näherin jedoch vergaß
sie leider völlig, was sie wollte,
und nähte Putz und hieß Frau Nolte
und hielt Obiges für Spaß.


Christian Morgenstern (1871 - 1914)